BLOG

Kevin Spacey ist kein Präsident

Manfred Klemann

Netflix, der Streamingdienst, der längst zu einem Content-House geworden ist, wurde bekannt mit der Serie «House of Cards», die im Februar 2013 in den USA erstmals ausgestrahlt wurde. Mit dem Schauspieler Kevin Spacey als skrupellosem Politiker, der es bis zum Präsidenten schafft, ist sie glänzend besetzt. Wie so oft haben solche Rollen und solche fiktionalen Wirklichkeiten auf die Menschen, die dort spielen, oder die Menschen, die sich das anschauen, furchtbare Auswirklungen.

Bruno Ganz soll ziemlich depressiv sein, seit er den Hitler in «Der Untergang» spielte. So perfekt, dass es ihn selbst zu ängstigen scheint. Kevin Spacey ist jemand, der erklärt, für ihn sei das Wichtigste, vollständig in eine Rolle einzutauchen. Und das ist ihm jetzt so gut gelungen als Präsident Underwood, dass er selbst auf Politiker- und Wirtschaftskonferenzen, wie dieses Jahr in Davos beim WEF, oder auf Start-up-Messen, wie der Bits & Pretzels (#bits16) im September 2016 während des diesjährigen Oktoberfests in Mün- chen, für hohe Gagen auftreten kann.

Und er hat sowohl in Davos als auch jetzt in München seine Zuhörer (und mich) begeistert. Obwohl auf dieser Konferenz ja alles gestandene, kluge Leute sind, die irgendwo wissen müssten, dass da nicht ein Wirtschaftsboss, nicht ein Erfinder oder Wissenschaftler, nicht ein Physiker oder Ökonom spricht, sondern nur eine perfekte, sehr gut geschulte Schauspielerpuppe mit einer fremdgeschmiedeten Rede.

Ich mag Kevin Spacey, um kein Missverständnis aufkommen zu lassen. In «American Beauty» und natürlich auch als Frank Underwood spielt er auf höchstem Niveau. Aber ist er, weil er einen Präsidenten spielt, wirklich auch befugt, öffentlich über Politik zu reden? Da würde ich mal sagen: Nein. Da fehlt ihm die reale Erfahrung, die Auseinandersetzung mit Verwaltungen, Parteien, Interessengruppen, der Öffentlichkeit und, am wichtigsten, den Parteifeinden.

Ein Politiker muss handeln, auch bei nicht vorauszusetzendem Konsens. Und dann diesen aber schleunigst suchen. In Deutschland glauben sechzig Prozent der Bevölkerung, dass Günther Jauch der intelligenteste Mensch im Lande sei. Weil er das Quiz «Wer wird Millionär» so hervorragend leitet – und weil er am Ende auch immer die richtigen Antworten auf die schwierigsten Fragen weiss ... Sie stehen auf seinen Spickzetteln.

In den USA scheint diese virtuelle Wirklichkeit nun zu einem ersten realen Höhepunkt zu kommen: Mit Donald Trump wird ein Kandidat gewinnen, der sich bislang ausschliesslich über die Showbühne, angereichert allerdings durch ökonomische Erfolge der Extraklasse, präsentiert hat. Man kennt Trump eben, zunächst wegen des Trump Tower, den seine Familie in den Siebzigerjahren gebaut hat, oder wegen seiner mit hohen Schulden finanzierten, nach ihm selbst benannten Hotels, Hochhäuser, Casinos und Golfplätze.

Dann kennt man ihn in den USA auch durch die TV-Show «The Apprentice» (in der Schweiz als «Traumjob» mit Jürg Marquard adaptiert). Und nun kennt man Donald Trump als Kandidaten für das Präsidentenamt und wahrscheinlich am 8. November dann als Präsidenten der USA. Ein Traumjob für ihn, wie es scheint. Auf der Investorenmesse Bits & Pretzels durfte auch ein weiterer Schauspieler sprechen, der nun gar nichts mit Ökonomie, Start-ups oder Finanzen zu tun hat: Jörg Kachelmann. Er ist ja auch ein Beispiel dafür, wie einer es schafft, die deutschsprachige Welt über Jahre glauben zu machen, nur er verstehe etwas von Meteorologie und Wettervorhersage, obwohl er nicht mal ein Studium in diesem Fach abgeschlossen hat.

Aber er war ein glänzender Darsteller vor der Kamera – und schwupp, schon glauben der geneigte Massenmarkt und der «User», er hätte auch beim Thema selbst irgendeine herausragende Kompetenz. Die Wirklichkeit ist anders als die Realität. Kevin Spacey ist kein Präsident, Günther Jauch nicht der klügste Mensch in Deutschland, Bruno Ganz ist kein bisschen Adolf Hitler, Kachelmann ist kein Diplom-Meteorologe, und Donald Trump ist kein Präsidentendarsteller. Und doch könnte es sein, dass Donald Trump bald als Präsident den mächtigsten Mann der USA – und damit der Welt – spielen darf. Honni soit qui mal y pense.

Kommentar wird gesendet...

