19.10.2015

Wenn Journalisten sich 
zu Deppen machen

Es ist grauenhaft – aber unser tägliches Brot: Um irgendwelche Anzeigenkunden geschmeidig und lind zu umgarnen, schreiben immer mehr "JournalistInnen" grauenhafte PR-Texte, grässliche, in unzweifelhaft vom Hersteller stammendem Werbe-Deutsch. Texte, die ich jahrelang entweder aus dem Blatt warf oder den jeweiligen Journalisten als PR-Schmieranten beschimpfte.
von Helmut-Maria Glogger

Es ist grauenhaft – aber unser tägliches Brot: Um irgendwelche Anzeigenkunden geschmeidig und lind zu umgarnen, schreiben immer mehr "JournalistInnen" grauenhafte PR-Texte, grässliche, in unzweifelhaft vom Hersteller stammendem Werbe-Deutsch. Texte, die ich jahrelang entweder aus dem Blatt warf oder den jeweiligen Journalisten als PR-Schmieranten beschimpfte.

Es ist furchtbar – nur, weil es den Verlegern gerade mal so passt, werden Journalisten und Journalistinnen noch mehr enteiert, noch mehr zu Sklaven einer alles obsiegenden Geld-Hierarchie gedrechselt. Nicht von Journalisten, sondern von sogenannten Brand-Managern in den eigenen Verlagen.

Es ist grässlich – erst wurden aus Artikeln sogenannte "Module"; diese wurden normiert auf gewisse, vorgestanzte Längen eingedampft; um dann Inhalte, die nicht als bezahlte Werbung gelten sollten, in Zeitungen und Zeitschriften als "Artikel" eingeschleust zu werden.

Was – und da bin ich mir eben nach fast 30 Jahren in Chefredaktionen sicher – vom Leser erfühlt wird: Er glaubt uns einfach nichts mehr. So dass das Wort des "Lügen-Journalismus" sehr wohl seine Berechtigung hat.

Ich weiss – ich befinde mich da heute in einer Minderheit. Ich weiss aber auch, dass Zeitschriften wie die "Schweizer Illustrierte" irgendwann an diesem PR-Journalismus ersticken.  Als kostenloses PR-Werbe-Heftli wie "friday" bestens –, für Werbebotschaften dreist Geld zu verlangen: Nein Danke.

Warum? Weil es heute oft so ist, dass die Leser über ein weitaus kritischeres Bewusstsein verfügen als die Redakteure; dass sich die Leser heute nicht mehr fragen "Stimmt das?"

Sie wissen längst – es stimmt nicht; es ist einfach mal wieder als Werbung verkappte PR. Es glaubt doch kein vernünftiger Leser, dass es nur Autos gibt, die grandios fahren, kaum Sprit verbrauchen und zudem Umwelt-Schützer auf vier Rädern sind. Hier hat der Auto-Journalismus (siehe den VW-Skandal) skandalös versagt.

Macht nix, sagen sich die Chefs. Schon wird dieser VW-Betrug nur mehr auf minimaler Flamme geköchelt – wer will schon auf die Anzeigen von VW und den anderen Marken verzichten? Welcher Auto-Journalist will all die herrlichen Reisen, die vielen Test-Autos und die sonstigen Goodies missen?

Nicht anders sieht es im Bereich Mode und Kosmetik aus. Schlicht erbärmlich die journalistische Aufarbeitung dieser Themen. Hauptsache Nivea, L’Oréal & Co sind richtig geschrieben – und können den PR-Abteilungen dieser Konzerne devot angedient werden.

So – und jetzt gibt es dazu auch einen Studiengang bei der Journalistenschule MAZ und der Hochschule Luzern. "Brand Journalism & Corporate Storytelling" heisst dieser neue Studiengang. Oder wie dies Studienleiter Elmar von Bonsen freimütig zugibt: "Markenjournalismus oder 'Brand Journalism' ist journalistisch gekonntes Storytelling im Unternehmensauftrag. Das heisst: Eine Marke unter Anwendung journalistischen Handwerks zu inszenieren."

Das neue Credo also heisst: "Der Leser möchte in erster Linie unterhalten werden, er erwartet keinen investigativen Journalismus." Na, wenn sich da Herr von und zu Bonsen nicht mal irrt. Ich hoffe, er irrt sich gründlich.



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