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Hat der unabhängige Journalismus eine Zukunft?

André Schaub

Seit längerem kämpfen Medienhäuser mit sinkenden Auflagezahlen und einbrechenden Werbeeinnahmen. Online-Publishing-Angebote vermögen diesen Trend nicht aufzuhalten und sind oft nur wenig innovativ. Digitale Werbung galt lange Zeit als Hoffnungsträger. In der Zwischenzeit haben sich Adblocker aber immer mehr verbreitet. Zudem ist die Konkurrenz im digitalen Werbemarkt hart, stark geprägt durch internationale Technologie-Giganten wie Facebook und Google. Die schwindende und in der Schweiz auch demografisch und geografisch stark limitierte Reichweite der Medien verstärkt die ohnehin stattfindende Verschiebung von Werbeeinnahmen zusätzlich. Den sinkenden Umsätzen wird mit Sparprogrammen begegnet, die sich immer mehr erschöpfen oder in abnehmender Qualität der Publikationen resultieren. Wie lange noch lässt sich vor diesem Hintergrund ein unabhängiger und selbsttragender Journalismus in der Schweiz betreiben?

Die Medienindustrie muss die Nutzung ihrer Produkte benutzerfreundlicher gestalten: Der heutige Konsument erwartet nicht nur attraktivere und individuellere Angebote, sondern wünscht sich auch mehr Vielfalt und Convenience. Medien möchte er über alle verfügbaren Kanäle konsumieren können, wann und wo er will. Im Hinblick auf die stetig steigende Informationsflut wünscht sich der Konsument zudem auch eine Instanz, die bei der Einordnung und Priorisierung von Ereignissen hilft.

Diesen Anforderungen profitabel gerecht zu werden stellt für die Medienlandschaft eine grosse Herausforderung dar. Bislang ist es vielen Schweizer Medienhäusern nicht gelungen, ihre digitalen Angebote hinreichend zu monetarisieren. Eine repräsentative Bevölkerungsumfrage von EY zum Thema Medienkonsum hat ergeben, dass knapp ein Drittel der Schweizer Medienkonsumenten unter 65 Jahren keine kostenpflichtigen journalistischen Inhalte konsumiert.

Weiter kann die Kundenbindung durch den gezielten Einsatz von Communities und neuen Technologien gestärkt werden, von welchen sich bereits heute viele zielgerichtet anwenden lassen: Artificial Intelligence und Robotics erlauben eine personalisierte Ansprache, neuartige Produkte und die Ausgestaltung effizienter Newsrooms. Augmented und Virtual Reality erschliessen innovative Anwendungsfelder, und Lösungen wie Blockchain erlauben sichere und einfache Abrechnungsmodelle.

Die Anwendung dieser Technologien und ein verstärkter Kundenfokus sind wichtige Grundpfeiler für eine erfolgreiche Zukunft der Schweizer Medien, jedoch reichen sie allein nicht aus. Um die Abwärtsspirale zu stoppen, müssen gewohnte Strukturen konsequent hinterfragt und zum Teil zerschlagen werden. Dazu gehört auch das Schaffen neuer Ökosysteme – das Eingehen neuer Kooperationen und Partnerschaften über die Branchengrenzen hinweg.


André Schaub leitet bei EY den Sektor Technology, Media & Telecommunication in der Schweiz. Am diesjährigen Swiss Media Forum (SMF) wird er gemeinsam mit den Teilnehmenden mögliche Lösungsansätze überprüfen und weiterentwickeln sowie Leitplanken hinsichtlich des Umgangs mit der fundamentalen Transformation der Branche diskutieren. www.ey.com/ch/swiss-media-transformation

Der Autor vertritt seine eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

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