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Das Publikum darf bei SRF mitgestalten

René Zeyer

Transparenzoffensive nennt man so was heute. SRF gibt dem Publikum die Möglichkeit, als Redaktionsmitglied, Produzent oder Moderator zu wirken (persoenlich.com berichtete). «Publikumsmitarbeitende» heisst das, und so grauslich wie die Verwendung des Partizips Präsens zur vermeintlich geschlechtsneutralen und damit nicht diskriminierenden Bezeichnung von Mitarbeitern ist die ganze Idee.

Schon längst hat sich der Begriff des «Leserreporters» eingebürgert, wobei erstaunlicherweise auf die Version «Leserreportierende» verzichtet wurde. Gemeint ist damit, dass jeder (und selbstverständlich auch jede) eine Beobachtung, ein Foto, ein Video an Medienorgane schicken darf, was bei Verwendung auch honoriert wird. Nichts gegen Tipps aus dem Publikum. Aber eigentlich sollte sich das jeder Reporter, jeder Fotograf und jeder Kameramann ausdrücklich verbitten. Entweder steht dahinter eine Ausbildung, eine Qualifikation, eine Professionalität – oder Journalismus wird zum Jekami und beweist selbst ohne Not, dass doch eigentlich alle ein paar Buchstaben sortieren oder auf den Knopf drücken können.

Es ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass der Patient dem Arzt über die Schulter schaut (wenn er nicht gerade auf dem Untersuchungsschragen liegt), der Hausbauer dem Architekten beim CAD-Planen auf den Bildschirm starrt oder die Floristin beim Binden eines Strausses bewundert. Es käme aber niemand auf die Idee, dem Publikum anzubieten, dass es doch ungeniert mal selber ans Gerät gehen solle, weil das doch ungeheuerlich die Transparenz befördere.

Das Realisieren einer Ausgabe von «10vor10», das Zusammenstellen des Musikprogramms von SRF3 oder das Moderieren von «SRF Meteo» ist aber offenbar etwas, das eigentlich jeder kann. Jede auch, aber den Unterschied zwischen übergeordneten Gattungsbegriffen, dem grammatikalischen Genus und Männlein sowie Weiblein erklären wir dann in einer Transparenzoffensive für Fortgeschrittene. Damit soll natürlich nichts gegen die Neugier und möglicherweise vorhandene Fachkenntnisse des Publikums gesagt sein. Vielleicht ist der sich zu Tode sparende Journalismus bereits dermassen auf den Hund gekommen, dass der Unterschied zwischen einem Journalisten und jedem beliebigen Mitbürger im Zweifelsfall nur an einem eher dürftigen Kleidergeschmack sowie einer alkoholgetränkten Leber beim Medienschaffenden festzumachen ist.

«Hallo SRF!» mit modischem Ausrufezeichen heisst die ganze Aktion, die offensichtlich der Angst des gebührenfinanzierten SRF entsprungen ist, dass ihm der Stimmbürger dann mal doch den Geldhahn zudrehen könnte. Vielleicht wird sie aber aus einem ganz anderen Grund zum Rohrkrepierer. Zum Beispiel, wenn der neugierige «Publikumsmitwirkende» zu häufig auf seine forsche Frage: «Was machen Sie denn hier den ganzen Tag?», nur unbefriedigende oder unverständliche Antworten erhält. Oder gar keine, wenn er leere Räume ausserhalb der ordentlichen Bürozeiten betritt. Vielleicht sollte man SRF darauf aufmerksam machen, dass man unter Publikum gemeinhin die Zuschauer und Zuhörer versteht. Draussen im Lande vor den Empfangsgeräten, im Studio als Klatschdekoration oder als Garnitur für Authentizität versprühende Aussenanlässe.

Aber normalerweise sind «Publikumsmitwirkende» unbescholtene Mitbürger, die aus heiterem Himmel mit der Frage überfallen werden: «Wie heissen Sie und woher kommen Sie?» Und alle, inklusive Publikum, sind froh, wenn eine Antwort stammelfrei über die Lippen kommt und der Moderator schnell genug das Mikrofon weghält, bevor der Satz folgt: «Und ich grüsse meinen Mann Heiri, die Kollegen vom Kegelclub und alle, die mich kennen.» Das soll sich nun ändern, wobei ungewiss ist, ob die Einschaltquote durch einen solchen Dilettantenstadl steigt oder viele «Und tschüss, SRF!» mit der Fernbedienung sagen. Und natürlich auch mit einem kurzen Wischen auf dem Smartphone.

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Kommentare

  • Theo Uhlir, 30.06.2017 14:53 Uhr
    Lange nicht mehr so gelacht, René! Viel treffender kann man es nicht formulieren. Danke für den Spass!
  • Thom Brändli, 29.06.2017 15:47 Uhr
    ich weiss zwar nicht, an was Herr Zeyer zurzeit gerade arbeitet, aber ich hoffe doch, dass er bei seiner täglichen Arbeit als Journalist und Autor doch etwas mehr Optimismus und eine positivere Einstellung an den Tag legt. Er erweckt den Eindruck, dass er qualitative Beiträgen von "Publikumsmitwirkenden" scheut. Die Aktion "Hallo SRF" ist m.E. eine gelungene Aktion, die nicht nur die Transparenz fördert, sondern dem heutigen gesellschaftlichen Medienumfeld gerecht werden kann. Die ewigen Nörgler, die bei jeder neuen Massnahme des gebührenfinanzierten SRF sogleich das Haar in der Suppe suchen, gehen mir ganz schön auf den Keks. Lassen Sie die Aktion doch mal passieren und urteilen Sie danach. ... und glauben Sie mir, es gibt hier draussen im "Lande" mit Bestimmtheit, das eine oder andere Talent, das stammelfrei eine Moderation von sich geben kann und so vielleicht diese Plattform für eine künftige Karriere nutzen kann... und die anderen müssen sieh ja nicht bewerben!
  • Peter Eberhard, 29.06.2017 11:52 Uhr
    Danke, Herr Zeyer. Ein weiteres Beispiel für falsch verstandene Transparenz. No Billag-Initiative, ick hör Dir trappsen...
  • Anne Eigner, 29.06.2017 09:40 Uhr
    Och Herr Herger - dann empfehle ich Ihnen den Umstieg auf Tele Blocher (oder wie das heisst). Nix abgehobene Kultur und BoBo-Ware, sondern echt bodenständige Milliardärsweisheiten. Nur Mut!
  • Nico Herger, 28.06.2017 10:46 Uhr
    Der Unterschied wird nicht gross sein. SRF ist doch schon längst ein Jekami. Ich weiche schon seit Jahren auf die Welschen aus, obwohl diese mit ihrer Sozi-Nähe und ihrer Kulturversessenheit (typische BoBos-Sender eben) nerven, und auf ARD/ZDF, obwohl diese sich als Regierungssender und Umerziehungsanstalten gebärden. Aber die Beiträge sind wenigstens gut gemacht und werden professionell moderiert.
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