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Die Wunden werden nicht so schnell vernarben

Roger Schawinski

Führende Journalisten lassen sich zurzeit für die wirtschaftlichen Interessen ihrer Verleger instrumentalisieren, und das ist ein nicht unerheblicher Kollateralschaden der No-Billag-Debatte. In vielen Fällen geschieht dies eher subtil. Andere agieren mit dem Holzhammer. So hat man bei Ringier nach dem Tagi-Goldbach-Deal den nationalen Notstand ausgerufen. Beschimpft wird nicht nur der ewige Erzfeind Tamedia, sondern auch VR-Präsident Pietro Supino himself. Ihm wird vorgeworfen, aus rein wirtschaftlichen Interessen und in landesverräterischer Weise als «Kaputtmacher» die SRG zerstören zu wollen.

Zuerst war es ein anonymer Blattschuss direkt aus der Konzernetage im SoBli. Dann warnte Ringier-Consigliere Frank A. Meyer in der gleichen Zeitung – wie immer unter seinem gähnend langweiligen Brandenburger-Tor-Föteli – vor der aus Deutschland drohenden Gefahr. Er wirft sich von seinem Berliner Hochsitz für seine Chefs in die Schlacht gegen die bösen Ausländer, weil Marc Walders Lieblingsprojekt Admeira immer mehr zum Stolperstein wird. Dies wird aus Äusserungen des neuen SRG-Generaldirektors Gilles Marchand ersichtlich, der verzweifelt nach einem schnellen Ausstieg aus Admeira sucht. Goldbach/Tamedia «verschachere» die Werbung deutscher TV-Stationen, die «seichtes ausländisches Zappel-TV» ausstrahlen würden, verkündet Meyer. Um sich davon zu überzeugen, «sollte man einfach mal einen Abend lang auf RTL und Konsorten umschalten».

Ich reibe mir die Augen. Ringier war während Jahren an Sat.1 Schweiz beteiligt und strahlt dort eigene Sendungen wie «Landliebe-TV» aus. Radio Energy präsentiert seine Shows bei Pro7 Schweiz. Ringier vermarktet in der Westschweiz die französischen Privatsender TF1, TMC und NT1, betreibt also dasselbe Geschäft wie Goldbach. Und wenn sich Fränki über Privatsender mit ihren boulevardesken Programmen echauffiert, dann ist dies ein besonders verblüffender Befund, weil er und sein ganzer Verlag seit Jahrzehnten vor allem von platten Boulevardprodukten leben.

Der Fall Ringier ist also klar. Wie aber liegt die Sache bei Tamedia? Meiner Beurteilung nach gilt es dort zu differenzieren. Der «Tages-Anzeiger» bemüht sich um eine seriöse Berichterstattung in Bezug auf «No Billag», und dies mit einer Vielzahl von differenzierten und unterschiedlich gewichteten Artikeln. Bei «20 Minuten» hat sich hingegen eine hasserfüllte, orthografieschwache Meute der Kommentarspalten bemächtigt, in der jede ablehnende Meinung zu «No Billag» niedergeschrien wird, was sehr irritierend ist.

Bei der inhaltlich schwächelnden «Sonntags-Zeitung» hat sich unter Führung des ehemaligen «Weltwoche»-Mannes und Köppel-Intimus Andreas Kunz eine Truppe zusammengefunden, die die SRG-feindliche Kampagne des SVP-Blattes selbst mit nebulösen Umfragen am Wochenende fortführte. Auch Superchefredaktor Arthur Rutishauser stimmt in diesen Chor ein, wenn er etwa meint, es sei natürlich «Quatsch», wenn behauptet werde, Private könnten ein Lauberhornrennen nicht übertragen. Damit reiht er sich fugenlos in den Kreis jener Politiker ein, die die aktuelle Debatte ohne jegliche Grundkenntnisse des Fernsehgeschäfts bestreiten. Hier nur kurz die Fakten: Die Kosten für die Übertragung dieses Anlasses liegen bei rund 1,5 Millionen Franken. Alle Einnahmen aus Werbung, Sponsoring und Verkauf der Senderechte erreichen knapp 300’000 Franken. Wie oft würde wohl ein Peter Wanner ein solches Projekt abnicken? Eben!

Die Fehlleistungen der «SonntagsZeitung» führten sogar so weit, dass man in einer Anwandlung von rechtspopulistischem Sauglattismus den notorischen Schaumschläger Andreas Thiel anheuerte, um mein Buch «No Billag?» zu besprechen. Dort unterstellte er mir ohne jeden Beleg «Nazi-Vokabular». Dies aber war Ausfluss einer journalistischen Verluderung bei der Behandlung eines kapitalen Themas und nicht das Produkt einer von Pietro Supino verordneten «Treibjagd auf das Schweizer Radio und Fernsehen», wie Meyer behauptet. Das Gleiche gilt auch für die Entschuldigung von Rutishauser an mich, die er nur beim Branchenportal persoenlich.com formulierte, nicht aber in der eigenen Zeitung.

Dieser Gesamtbefund zeigt also Bedenkliches, und dies auf allen Seiten. Aber der Durchgriff der Chefetage auf die Berichterstattung erscheint bei Ringier um einiges direkter zu sein als bei Tamedia. Und dies hat seine innere Logik, denn Ringier hat wegen Marc Walders genialer Admeira-Idee am 4. März viel mehr zu verlieren als Tamedia. Pikant ist zudem, dass die beiden Verlage mit jobs.ch gemeinsam jenes Projekt betreiben, das bei Ringier der aktuell wohl wichtigste Gewinnbringer sein dürfte. Ebenfalls neckisch erscheint, dass Ringier seine Zeitungen neuerdings bei diesem so verachtenswerten Herrn Supino drucken lässt, nachdem die eigene Druckerei wegen überquellender Verluste den Geist aufgeben musste. Am 5. März beginnt in jedem Fall ein neues Zeitalter. Aber die willkürlich geschlagenen Wunden werden wohl nicht so schnell vernarben.


Roger Schawinski ist Medienpionier, und er betreibt die Radiosender Radio 1 und Planet 105. Im Januar erschien im Wörterseh-Verlag sein neustes Sachbuch, das sich mit der No-Billag-Abstimmung auseinandersetzt.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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Kommentare

  • Ueli Custer, 19.02.2018 08:48 Uhr
    Anzufügen wäre in diesem Zusammenhang noch, dass Frank A. Meyer in den Neunzigerjahren mitgeholfen hat, auf RTL ein schweizerisches Programmfenster zu verhindern. Vielleicht sähe die Fernsehlandschaft heute ganz anders aus, wenn er damals in einer Diskussionssendung im Fernsehen nicht vor der "grossdeutschen" Gefahr gesprochen hätte. Aber es war ja schon immer die Spezialität dieses Herrn, sich zu Dingen zu äussern, von denen er nichts versteht. Damals war es der Kauf der Berner Bund, der einen Rattenschwanz von Folgen hatte, die für Ringier nachteilig waren.
  • Kurt Mair, 16.02.2018 16:06 Uhr
    Ich möchte mich bei Roger Schawinski för das im Eiltempo und ohne Eigenhonorar geschriebene Buch bestens bedanken, Auch ich war etwas unschlüssig vor der Lektüre. Der Inhalt wäre eine Art Grundwissen und Voraussetzung um überhaupt eine sachliche Diskussion, frei von politischer oder andere Voreingenommenheit führen zu können. Zu welchem Schluss der Stimmbürger basierend auf so einer Debatte dann kommt, ist immer noch jedermanns und -fraus eigene Sache. Es geht um wesentlich mehr als „nur das Fernsehen“.
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