13.05.2015

Die Messer sind gewetzt

Die Diskussion um die neue Billag-Gebühr nimmt unglaublich viel Fahrt auf. Was als blosse Zwängerei des Schweizerischen Gewerbeverbandes begann, verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Verbände und Parteien sind aufgesprungen, um sich hier ebenfalls in Szene zu setzen. Das überrascht auf den ersten Blick, weil es sich in der Sache ja um eine recht einfache Geschichte handelt, bei der die überwiegende Zahl der Schweizer weniger Konzessionsgebühren zahlen würde als bisher.
von Roger Schawinski

Die Diskussion um die neue Billag-Gebühr nimmt unglaublich viel Fahrt auf. Was als blosse Zwängerei des Schweizerischen Gewerbeverbandes begann, verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Verbände und Parteien sind aufgesprungen, um sich hier ebenfalls in Szene zu setzen. Das überrascht auf den ersten Blick, weil es sich in der Sache ja um eine recht einfache Geschichte handelt, bei der die überwiegende Zahl der Schweizer weniger Konzessionsgebühren zahlen würde als bisher. Bei Privathaushalten soll der jährliche Betrag von 462 Franken auf 400 Franken sinken – und das wäre wahrlich ein beinahe singulärer Vorgang! Auch würden die meisten Firmen weniger oder gar nichts bezahlen müssen, während vor allem die Grossfirmen stärker zur Kasse gebeten würden. Und natürlich wäre auch die verschwindend kleine Zahl von Personen betroffen, die weder Radio noch Fernsehen im Haus stehen haben. Weshalb also findet, zumindest nach ersten Umfragen, die Ablehnung der neuen Regelung eine solch grosse Resonanz? Im Prinzip geht es eben nicht um all diese Fakten. Nein, es ist in Wirklichkeit eine Abstimmung über die SRG, ihre Rolle im Land und ihre aktuelle Führung. Und da bisher noch keine der angekündigten Initiativen über die Abschaffung oder die Halbierung der Gebühren auch nur ansatzweise Resonanz erzielten, haben sich die Rechtskonservativen und die Frustrierten nun auf diese Abstimmung eingeschossen. Damit wollen sie ihr Unbehagen gegen diese SRG zum Ausdruck bringen, der sie seit Jahren sowohl Linkstendenz als auch die Verschleuderung von Mitteln vorwerfen, und dies, obwohl die SVP-Spitzenleute mit ihren klaren Voten äusserst häufige Studiogäste im Leutschenbach sind.

Und deshalb hat dieses Referendum gewaltige Sprengkraft. Wenn die SRG und die mit ihr verbündeten Privatsender in Bergregionen, die vom künftigen Geldregen am meisten profitieren sollen, diesen Kampf verlieren würden, wäre das zuerst nicht mehr als ein bedeutender Prestigeverlust, weil die Budgets nicht massiv gekürzt werden müssten. Er würde aber darüber hinaus die eingeschworenen SRG-Kritiker ermuntern, mit einer Initiative nachzulegen, die dann wirklich die Grundfesten erschüttern würde. Es wäre wohl der Start für ein Halali zur Filetierung der SRG. Der Beginn der grossen Service-public-Debatte. Und es würde alles infrage gestellt. Wegen des fehlenden Sprachenschutzes und der dominierenden Rolle der ausländischen Sender, die bereits heute mehr als 50 Prozent Marktanteil erzielen, würde die einheimische Medienlandschaft völlig umgepflügt. Denn die Zeit für die Einführung einer starken einheimischen TV- Konkurrenz ist längst ungenutzt verstrichen, und allein mit Werbeeinnahmen lassen sich in der Schweiz keine hochwertigen, journalistisch und fiktional aufgestellten Privatsender auf sprachnationaler Ebene betreiben. Privatsender könnten zwar theoretisch viele Genres anbieten, wie oft aufgeführt wird, aber diese liessen sich nicht in gebührender Qualität refinanzieren.

Ich frage mich deshalb, ob der Hass der so patriotisch auftretenden Nationalkonservativen auf die SRG so unendlich gross ist, dass sie aus Unwissenheit oder aus Absicht in Kauf nehmen, dass sie mit einer kastrierten SRG der ausländischen Konkurrenz die Tür zum lukrativen Schweizer Werbemarkt noch weiter aufstossen würden. Und dass sich dann die schweizerischen Inhalte weitgehend auf einheimische Bachelorettes und Bachelor und andere abgekupferte Reality- Formate internationaler Privatsender beschränken würden. Der 14. Juni ist deshalb ein entscheidendes Datum für die Schweizer Medienpolitik, auch wenn es bei oberflächlicher Betrachtung nur um einige technische Änderungen bei der Billag-Gebühr geht. Die ganz grossen Messer jedenfalls sind in gewissen Hinterzimmern bereits gewetzt. 

Dieser Text ist als Kolumne im aktuellen "personlich"-Magazin erschienen.



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