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Der SDA-Streik und die Folgen

Matthias Ackeret

«Print wirkt», lautet die Werbekampagne vom Verband Schweizer Medien. Markus Schwab, Direktor der Schweizer Depeschenagentur SDA, musste die Erfahrung machen, dass diese Losung stimmt. Sein Interview in der «NZZ am Sonntag» liess bei der verunsicherten SDA-Belegschaft alle Dämme brechen und löste einen viertägigen Streik aus.

Für die Schweizer Medienlandschaft ein ungewöhnlicher Vorgang. Der letzte, dem Schreibenden bekannte Medienstreik, war genau vor 40 Jahren nach der Entlassung von Roger Schawinski als Chefredaktor der Boulevardzeitung «Tat». Das Resultat ist bekannt: die Migros, als Verlegerin, stellte die «Tat» kurz danach ein. Schawinski hat es bekanntlich nicht geschadet.

Doch zurück zur SDA: Ein Streik bei einer Nachrichtenagentur ist ein zweischneidiges Schwert. Einerseits erzeugt er eine ungemeine Publizitäts- und auch Solidaritätswelle, wie in den letzten Tagen zu beobachten. Das ist aussergewöhnlich, zeichnet sich doch eine Nachrichtenagentur durch systembedingte Zurückhaltung aus, die in unserer – von Eitelkeit getriebenen Branche – wohltuend wirkt. 

Die «Wochenzeitung» und das neue Onlinemagazin «Republik» – obwohl keine SDA-Kunden –, identifizierten sich sehr mit den Anliegen der Demonstrierenden. Gerade die WOZ – und dies muss auch gesagt werden – zeichnete sich durch eine sehr fundierte Darstellung der ganzen Problematik aus.

Ein solcher Arbeitskonflikt ist verführerisch. Doch gerade darin lauert die Hauptgefahr: Ausgerechnet dieser Streik könnte für manchen Verleger den handfesten Beweis – und möglicherweise Vorwand – sein, dass es auch ohne sie geht.  Es wäre wirklich bedauerlich, wenn die SDA mit ihrer Arbeitsniederlegung ihre Entbehrlichkeit bewiesen hätte. Die Schweizer Zeitungen erschienen während den vier Streiktagen in gewohntem Umfang und wiesen auch keine weissen Flächen auf. Zudem dürften die wenigsten Leser realisiert haben, dass etwas fehlt.

Der Schreibende weiss, dass einige Verleger in den vergangenen Tagen mit dem Gedanken spielten, künftig auf ihr SDA-Abo zu verzichten. Dies vor allem aus Kostengründen. Geht es den Medien schlecht, muss überall gespart werden: die nicht ganz günstige SDA ist für solche Überlegungen ein (zu) verlockendes Objekt. 

Und genau darin liegt die Krux der ganzen Geschichte. Nirgendwo hat die Digitalisierung so massiv eingeschlagen, wie bei den Nachrichtenagenturen. Vorbei die Zeiten, als sie über ein Informationsmonopol verfügten. Mittlerweile sind die Nachrichten auf allen möglichen oder auch unmöglichen Kanälen wie Twitter oder sonst wo im Internet kostenlos abrufbar.

Der viertägige Streik zeigte aber vor allem eines: grössere Medien wie die NZZ oder der Tagi können auch ohne die SDA existieren, für kleinere Zeitungen und auch Gratisblätter wie 20 Minuten aber ist sie im «daily business» immer noch unentbehrlich. Auf dieser Erkenntnis muss man aufbauen. Deswegen sind die Überlegungen der SDA-Spitze, sich verstärkt den Kundenbedürfnissen  anzupassen, auch zu begrüssen. Die Zusammenlegung mit der Fotoagentur Keystone geht in die richtige Richtung.

Klar, SDA-Boss Markus Schwab war mit seinem NZZaS-Interview schlecht beraten. Andererseits war es ein ehrliches  Gespräch, zeigte es doch schonungslos die Überlegungen der Führungsspitze. Um es positiv – und leicht ironisch – auszudrücken: Schwab war 100-prozentig transparent.

Gerade heute, wo jede kritische und pointierte Aussage eines CEOs nachträglich von einem Heer von PR-Spezialisten geschönt oder ins Gegenteil verkehrt wird, eine Ausnahme. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass die SDA den Rank noch kriegt: Das Bedürfnis nach seriöser, aber auch schneller und umfassender Berichterstattung ist in aufgeregten Zeiten wie heute stärker denn je. Die Schweizer Depechenagentur - in welcher Form auch immer - wäre dafür der beste Garant.

 

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Kommentare

  • Erich Heini, 07.02.2018 10:22 Uhr
    Sosehr diese Ueberlegungen Hand und Fuss haben, sosehr tragen sie dem nicht Rechnung, was in der Deutschschweiz und insbesondere in Zürich allzu oft in Vergessenheit gerät: Die Bedürfnisse der Suisse romande und der Svizzera italiana. Die brauchen die ats mehr als die Deutschschweiz die sda.
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