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Snacks statt üppiges Menü

Christian Beck

Am Digitaltag vom Dienstag wagte das Schweizer Fernsehen ein Experiment. Roboter Pepper begrüsste die Zuschauer von «Schweiz aktuell». Akustisch eher schwer verständlich war diese Anmoderation. Und so bilanzierte Moderatorin Bigna Silberschmidt am Schluss der Sendung denn auch richtig, dass noch einiges passieren müsste, bis der Roboter sie ersetzen könnte. Ähnlich das Szenario später im «Kassensturz». Auch Ueli Schmezers Avatar vermochte noch nicht zu überzeugen.

Nun gut, vielleicht müssen Silberschmidt und Schmezer wirklich keine Angst haben, dass sie durch die Digitalisierung von humanoiden Gestalten ersetzt werden. Vielleicht kommt eines Tages nämlich ein ganz anderes Szenario: Es braucht dann gar keine Moderatoren mehr, weder menschliche noch künstliche. Zumindest keine mehr, die einfach nur einen Beitrag anmoderieren. Nur längere Talkformate würden überleben.

Mit Internet und Catch-up-TV hat das lineare Fernsehen schon längst Konkurrenten erhalten, die ein ganz neues Nutzungsverhalten geschaffen haben. Heute schon schauen immer mehr Zuschauer die «Tagesschau» nicht mehr um 19.30 Uhr, weil es das TV-Programm so vorsieht. Sie schauen zeitversetzt, wann es gerade passt. Und es gibt eine weitere Entwicklung, auf welche die Branche bereits reagiert hat: Nachrichtenbeiträge werden speziell für die Online-Nutzung aufbereitet. Für User, die nicht eine ganze «Tagesschau» sehen wollen, sondern nur einen ganz bestimmten Beitrag. Und für solche Nachrichtenstücke braucht es keine Anmoderation mehr. Ein solcher Beitrag muss ohne funktionieren können.

Man wird sich daran gewöhnen. Oder vermissen Sie etwa TV-Ansagerinnen? Bis vor 20 Jahren gehörten sie zu den beliebtesten Fernsehgesichtern des Landes. 1997 schaffte der damalige TV-Direktor Peter Schellenberg den Ansagerjob ab, Trailer haben seither die Programmankündigungen übernommen.

Wenn also künftig Zuschauer selber zusammenstellen, was sie wirklich interessiert, werden Sender vermehrt zu Content-Lieferanten. Sie liefern Snacks statt mehrgängige Menüs. Der Zuschauer stellt sich dann daraus sein individuelles Bewegtbild-Menü zusammen. Ohne Pepper. Ohne Avatar. Ohne Anmoderationen.

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