15.09.2015

Die Swisscom, die SRG und der Schweine-Deal

Einige wichtige Aspekte in der Debatte um den geplanten SRG-Swisscom-Ringier-Verbund werden detailliert diskutiert. Andere hingegen blieben bisher unbeachtet. Hier eine kleine Auswahl. 1. Klare Interessenkonflikte sind meist tödlich und können auch längerfristig nicht überwunden werden. Wenn nun drei Partner drei unterschiedliche Angebote einbringen (TV, Online, Print) so ist das Konfliktpotenzial offensichtlich. Denn die gemeinsame Vermarktungsfirma, die auf Kommissionsbasis arbeiten wird, muss ihre Eigeninteressen wahren. Und dabei werden die Werbeströme dorthin gelenkt, wo die grössten Einnahmen locken. Und diese können auf abenteuerlichste Weise beeinflusst werden.
von Roger Schawinski

Einige wichtige Aspekte in der Debatte um den geplanten SRG-Swisscom-Ringier-Verbund werden detailliert diskutiert. Andere hingegen blieben bisher unbeachtet. Hier eine kleine Auswahl.

1. Klare Interessenkonflikte sind meist tödlich und können auch längerfristig nicht überwunden werden. Wenn nun drei Partner drei unterschiedliche Angebote einbringen (TV, Online, Print) so ist das Konfliktpotenzial offensichtlich. Denn die gemeinsame Vermarktungsfirma, die auf Kommissionsbasis arbeiten wird, muss ihre Eigeninteressen wahren. Und dabei werden die Werbeströme dorthin gelenkt, wo die grössten Einnahmen locken. Und diese können auf abenteuerlichste Weise beeinflusst werden.
 
2. Da selbst mit den oft gehypten Big-Data-Unterlagen die Wirkungskraft etwa zwischen einem Inserat und einem Werbespot nicht zweifelsfrei eruiert werden kann, sind subjektive Kriterien anzuwenden. Und diese sind je nach Interessenlage beeinflussbar.
 
3. Alle Werbeformen sind gefährdet, aber nicht im gleichen Ausmass. Bei der zeitversetzten TV-Nutzung hat die Werbung keinen Platz, ebenso wenig wie bei Netflix und ähnlichen Angeboten, denen ein gewaltiges Wachstum prophezeit wird. Die als emotionslos empfundene Printwerbung profitierte bisher durch viel weichere Mediendaten. Trotzdem wird sie wegen des Krebsgangs des ganzen Genres weitere brutale Einbussen hinnehmen müssen. Und die vielgepriesene Onlinewerbung bei Medienportalen wächst nicht wie von vielen erhofft. Allein bei Transaktionsportalen explodieren die Gewinne. Zudem ist die Onlinewerbung technischen Gefahren wie etwa den Ad-Blockern ausgesetzt, - deren Nutzung weltweit exponentiell zunimmt. Mit Ad-Blockern kann mit wenigen Handgriffen die gesamte Onlinewerbung weggeklickt werden.
 
4. Dieser Mechanismus spielt aber nicht bei Google und Facebook, die ihre Werbung in ihr Grundangebot eingefügt haben. Daher hat die geplante schweizerische Werbeallianz schon aus technischer Sichtweise weniger Möglichkeiten als die übermächtige Konkurrenz aus Übersee. Die Ankündigung, man wolle mit dem Zusammenschluss vor allem den US-Giganten Paroli bieten, scheitert bereits an dieser Hürde. Ausserdem werden die exklusiven Angebote von Facebook und Google auch durch einen Schweizer Werbegiganten nicht berührt.

5. Die beteiligten Firmen haben völlig unterschiedliche Kulturen. Die SRG mit ihrer dominierenden Marktstellung und ihren hohen Gebühreneinnahmen verhält sich als halbstaatlicher Betrieb, ähnlich wie die Swisscom, sehr konservativ. Ganz anders die private Konkurrenz. Die hat sich schon längst von publizierten Tarifen gelöst und kämpft äusserst aggressiv um jeden Werbefranken. Vor allem gegen Ende Jahr, wenn die Budgets wieder einmal nicht erreichbar erscheinen, spitzt sich die Lage zu. Da gibt man sich auch für "Schweine-Deals" (Branchenjargon) her, bei denen man den Kunden sowohl in preislicher als auch in inhaltlicher Beziehung nochmals verbesserte Leistungen anbietet. Vor allem in Medienhäusern, bei denen eine ernsthafte Trennung zwischen dem redaktionellen und dem Inserateteil kaum mehr besteht, werden früher eherne journalistische Prinzipien über Bord geworfen. Solange dies innerhalb einer Firma geschieht, sind die Folgen eingegrenzt. Wie aber soll dies innerhalb der geplanten Allianz von drei Partnern mit so unterschiedlichen Kulturen funktionieren? Eine solche Marktkonstellation kann Manipulationen zum Nachteil der anderen Partner kaum verhindern, da diese Aktionen meist im informellen, halbseidenen Bereich abgewickelt werden.
 
Aus diesen Gründen – und einigen mehr – gebe ich einer solchen Konstruktion keine besonders gute Prognose, und dies auch aufgrund meiner Erfahrungen als Drittelspartner (neben Ringier und Tamedia) beim viel weniger komplexen TeleZüri. Aber vielleicht ist das alles Geschwätz von gestern und die Topleute der drei Unternehmen haben nach ihren wiederholten Pilgerfahrten ins Silicon Valley alles viel besser bedacht, als wir alle ahnen können.



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