27.05.2013

Tages-Anzeiger

Die Redaktoren im Konvergenz-Trainingslager

Chefredaktor Res Strehle über "Floater", die Tagi-Paywall und den Umzug ins "Holzhaus".
Tages-Anzeiger: Die Redaktoren im Konvergenz-Trainingslager

Getrennte Redaktionen für Print und Online sind Vergangenheit - bald auch beim Tagi: Nach "Blick" und der "Neuen Zürcher Zeitung" startet im August als weiterer grosser Medientitel der "Tages-Anzeiger" mit der Konvergenz. In einem ersten Schritt wird die Redaktion in einer Art Trainingslager die neuen Arbeitsformen testen, bevor ab Dezember die Bezahlschranke folgen wird. Baut der Tagi ebenfalls eine durchlässige Paywall und was genau machen "Floater"? persoenlich.com hat bei Chefredaktor Res Strehle nachgefragt:

Herr Strehle, am 19. August startet die konvergente "Tages-Anzeiger"-Redaktion. Was ändert sich ab diesem Zeitpunkt für die Leser?
Vorderhand ändert sich für den Leser nichts. Wir planen die Veränderungen im Blatt und auf der Website erst im Hinblick auf die Einführung des Bezahlmodells Ende Jahr. Bis dann soll die Redaktion eine Art Trainingslager für die Konvergenz sein.

Was ändert sich für die Werbeauftraggeber?
Gar nichts – auch nach Einführung der Pay Wall wird Newsnet alle bisherigen Werbeformate unverändert anbieten können.

Und was ändert sich für die Redaktoren von "Tages-Anzeigers" und Newsnet?
Wir werden ab diesem Zeitpunkt die Redaktion nicht mehr nach Online- oder Print-Zuständigkeit organisieren, sondern nach Geschwindigkeiten. Fürs schnelle Tempo und die hohe Aktualität wird ein Newsteam verantwortlich sein, das sind die Sprinter und Allrounder auf der Kurzstrecke. Für alle anderen Tempi ab Mittelstrecke sind die Ressorts verantwortlich. Die Themenplanung erfolgt kanalübergreifend, damit werden wir die Synergien besser nutzen können.

Im Juni zieht die Redaktion ins "Holzhaus", in neue Räume (persoenlich.com berichtete). Wie ist die Stimmung?
Wir freuen uns auf diesen Umzug. Der Neubau des japanischen Architekten Shigeru Ban ist fantastisch geworden, ein architektonischer Wurf, der die Wertschätzung der Tamedia für journalistische Arbeit zeigt. Ausserdem schafft die Verbindung mit dem Altbau am Stauffacherquai auf zwei Stockwerken für uns ideale räumliche Voraussetzungen: Grossraum dort, wo viel Kommunikation und rascher Austausch nötig ist, Zweierbüros dort, wo sich Autoren und Rechercheure zurückziehen sollen.

Inwiefern gelang es in den letzten Monaten, die grossen Kulturunterschiede zwischen Online und Print abzubauen?
Die Kulturunterschiede werden meines Erachtens von aussen überschätzt. Dass hat wohl damit zu tun, dass sie in der Anfangszeit des Online-Journalismus gross waren, beide Seiten fühlten sich mit ihren Stärken phasenweise überlegen. Inzwischen ist der Respekt für die gegenseitige Arbeit deutlich gewachsen, auch die Lust, die andere Arbeit kennenzulernen, ist grösser. Kommt dazu, dass im Bezahlmodell die Angst vor Kannibalisierung weg ist. Wenn alle Kanäle zahlungspflichtig werden, fürchten die Printleute nicht mehr, dass bald niemand mehr für Inhalte zahlen wird und damit die Bezahlzeitung untergehen wird. Und schliesslich hat sich inzwischen auch gezeigt, dass sich das Geschäftsmodell Print deutlich besser hält, als dies viele Experten in den vergangenen Jahren befürchtet hatten.

Mussten Leute entlassen werden?
Nein.

Wie ist die konvergente Redaktion aufgestellt, sprich: Wie arbeiten die Redaktoren, um die Kanäle Print und Online zu bedienen?
Alle Ressorts arbeiten für alle Kanäle in allen Tempi ausser den Sprints. In den Ressorts arbeiten folglich Tagesreporter und Tageskommentatoren, aber auch die längerfristig arbeitenden Kollegen. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in eine zu grosse Hektik verfallen und so die vertiefende. längere Arbeit mit hoher Wertschöpfung und Eigenleistung zu kurz kommt.

Sie haben von "Floatern" gesprochen. Was genau ist deren Aufgabe und wer alles ist ein "Floater"?
Als Floater bezeichnen wir Kollegen, die die Fähigkeit haben in allen Tempi zu arbeiten und diesen wechselnden Rhythmus im Redaktionsalltag als Bereicherung empfinden. Sie sind ein Woche lang vielleicht als Tagesreporter im Newsroom tätig, eine andere für eine oder mehrere längere Geschichten im Ressortbüro. Dazu braucht es eine ergänzende Ausbildung für alle, die dazu bereit sind. Am Anfang werden wir folglich nur wenige Floater pro Ressort haben, mit der Zeit soll diese Zahl wachsen.

Im Dezember 2013 kommt die Paywall. Wie genau wird sie funktionieren?
Der Tages-Anzeiger wird, wie die "New York Times" oder die "Neue Zürcher Zeitung", das System einer "metered Paywall" umsetzen. Ob wir im Dezember starten, ist jedoch noch nicht bestimmt.

Die Tagi-Paywall wird somit ebenfalls durchlässig sein, wie bei der NZZ.
Ja, eine gewisse Durchlässigkeit - die sogenannte "Porosität" - ist auch beim "Tages-Anzeiger" konzeptioneller Teil der "metered Paywall".

Wie viel wird das Digital-Abo kosten?
Hier kann ich keine genauen Angaben machen. Die konkreten Preise und Angebotsformen sind noch nicht abschliessend definiert.

Interview: Edith Hollenstein, Bild: Keystone



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