BLOG

Auslaufmodell Journalismus

René Grossenbacher

Am diesjährigen Medienkongress verkündete Ringier-CEO Marc Walder eine Botschaft, die erstaunlicherweise kaum Resonanz fand, obwohl sie einigen Zündstoff enthielt. Er halte das Geschäftsmodell Journalismus für nicht zukunftsfähig, vermeldete Walder den versammelten Medienmanagern und Chefredaktoren. Sprach hier einer, der es wissen muss, eine unangenehme Wahrheit aus? Oder verteidigte er einfach die Strategie seines Hauses, die darin besteht, das Unternehmen zu einem Unterhaltungskonzern umzubauen, in dem die Journalisten nur noch Erfüllungsgehilfen von publizistikfremden Geschäftszielen sind?

Nach dem Ausgang der amerikanischen Wahlen erscheint Walders Aussage noch in einem ganz anderen Licht, ergab doch die (vor-)schnelle Analyse des Wahlausgangs, dass der Journalismus offenbar nichts, die sozialen Medien aber alles bewirkt haben. Wenn die Fakten nichts mehr gelten, dann braucht es auch die Journalisten, welche diese einordnen und interpretieren, nicht mehr.

Wir wissen natürlich, dass dies ein Kurzschluss wäre. Nur dank unabhängigen, kritischen Medien können Demokratien auf Dauer funktionieren. Versagt dieser Mechanismus, beginnt der Marsch in die Diktatur. Nun ist aber nicht zu leugnen, dass der Journalismus in den letzten Jahren arg leiden musste. Nicht nur, dass auf einen Journalisten inzwischen geschätzte fünf PR-Leute kommen, noch grössere Sorgen bereitet die einbrechende Finanzierungsbasis. Die Werbeauftraggeber investieren lieber in «Content Marketing» oder stecken ihr Werbegeld in Suchmaschinen und Social Media-Plattformen. Die Konsumenten haben sich daran gewöhnt, dass alles gratis ist und mögen für journalistische Inhalte nicht mehr bezahlen.

Wenn Journalismus sich weder über Werbung noch Einzelverkauf oder Abonnements und schon gar nicht über die Paywall finanzieren lässt – als Geschäftsmodell also ausgedient hat –, wer finanziert ihn dann noch? Mäzene vielleicht, politische Interessen oder grosszügige (Medien-)Manager, die ihre publizistischen Produkte mit Quersubventionen am Leben erhalten? Wenn es der Markt nicht mehr richten kann, muss sich der Staat etwas einfallen lassen. Schon heute werden die Medien massiv mit öffentlichen Mitteln unterstützt. Nicht nur die SRG profitiert davon, die Regionalfernsehstationen und manches Privatradio wären ohne die Gelder aus dem Gebührentopf nicht überlebensfähig. Aber auch die Presse wird über die Posttaxenverbilligung mit Millionen unterstützt.

Besonders effizient ist dieses Giesskannenprinzip nicht, denn auch Pfarrblätter und PR-Organe organisierter Interessen dürfen sich aus diesem Topf bedienen. Am anderen Extrem absorbiert der Moloch SRG 95 Prozent der Gebührengelder. Eher früher als später wird sich die Politik Gedanken machen müssen, wie die Medienförderung optimiert werden kann. Dabei darf auch der Verteilmechanismus nicht ausgespart werden.



Dr. René Grossenbacher ist Geschäftsleiter der Publicom. Die auf Medienforschung und -beratung spezialisierte Publicom veröffentlichte diese Woche die Ergebnisse einer neuen Expertenbefragung zu den Finanzierungsmodellen im Journalismus.

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

  • Peter Zwissig, 22.12.2016 13:35 Uhr
    Aus dem Code of Conduct: 11. Respekt vor der Privatsphäre «Insbesondere soll jede Journalistin und jeder Journalist Informationen über bestimmte Angelegenheiten oder Personen nur auf legalem Wege einholen oder einzuholen versuchen und niemals durch Bestechung oder Zwang.» Aus Ralph Donghis SMS: «dann treibt doch bitte um himmels willen ein richtiges foto auf, ansonsten wird ein krimineller geschützt oder evt eine unschuldige person diffamiert.» (Anmerkung der Redaktion: Der Verfasser der zitierten SMS war nicht Ralph Donghi. Die Information ist falsch.)
  • Marc Walder, 22.12.2016 11:48 Uhr
    In diesem Artikel unterstellt René Grossenbacher mir als CEO von Ringier, die Strategie zu verfolgen, das Medienunternehmen Ringier "zu einem Unterhaltungskonzern umzubauen, in dem die Journalisten nur noch Erfüllungsgehilfen von publizistikfremden Geschäftszielen sind". Im Sinne einer Gegendarstellung weist Ringier diese unprofessionelle und diffamierende Unterstellung zurück und verweist auf den über die ganze Gruppe hinweg geltenden Code of Conduct. Dieser legt die Leitlinien für ethisches Verhalten aller rund 7000 Mitarbeiter der Ringier AG fest.
  • Pierre Rothschild, 19.12.2016 12:30 Uhr
    Der Journalismus hat eine grosse Zukunft, aber er kostet vorerst einmal Geld. Wer die wichtigen Themen gut und aufwändig recherchiert, wird zahlende Leser finden! Zu lange haben sich die Verleger daran gewöhnt, dass man es "billig" machen kann. Als das Fernsehen langsam populär wurde, sagte man Hollywood tot. Heute sind diese Filme mit die wichtigsten Programmteile aller TV-Sender... Verleger, die wissen was sie wollen, wie etwa Dr. Burda oder die Bauer-Familie, werden immer mit Print Geld verdienen und gute Arbeitgeber sein. Auch die Funke-Gruppe glaubt an Print. Dass wir hier in der Schweiz Probleme haben ist klar - auch ohne die digitalen Veränderungen würde man viele Titel nicht mehr kaufen. Sie produzieren an den Lesern vorbei und so wundert es nicht, dass die Titel, die genau die Leser begeistern, gut laufen. So etwa die Glückspost, von Leo Lüthy hervorragend geleitet oder die Schweizer Familie.
  • Alève Mine, 19.12.2016 07:24 Uhr
    Schon vor einigen Jahren einem bekannten Journalisten vorgeschlagen, der sich in einem Podiumsgespräch über dieses Thema beklagt hatte: eine Zertifizierungslabel, woran der Inhaltsaggregator sowie die Lesern "qualifizierte" oder "gute", oder was auch immer, Journalisten erkennen kann.
Kommentarfunktion wurde geschlossen

Die neuesten Blogs

13.04.2024 - Hansmartin Schmid

Die Schweizer Medien und die Kriege

Die Schweizer Auslandberichterstattung ist in deutsche Hände geglitten.

12.04.2024 - Klaus-Dieter Koch

Attraktivität braucht Kontrolle

Warum Hermès, Rolex und Co ihre Marken nicht an jeden verkaufen können.

Zum Seitenanfang20240420