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So kommt die Werbung zu Kader-Frauen

Edith Hollenstein

Es gibt Moderatoren, die Angebote verweigern. Sie sagen dann ab, wenn auf dem Podium, das sie moderieren sollten, nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten sind. Es gibt Politiker, die nur dann in öffentlichen Diskussionsrunden erscheinen, wenn sie dort nicht ausschliesslich mit Geschlechtergenossen auf der Bühne sitzen.

Diese Methode mag extrem sein. Aber sie wirkt. Und sie müsste häufiger wirken. Denn nur bei genügend Druck überlegen sich Organisatoren Alternativen. Die Verantwortlichen bei «Arena» oder beim «Club» des Schweizer Fernsehens achten bei der Zusammenstellung der Gäste sehr darauf, dass beide Geschlechter vertreten sind. Und mittlerweile kann sich kein Kongress, keine Tagung mehr erlauben, Referentenlisten ohne Frauennamen abzuschicken – zu gross ist das Risiko, öffentlich dafür kritisiert zu werden.

In der Kommunikationsbranche aber ist beim Thema Frauen durchaus noch Luft nach oben. Zwar arbeiten in vielen Werbe- oder Kommunikationsagenturen mindestens zur Hälfte Frauen, aber im Top-Kader hapert es.

Bildschirmfoto 2017-09-22 um 13.51.47

In der obersten Etage der fünf grössten Schweizer Kommunikationsagenturen sind von 34 Kaderpersonen nur gerade fünf weiblich (vgl. Abbildung oben). In Strategie oder Beratung gibt es noch am ehesten weibliche Mitarbeiterinnen mit Führungsverantwortung, im Gegensatz zur Kreation. Im Art Directors Club Schweiz (ADC) sind es bei aktuell 144 Mitgliedern gerade einmal 16 Frauen. Wir könnten also diese Damen problemlos hier in einer kurzen Liste namentlich erwähnen. Im Gegensatz zu den Frauen im Vorstand des ADC: Dort gibt es nämlich keine einzige: null, zero, ninguna.

Was machen die Frauen falsch? Oder wollen sie gar keine Verantwortung übernehmen? Was wäre nötig? Eine Antwort könnten die Werbeauftraggeber geben. Viele von ihnen haben sich bekanntlich Frauenförderung auf die Fahne geschrieben. Nicht nur Axa, auch die UBS zum Beispiel mit ihrer mehrjährigen, globalen Kampagne «Women», mit der sie Frauen als Angestellte und Kundinnen gewinnen will. 

Oder die Migros. Der Detailhandelskonzern listet im Geschäftsbericht selbstbewusst seine Frauen-und Familienforderungsmassnahmen auf. Im Kader seien ein Drittel Frauen, heisst es

Dieses Engagement könnte noch weiter gehen. Es müssen nicht die UBS oder Migros sein, aber: Auftraggeber hätten es in der Hand, bei der Budgetvergabe auch den Frauenanteil im Top-Kader als Entscheidungskriterium hinzuzuziehen.

Denn sie brüsten sich ja gegen aussen gerne damit, wie gut die Kultur und die Werte ihrer Werbeagentur zum eigenen Unternehmen passen. Im Fall Migros beispielsweise waren «die Wertschätzung der Mitarbeiter und entsprechende Weiterentwicklungsangebote» wichtig beim Entscheid, das millionenschwere Media-Budget zu Dentsu Aegis Schweiz zu verschieben. So jedenfalls erklärte es Marketing-Communications-Chef Roman Reichelt.

Daher müssten doch Werbeauftraggeber auch auf das Management ihrer wichtigsten Agenturen blicken und sagen können: «Diese Diversity passt zu uns».



Edith Hollenstein ist Redaktionsleiterin von persoenlich.com.

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Kommentare

  • Rolf Steiner, 26.09.2017 13:09 Uhr
    Liebe Frau Hollenstein Ich möchte persoenlich eine erstklassige Publikation finden können, weil die Lektüre das Beste ist im Kommunikations-Bereich. Wenn ich persoenlich gut finden müsste, nur weil das Kader ausgewogen Männlein/Weiblein wäre… Meine Geschäftspartner wähle ich ebenfalls nach dem Grundsatz aus, dass ich die besten für den jeweiligen Job will, unabhängig von Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung oder Herkunft.
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