BLOG

An den Falschen geraten

Matthias Ackeret

Genüsslich zählte das Enthüllungsblatt «Tages-Anzeiger» vergangene Woche die Anzahl der Telefonate zwischen Christoph Blocher und Roger Köppel nach. Das ist im besten Sinne Opium für das Volk. Und beweist, dass man – wie das Beispiel Blocher zeigt – auch mit einem alten Nokia-Handy dauerpräsent sein kann.

Was der «Tages-Anzeiger» aber übersieht, ist die ernsthafte Note seiner «Enthüllung». Warum wurden Blocher und Köppel abgehört? Und warum wurden diese Erkenntnisse, die eigentlich «vernichtet» werden mussten, plötzlich dem Tagi zugespielt? Als langjähriger Gerichtsreporter von TeleZüri und Tele24 weiss ich, dass solche Informationen nicht ohne Grund einem Medium zugestellt werden. Es ist wie bei einem Zaubertrick, man spielt mit der linken Hand, damit der Hase unbeobachtet in den rechten Ärmel hineinrutschen kann. Beim Hildebrand-Fall ist es ähnlich: man lenkt die Aufmerksamkeit auf Blocher und Köppel, um vom fragwürdigen Treiben der Staatsanwaltschaft abzulenken oder – und dies wäre das Ziel von Reto T’s Anwalt – eine Verschwörungstheorie zwischen dem Alt-Bundesrat und dem «Weltwoche»-Verleger gegen den gestürzten Strahlemann Hildebrand zu zimmern.

Dass nun Urs Paul Engeler, der Enthüller der «Causa Hildebrand», juristische Schritte gegen unbekannt einleitet, ist folgerichtig. Sollte sich bewahrheiten, dass auch Engeler abgehört worden war, wäre dies skandalös und ein erheblicher Eingriff gegen elementarste Journalistenrechte. Doch die Zürcher Staatsanwaltschaft wehrt sich gegen Engelers massive Anwürfe, die er gegenüber persoenlich.com machte. Der «Weltwoche»-Journalist sei nur als «Kommunikationspartner» des Angeklagten Lei überwacht worden. Doch jedermann weiss: Da zu einem Telefonat bekanntlich zwei Personen gehören, gibt es am Ende auch zwei «Opfer». Da nützt es dem einten Überwachten wenig, dass er in die Kategorie «Kommunikationspartner» fällt.

Engeler wundert sich im persoenlich.com-Interview, dass sich die Journalistenverbände beim «Fall Hildebrand» überhaupt nicht für die Rechte der Journalisten einsetzten. Doch das ist eine andere Realität. Hätte es bei der Enthüllung der «Causa Zuppiger» oder der Geheimarmee P 26 – beides Engeler-Fälle – staatliche Eingriffe gegeben, wäre ein Aufschrei der Empörung durch das Land gegangen und der «Tages-Anzeiger» hätte die gröbsten Geschosse gegen die Justizbehörden installiert.

Doch bei Philipp Hildebrand war alles anders, hier hatte sich Engeler mit dem Falschen angelegt. Der Böse war - und ist - eigentlich der Gute, die Aufdecker - trotz ihrer Watergate-Ambitionen – die moralisch Verwerflichen. Obwohl Hildebrand durch seinen schnellen Rücktritt ein Schuldeingeständnis machte, blieb er von den Staatsverfolgungsbehörden unbehelligt und somit moralisch unangreifbar. Für viele handelt es sich beim gestürzten Nationalbankchef auch heute noch um ein fleischgewordenes Duplikat von Pfarrer Sieber. Deswegen verzeiht man Hildebrand sogar, dass er beim Gang über den Zürichsee nicht zum «Pfusbuus» wandelte sondern zu BlackRock.

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

  • Heinz Walker, 07.04.2016 13:07 Uhr
    Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.
  • Urs Gugger, 07.04.2016 10:12 Uhr
    Jedem vernünftigen Menschen ist klar, dass Journalisten, die in monitärer Abhängigkeit einer Person stehen, als befangen betrachtet werden müssen, und was sie zum Diskurs beisteuern, immer bezahlte Schreibe sein wird mit der Angst im Nacken, das Abhängigkeitsverhältnis zu riskieren.
  • Urs Thalmann, 07.04.2016 08:20 Uhr
    Schlau gedacht, aber falsch. Das hat nichts mit Ideologie zu tun. Wer hat Engeler gefragt, ob er in einem der Verbände Mitglied ist und als Mitglied um den Schutz durch seinen Verband nachgefragt hat? Die Antwort liegt auf der Hand. Der "Aufschrei" ist nicht gratis. Damit Verbände staatsfern und unabhängig und dennoch stark sein können, braucht es Ressourcen, und diese bestezen aus Mitgliederbeiträgen. Auch jener von Engeler wäre nötig. Er wäre willkommen... Natürlich müssen sich die Verbände in erster Linie um die Mitglieder kümmern - oder möchte denn hier jemand, dass eine Verischerung jene schützt, die nicht dabei sind...? Mich würde seine Antwort sehr wundernehmen, bei welchem Verband er denn Mitglied ist, und so dazu beiträgt, dass der von ihm vermisste "Aufschrei" überhaupt entstehen kann!
  • pio meyer, 06.04.2016 15:15 Uhr
    wie vor gut hundert jahren prognostiziert sympathy antipathie anstelle von sachkundiger argumentation weiterhin so brilliante artikel vielen dank
  • Roger Doelly, 05.04.2016 23:52 Uhr
    Ganz genau, andersrum wäre der Aufschrei bei den Journalistenverbänden gross gewesen. Es gibt bis heute leider nur ein journalistisches Werk, das den Fall Hildebrand mit der notwendigen Nüchternheit beleuchtete: «Der erzwungene Rücktritt», ein DOK (2012) von Hansjürg Zumstein. Natürlich liessen unverbesserliche Mainstream-Journalisten mit notorischer Blocher-Köppel-Phobie – wie zum Beispiel Daniel Binswanger – sich auch von diesem Stück Aufklärung nicht vom Glauben abbringen, beim gescheiterten Nationalbankpräsidenten habe es sich um einen «Rockstar» gehandelt.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

Die neuesten Blogs

13.04.2024 - Hansmartin Schmid

Die Schweizer Medien und die Kriege

Die Schweizer Auslandberichterstattung ist in deutsche Hände geglitten.

Zum Seitenanfang20240425