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Die Zukunft ist Titanium

Inken Rohweder von Trotha

Ein Mädchen setzt ein Zeichen auf der Wallstreet. Eine Frau tanzt sich ungewöhnlich unweiblich ihren Weg frei. Flüchtlinge nehmen an den olympischen Spielen teil und Minderheiten in den USA erhalten Unterstützung bei ihrer Stimmabgabe. Was sich liest wie der Output eines Menschenrecht-Think Tanks, sind die diesjährigen Titanium-Löwen-Gewinner.

Diese Löwen sind die Leuchttürme eines Trends, den man etwas näher betrachten sollte. Mit Trends ist es so eine Sache. Redet der Mainstream darüber, also alle Werber, die nur eine Fahne von der Croisette mit nach Hause nehmen durften, dann ist ein Trend ja eigentlich schon vorbei. In diesem Fall dürfte es aber anders aussehen und die Tendenz zu Sinn und Inhalt als Spitze eines Eisberges gelten, der uns – auch in der Schweiz – in den nächsten Jahren weiter beschäftigen wird.

Hier geht es um mehr als Werbung, hier geht es um die Rettung der Welt und um Werbung. Die Schlauen haben erkannt, dass es möglich ist, Werbung zu machen und dabei Gutes zu tun oder auch Gutes zu tun und damit Werbung zu machen.

Ellen Ringier hat es schon immer gewusst: «Sie können spenden und sich trotzdem Ihr Vuitton-Täschli kaufen». Die Aussage findet nun auch ihre Entsprechung im Massenkonsum: Man darf sich besser fühlen beim Kauf eines Parfums, das mit dem Bruch von Frauenklischees wirbt.

Wie immer ist alles nicht so einfach, und das Thema ist heikel. Blosse Symbolik – und sei sie auch so plakativ wie das «Fearless Girl» – wird nicht reichen, um die 170 Jahre, die Frauen bei gegenwärtigem Fortschritt noch warten müssen, um Gleichberechtigung zu erreichen, auf ein annehmbares Mass zu verkürzen. Auch Flüchtlinge und Minderheiten brauchen unendlich viel mehr als einen Moment im Rampenlicht. Dieser Moment ist jedoch gleichzeitig besser als nichts und dient im besten Fall sogar als Anstoss in die richtige Richtung.

Jeder Trend birgt die Gefahr, als Laune abgehakt und übergangen zu werden. Damit das jetzt nicht geschieht, ist mit viel Fingerspitzengefühl seitens einer Marke oder Agentur zu arbeiten. Unternehmen haben im Zuge der digitalen und damit verbundenen gesellschaftlichen Transformation heute mehr als zuvor die unmittelbare Gelegenheit, bedeutend zur Gesellschaft beizutragen. Der immer aufgeklärtere Kunde könnte es ihnen danken und eine Win-Win-Win-Situation wäre gegeben. Dass viele Unternehmen dazu erst einmal im Kopf umparken müssten, ist zwar noch ein Thema ausserhalb des Spotlights – aber lange wird sich niemand mehr drücken können. Nicht vor Trend und Zeitgeist, nicht vor den Bedürfnissen der Gesellschaft und vor allem nicht vor den veränderten Ansprüchen des heterogenen Zielpublikums.

2018, ich bin gespannt.


Inken Rohweder ist selbstständig in Art & Creative Direction. Sie hat das Michael & Helga Conrad Scholarship for Creative Leadership, ein Executive-Master-Business-Administration-Programm, an der Berlin School gewonnen. 

 

 

 

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