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Akute Platznot auf dem Podest

Christian Beck

Stellen Sie sich ein Skirennen vor. Da gibt es normalerweise einen Sieger, daneben auf dem Siegertreppchen stehen der Zweit- und Drittplatzierte. Eine klare Sache. An der Zeitmessung gibt es nichts zu rütteln.

Auf dem Siegerpodest der Privatradios wird es aber ganz schön eng, sobald Mediapulse die Zahlen aus dem Radiopanel veröffentlicht. Da sind plötzlich alle die Nummer 1. So auch geschehen, als die Zahlen zum zweiten Halbjahr 2016 veröffentlicht wurden (persoenlich.com berichtete). Beispiele gefällig?

«Energy bleibt die Nummer 1 der Schweizer Privatradios». An dieser Headline gibt es tatsächlich nichts zu rütteln. Auf das gleiche Resultat kommt auch Mediapulse. Bei den Zahlen gibt es erste Differenzen. Während Mediapulse von täglich 282'100 Hörern spricht, will Energy Zürich plötzlich 294'000 haben. Der zuständige Redaktor (ich) ist zum ersten Mal verwirrt und kontaktiert den Zuständigen bei Mediapulse. Die Auflösung ist einfach. Die erste Zahl bezieht sich auf den Schnitt von Montag bis Sonntag, Energy Zürich kommunizierte die Zahl von Montag bis Freitag, also ohne hörerschwächeres Wochenende. Stimmt also auch, nur anders interpretiert. Interessanterweise machen das einige Radios so. Klingt halt besser.

Vor einem Jahr übrigens löste Energy Zürich nach 32 Jahren Radio 24 an der Spitze der Privatradios ab. Die Radiomacher an der Limmatstrasse waren am Boden zerstört. Nun haben sie sich wieder aufgerappelt. Und verkünden: «Radio 24 holt sich die Nummer 1 im Sendegebiet zurück». Und legt noch mehr Superlative nach: grösste Reichweite, längste Hördauer, höchster Marktanteil, die meisten Hörer bei den Shows. Ist auch nicht falsch. Einfach eingegrenzt auf das Konzessionsgebiet Zürich-Glarus. Dort, wo Energy Zürich gar keine Konzession hat.

Damit ist aber noch lange nicht Schluss: «FM1 baut Vorsprung aus» und habe damit seine Position als «klare Nummer 1 der Privatradios in der Ostschweiz und Graubünden weiter gefestigt». Juhu, der dritte Sender auf dem Podest. Es gesellt sich noch einer dazu: «Radio 1 wird am Längsten gehört». Die «klar grösste Radiokombination aus der Zentralschweiz für die Zentralschweiz» haben die drei Radios Central, Sunshine und Eviva. Zusammen ist man immer stärker. Da tummeln sich schon sieben oben auf dem Siegertreppchen.

Auch Radio Südostschweiz bestätigt «seine Leaderposition als Lokalradio der Südostschweiz». Nummer acht. «Radio Bern1 ist das beliebteste Privatradio in der Stadt und Region Bern». Nummer neun. Und nach zehn Radios auf dem Podest machen wir dicht, da lassen wir niemanden mehr rauf (obwohl es sicher noch mehr Siegertypen gibt). Es drängt sich also auch noch dazu: Radio Melody mit dem «höchsten Marktanteil bei den privaten Kabelradios». Gratuliere. Muss ich auch mal einschalten.

Was ich Ihnen an dieser Stelle auch versichern kann: Ich bin der Beste*. Somebody else?


* Diese Aussage bezieht sich auf alle männlichen Online-Redaktoren zwischen Goldbrunnenplatz und Schmiede Wiedikon in Zürich, die derzeit Jeans, Brille und Dreitagebart tragen.

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