Kommentare

  • Otto Kaiser, 26.10.2016 16:09 Uhr
    Kommt Herr Kleemann aus dem Norden? Ich meine nur, wegen des Akkusativs ;-) Und zählt er zu den unzähligen Propheten, die schon vor dem 8.November wissen, dass Trump die Wahl annimmt? Übrigens scheint sicher, dass Geld - auch gepumptes - nicht zwingend schlauer macht.
  • Marc Reichen, 26.10.2016 15:53 Uhr
    Mit Verlaub, da wollte sich der Autor wohl als ganz versierter Schreiberling in Szene setzen, der von Wetter, Film und dann auch Politik viel versteht. Die Aussage, "In den USA scheint diese virtuelle Wirklichkeit nun zu einem ersten realen Höhepunkt zu kommen: Mit Donald Trump wird ein Kandidat gewinnen, der sich bislang ausschliesslich über die Showbühne, angereichert allerdings durch ökonomische Erfolge der Extraklasse, präsentiert hat", lässt mich daran zweifeln, ob der gute Mann die politische Entwicklung in den USA tatsächlich auch verfolgt. Jede Umfrage, jede, prognostiziert einen klaren Sieg von Hillary Clinton über Donald Trump. Wie ein Vorposter schont feststellte, die USA wurden bereits von einem ehemaligen Schauspieler geführt, nicht jahrzehntelang, aber immerhin acht Jahre. Und der Seitenhieb auf Kachelmann ist einfach deplaziert und zeugt von wenig Grösse.
  • Luciano Gloor, 26.10.2016 11:44 Uhr
    Verkommt der Blog hier zum JeKaMi? Nein, das e-commerce-news Magazin vom 24. September 2014 klärt auf: "Manfred Klemann, Gründer und langjährige CEO von Wetterportal wetter.com, hat sich als Investor an dem Management Buy-out des Schweizer „Persönlich Verlags AG“ beteiligt." Inzwischen ist Herr Klemann VR-Präsident des Verlags. Aufgrund des Tenors dieses Textes, der höchstens auf der Ebene von verquirltem Quark argumentiert, dürfte ja dann die Frage naheliegend sein, was einen Verwaltungswissenschaftler mit Akkusativ-Problemen berechtigt, sich zu den im Text angesprochenen Themen zu äussern. Ein Grundkurs in angewandter Demokratie könnte nicht schaden. Im Übrigen reduziert sich der Sinn des blogs wohl darauf, durch die Erwähnung einer Reihe illustrer Namen, dem Leser mitzuteilen, dass Herr Klemann an der Welt der Grossen teilhat (auch er war in Davos oder München) und dass er Herrn Kachelmann nicht mag (der einzige erwähnte Name, mit dem ihn etwas verbindet). P.S. Es wäre in Zukunft zu empfehlen, ein scharfes Foto zu verwenden.
  • adi züblin, 25.10.2016 23:13 Uhr
    Mein lieber Herr Kleemann, Sie scheinen zu ignorerien, dass das mächtigste Land dieser Erde jahrzehntelang von einem – notabene – schlechten Schauspieler dirigiert worden ist. Obwohl seine politischen Meriten im Rückblick nicht unbedingte das Gelbe vom Ei sind, kann man nicht ausschliessen, dass ein Schauspieler zu profunder Denkarbeit und treffenden Analysen fähig ist. Ein Studium, das kann ich Ihnen nach langjähriger Erfahrung im Wissenschaftsjournailsmus garantieren, ist weder Voraussetzung noch Garantie für besonders herausragende Denkarbeit. Wer jedoch so strenge Massstäbe an Kriterien für das Publizieren seiner Meinung formiliert, muss sich aber auch selber an denselben messen lassen. Wie kommen Sie zur Ehre, in diesem Blog ihre Meinung kundzutun? Ein kurzer Blick ins Handelsregister lässt vermuten, dass für den Präsidenten des Verwaltungsrates der "Persönlich Verlags AG" solche Fragen nicht relevant sind. Ihre Seitenhiebe auf Herrn Kachelmann – mit dem ich das Heu auch nicht auf der selben Bühne habe – stehen ausserdem sicher nicht im Zusammenhang damit, dass Sie als Gründer der wetter.com AG und als Gründer des digitalen "Fernsehkanal Deutsches Wetter Fernsehen" ein direkter unternehmerischer Konkurrent von Herrn Kachelmann sind. Wie sagen Sie es so schön: "Honni [sic!] soit qui mal y pense".
  • Bébié Hans, 25.10.2016 19:25 Uhr
    Lieber Herr Klemann, ich kenne ihre "Schreibe" bisher nicht, aber dies ist ja wirklich gequirlter "Quark"!!!!
Kommentarfunktion wurde geschlossen

Die neuesten Blogs

13.04.2024 - Hansmartin Schmid

Die Schweizer Medien und die Kriege

Die Schweizer Auslandberichterstattung ist in deutsche Hände geglitten.

12.04.2024 - Klaus-Dieter Koch

Attraktivität braucht Kontrolle

Warum Hermès, Rolex und Co ihre Marken nicht an jeden verkaufen können.

Zum Seitenanfang20240420