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Die neue Werbeaversion

Matthias Ackeret

Es waren sechs Buchstaben auf dem Titel der vorletzten «Sonntagszeitung», die die sommerlichen Gemüter erhitzten. Auf pechschwarzen Hintergrund prangte das «Nichts», daneben wirklich nichts. Die Auflösung folgte auf den folgenden Seiten, es war Werbung für die neue S-Klasse von Mercedes (persoenlich.com berichtete).

«Dümmer geht's nümmer», empörte sich der Präsident von Swiss Marketing auf Facebook. «Die endgültige Kapitulation vor dem schnöden Mammon», lästerte ein anderer. Die Tonalität der restlichen Kommentare strotzte von einer erstaunlichen Vulgarität, die die Kriterien von Qualitätsjournalismus kaum erfüllen.

Diese Werbeaversion erstaunt. Eigentlich müsste man dem Stuttgarter Autohersteller dankbar sein, dass dieser – in diesen schwierigen Zeiten – auf Printwerbung setzt. Das Transparenteste überhaupt: als Leser sieht man, was bezahlt ist. Doch die Toleranz gegenüber ungewöhnlichen Werbemassnahmen ist erstaunlich klein. Obwohl die Gralshüter der Branche permanent qualitativ hochstehendem Journalismus fordern, vergällen sie am Ende am liebsten denjenigen, der ihn bezahlt: den Anzeigekunden.

In solchen Zeiten haben die Messiasse der Branche Hochkonjunktur. Der ehemalige Watson-Chef Hansi Voigt träumt von seiner Internetplattform «Wepublish», die zu einem Marktplatz der besten Geschichten werden soll. Am besten werbefrei. Die vielgerühmte «Republik» von Constantin Seibt wird bereits als Alternative zum kapitalistischen Mediensystem gefeiert. Doch weder Seibt noch Voigt mussten bis jetzt einen Realitätstest bestehen. Dies im Gegensatz zu den geschmähten Verlagshäusern. Doch über das Wasser zu laufen, ist manchmal einfacher, als darin zu schwimmen. Vor allem bei Sturm.

Ein Mercedes-S-Klasse-Fahrer hingegen weiss immer, was ihn erwartet. Aus der Werbung.

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Kommentare

  • Uwe Tännler, 08.08.2017 13:41 Uhr
    BRAVO Sandro Prezzi, das meinte ich! Matthias hat es leider nicht verstanden.
  • hansi voigt, 08.08.2017 11:25 Uhr
    Du bist ein Lustiger, Matthias! Das einzige Problem, das ich mit klassischer Werbung habe, ist, dass sie unser jahrelang schön funktionierendes System nicht mehr finanziert. Das müssen wir irgendwann mal zur Kenntnis nehmen. Dass ich neuen Werbeformen, wie Native Advertising (wenn richtig, transparent und interessant gemacht) gegenüber aufgeschlossen bin, hat mir übrigens andernorts schon sehr viel Kritik eingebracht. #mankannundmussesnichtallenrechtmachen http://www.persoenlich.com/medien/im-fall-lego-droht-eine-beschwerde-beim-presserat-328782 http://www.medienspiegel.ch/archives/007300.html http://www.werbewoche.ch/medien/2017-06-28/presserat-weist-beschwerde-gegen-native-advertising-beitrag-auf-watsonch-ab
  • Sandro Prezzi, 08.08.2017 09:47 Uhr
    Naja. Die Aufregung gehört zur Werbung mit dazu. Das grosse Kopfschütteln hat sich aber nicht darauf bezogen, dass die SOZ eine Umschlagseite verkauft hat, sondern um deren Umsetzung. Ob eine schwarze Seite im Kontext zum Dieselskandal eine gute Wahl war, kann man schon kontrovers diskutieren, oder? Nur das Beste oder nichts.
  • Andy Lehmann, 08.08.2017 09:27 Uhr
    Danke, für diese klugen und ruhigen Gedanken!
  • Peter Suster, 08.08.2017 08:24 Uhr
    Interessant auch immer die vielen Nörgler die selber gar kein Abo der besagten Zeitung besitzen und dafür schreiben "deshalb habe ich kein Abo". Wenn man den Qualitätsjournalismus schon nicht unterstüzt, soll man auch nicht nörgeln wenn ein Inserat aufgeschaltet wird.
  • Karl Wild, 08.08.2017 07:36 Uhr
    So ist es. Gut gebrüllt, Löwe.
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