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Nur Doris Leuthard kann das verhindern

Roger Schawinski

Diesmal soll es offenbar ganz, ganz anders laufen. Denn noch immer sitzt dem Bakom das Debakel bei der letztmaligen Vergabe der Radiokonzessionen in den Knochen. Nach einem äusserst aufwändigen und undurchsichtigen Verfahren führte dies vor zehn Jahren zu langwieriger Unsicherheit aufgrund von mehreren Gerichtsverfahren. Dies will man diesmal verhindern – und ist deshalb auf bestem Weg, gleich das totale Desaster zu produzieren.
 
Spulen wir den Film zurück. Grosser Verlierer der letztmaligen Vergabe war Ringier, weil Energy aufgrund einer als schludrig empfundenen Eingabe keine Konzession erhielt. Darauf kaufte sich der Grossverlag für einen Gesamtbetrag von über zehn Millionen umgehend eine Konzession für den Raum Zürich. Und obwohl es eine im Gesetz klar definierte Obergrenze von insgesamt zwei Radiosendern für einen Veranstalter gibt, sicherte man sich mit undurchsichtigen Manövern und viel Geld die faktische Kontrolle über zwei weitere Radiosender in den nächstgrösseren Deutschschweizer Städten Bern und Basel.
 
Jetzt steht also nach Ablauf der zehnjährigen Konzessionsfrist die nächste Vergabe an. Und das desinteressierte Bakom tut alles, um sich davon zu schleichen. Den Monopolsendern in den Berggebieten, die inzwischen massiv erhöhte Splittinggebühren beziehen, will man die Konzessionen automatisch verlängern. Und die Sender in den Städten, die keine solchen Subventionen erhalten, sollen – man höre und staune – gar keine Veranstalterkonzession mehr bekommen. Sie sollen vogelfrei weiter senden. Und dies schafft ganz neue Probleme.
 
In den letzten Jahren hat sich die technische Situation radikal geändert. Bis 2024 sollen die bisher dominierenden UKW-Sender zugunsten von DAB+ abgeschaltet werden. Diese Technologie wird in der Deutschschweiz beinahe ausschliesslich von einer Privatfirma angeboten, der Swiss Media Cast. Diese stellt ihren Kunden mehrere sogenannte Layer mit Sendeplätzen zur Verfügung. Seit Mitte letzten Jahres werden die Kosten von DAB+ vom Bakom mit 80 Prozent subventioniert, von denen heute rund 30 Sender profitieren.
 
Der Zugang zur Verbreitung dieser privaten Radiosender liegt also in Zukunft nicht mehr in den Händen des Bakoms, sondern bei einer privaten Firma. Und in dieser hat sich Ringier eine dominierende Rolle zusammengeklaubt. So belegt Ringier nicht weniger als acht Sendeplätze, damit es für neue Veranstalter keinen Platz mehr gibt. Ebenfalls ist Ringier drauf und dran, den Verwaltungsrat von Swiss Media Cast zu dominieren. Damit könnte Ringier in Zukunft bestimmen, wer in der Schweiz die Möglichkeit hat, einen privaten Radiosender zu betreiben und wer nicht. Und dass Ringier mit seinen zum Teil obskuren acht Sendern heute mehr als einen Viertel der technologischen staatlichen Unterstützung in Millionenhöhe kassiert, macht die Sache noch pikanter.
 
Ohne Veranstalterkonzession haben die Konkurrenten von Energy aber keine Gewähr auf Sendeplätze, da die bisherige Verbreitungsgarantie (must carry rule) wegfallen würde. Damit würde die bisherige Schweizer Radioordnung auf den Kopf gestellt. Zusätzlich stossend ist, dass die SRG, die mit ihren insgesamt 17 Radiosendern am meisten Sendeplätze bei DAB+ belegt, im VR von Swiss Media Cast ebenfalls prominent vertreten sein wird. Dritter im dortigen Bunde ist Swisscom Broadcasting, die im technischen Bereich von Swiss Media Cast ebenfalls im Verwaltungsrat sitzen wird. Und damit wären die drei Partner der umstrittenen Werbeallianz Admeira ausgerechnet in diesem Bereich im Driver Seat, von dem aus sie nach Belieben schalten und walten können (vgl. auch persoenlich.com).
 
Diese unseligen Entwicklungen haben zu einem Aufstand im Verwaltungsrat von Swiss Media Cast geführt, weil sich auch unabhängige Fachleute nicht mehr für dieses trübe Spiel einspannen lassen wollen und deshalb fünf von sieben Verwaltungsräten zurücktreten werden.
Aber beim Bakom steckt man weiterhin den Kopf in den Sand. Zu einer kürzlichen Aussprache mit den Spitzen der Privatradiobranche bei Uvek-Chefin Bundesrätin Doris Leuthard glänzte die gesamte Bakom-Spitze durch Abwesenheit. Nach dem Flop vor zehn Jahren ist man dort also auf bestem Weg, diesmal einen noch viel schwerwiegenderen hinzulegen, der irreversible Verwerfungen bringen würde. Nur wenn in letzter Minute die Notbremse gezogen wird, kann dies verhindert werden. Und die einzige Person, die das noch könnte, ist wohl unsere neue Sonnenkönigin und Medienministerin. Ich bin wirklich gespannt, ob sie, die als dossiersicher gilt, die Lage rechtzeitig erkennt und die notwendigen Massnahmen verfügt, um diese schlimmen Fehlentwicklungen zu stoppen.
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