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Happy Fake News!

Stefan Millius

Das Medium zündete eine Bombe, hochgehen wollte sie allerdings nicht. Die Zündschnur war leicht feucht. Das liegt wohl vor allem daran, dass kaum ein Mensch «Happy Times» kennt, ein Onlinemedium, das laut Eigenwerbung «nur gute Nachrichten» publiziert. Der Ansatz ist nicht ganz neu, es gibt diverse Medien, die mit dieser Philosophie an den Start und untergingen. Das Onlineportal ist eine krude Mischung aus zugesandten Medienmitteilungen, die mit vielen Ausrufezeichen garniert als positive News platziert werden und aus zu redaktionellen Texten verwursteten Werbenachrichten, vor allem Autotests. In den diversen Rubriken hat die Automatisierung das Sagen. So werden beispielsweise im Sport, wo «alle aktuellen Sport-Ergebnisse, Resultate und Spielstände» versprochen werden, einfach Google-News aggregiert.

Soweit, so irrelevant. Allerdings hat sich die Redaktion dieser Tage offenbar zu einer journalistischen Offensive entschieden und einen Primeur lanciert. «NoBillag: Schweizer Verleger will SRG kaufen! SRG sendet somit auch nach einem JA zu NoBillag weiter», lautete der Titel. Bezug nahm man dabei auf einen Tweet, in dem ein gewisser This Bürge versprach, die SRG zum Preis von 669 Millionen Franken zu kaufen, wenn sie bis zum 1. August «keinen Plan B auf die Reihe kriegt.»

This Bürge kennt man als bunte Figur, die 2014 als Quereinsteiger für den St. Galler Stadtrat kandidierte, einen Achtel der Stimmen erhielt und das als «Achtungserfolg» verkaufte. Sein Engagement im Medienbereich beschränkt sich auf die Herausgabe der Onlinezeitung «Montagszeitung», die vermutlich im Grad der Beachtung noch unter dem der «Happy Times» liegt. Die Zeitung ist ein Vehikel der «Organisation Solidarische Schweiz», als deren Sekretär Bürge amtet und die ebenfalls kein Mensch kennt. Bürge ist politischer Graswurzel-Aktivist, aber kein Verleger im Wortsinn.

Es ist nicht anzunehmen, dass die Einnahmen aus der (werbefreien) «Montagszeitung» zu einer Kriegskasse geführt haben, die reicht, um mal eben die SRG zu kaufen. Das war vermutlich auch der «Happy Times» bekannt, deren Herausgeber übrigens (Zufall?) Benjamin Bürge heisst. Aber es war wohl zu verlockend, einen Titel zu haben, der ein Ausrufezeichen rechtfertigt. Jedenfalls reichte ein launiger Tweet von This Bürge zum Satz im Artikel: «Mit der Offerte von Bürge ist es somit Tatsache, dass die SRG auch bei einem Ja weitersenden wird.»

Mit dem Wort «Tatsache» müsste man auch als Gute-Laune-Portal vorsichtig umgehen. Vor allem, weil ein schmaler Grat liegt zwischen Happy News und Fake News.


Stefan Millius ist geschäftsführender Partner der Kommunikationsagentur insomnia GmbH und der Ostschweizer Medien GmbH in St.Gallen.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

 

 

 

 

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