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Noch mehr als zwei Monate

von Roger Schawinski

Die No-Billag-Debatte bringt immer weitere verwirrliche Wortmeldungen. So erklärte Bundesrat Ueli Maurer lapidar: «Die Schweiz würde bei einem Ja nicht untergehen.» Damit beweist er aber bloss, dass er sich einer ernsthaften Diskussion verweigert. Er verwendet einfach eine SVP-Rhetorik, wie man sie in letzter Zeit bei umstrittenen Vorlagen immer wieder gehört hat.

Natürlich würde die Schweiz nicht untergehen, dies ist ja unter keinem Titel die Fragestellung. Bei No Billag muss man sich aber eine eigene Meinung bilden, und zwar darüber, ob die Vorteile die Nachteile überwiegen. Mit seiner inhaltsleeren Aussage verletzt Ueli Maurer zudem das Kollegialprinzip im Bundesrat, der sich glasklar gegen No Billag ausgesprochen hat. In der Denkwelt der SVP-Politiker gibt es eben nur ein einziges Szenario, wie die Schweiz wirklich unter- gehen würde: nämlich bei einem EU-Beitritt. In diesem Fall würde sie sich wie ein «Stück Würfelzucker im Kaffee» auflösen, lautet die entsprechende Standardformulierung, und dies obwohl ein solcher Effekt bei allen EU-Mitgliedern bis hin zu Kleinstaaten wie Luxemburg und Estland nicht erkennbar ist.

Auch Verleger Peter Wanner profiliert sich mit erstaunlichen Aussagen. So forderte er eine Deckelung der SRG-Gebührengelder bei einer Milliarde. Was er sich jedoch von dieser weiteren Kürzung um 200 Millionen verspricht, ist unklar. Hofft er, dass dadurch die SRG-Marktanteile und damit deren Werbeeinnahmen zurückgehen, die dann zu seinen Sendern fliessen würden? Oder glaubt er gar, dass die frei werdenden Millionen in Abonnements für seine Zeitungen umgesetzt würden? Beides erscheint eher wenig wahrscheinlich. Dafür würden mit Sicherheit die Splittingeinnahmen für seine TV-Sender Tele Bärn und Tele M1 zurückgehen, die heute mit 4,7 Millionen und in Zukunft sogar mit 5,8 Millionen im Jahr subventioniert und damit am Leben erhalten werden. Und wenn er sich gar zitieren lässt, dass er als «Liberaler Sympathien für die No-Billag-Initiative» habe, deren Annahme «keine Katastrophe» wäre, dann ist seine Haltung noch schwieriger einzuordnen. Denn in diesem Fall würde er nicht nur seine TV-Subventionen verlieren, sondern müsste auch um die UKW-Konzession für sein gewinnstarkes Monopolradio Argovia mitsteigern.

Aber auch die Aussagen von SRG- und Kulturfan Moritz Leuenberger offenbaren Erstaunliches. Der langjährige Medienminister erklärte in einem Tages-Anzeiger-Interview: «‹Glanz & Gloria› gehört auf jeden Fall zum Service public. Viele kulturelle Events wer- den nur dort erwähnt.» Dabei werden in dieser Sendung vor allem Promis auf roten und grünen Teppichen gezeigt, die gratis zu Premieren eingeladen werden, damit sie im Fernsehen mit Kleidern, Befindlichkeiten und Sottisen Gratiswerbung für Veranstaltungen machen, über deren Inhalte kaum oder gar nicht berichtet wird. Der früher gestrenge Kulturpurist Leuenberger unterstreicht damit seine Wandlung vom meist schlecht gelaunten Bundesrat zum hochbegabten Conférencier auf Boulevardbühnen. Aber zu einer sinnvollen Klärung des noch immer nicht ausreichend definierten Begriffs Service public trägt er mit seiner politisch inspirierten Programmanalyse über Berichte zu «kulturellen Events» kaum Sinnvolles bei.

Es dauert noch unsäglich lange drei Monate bis zum ominösen 4. März, und es ist zu erwarten, dass sich die unqualifizierten Meinungsäusserungen bis dahin noch multiplizieren werden. Das Thema ist von so grosser Brisanz, dass sich die Journalisten auf jeden stürzen werden, der irgendein knackiges Quote absondert. Dabei wäre es vor allem nützlich, wenn viele sachliche Informationen über die Gründe und die Folgen dieser epochalen Abstimmung angeliefert würden, damit sich möglichst viele Stimmbürger ihre Meinung auf einer solchen Basis und nicht aufgrund von kessen Sprüchen bilden könnten.



Roger Schawinski ist Medienpionier, und er betreibt die Radiosender Radio 1 und Planet 105. Im Januar erscheint im Wörterseh-Verlag sein neustes Sachbuch, das sich mit der No-Billag-Abstimmung auseinandersetzt.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 


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