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Vom Datensammeln im Silicon Valley

Manfred Klemann

Während ich diese Kolumne schreibe, fliege ich gerade nach San Francisco, ins Silicon Valley, um nach dem Rechten zu sehen. Hinter mir liegt schon eine Stunde Lektüre von «Spiegel» und «Focus», beide mit der fast identischen Titelgeschichte über das ach so böse Facebook und den miesen Herrn Zuckerberg. Auch alle Schweizer Leitmedien haben sich an dem Thema abgearbeitet. Datenklau, unfaire Datenweitergabe, gezielte Werbung für unschuldige Nutzer. Facebook habe sogar den allerbösesten von allen, nach europäischer Meinung, den Herrn Donald Trump, zum Präsidenten gemacht. Wir sind es nicht, es ist alles der Zuckerberg.

Gleichzeitig (in den Medien – man kommt vor lauter Säuen, die durchs Dorf gejagt werden, schon gar nicht mehr mit) beschimpft Präsident Trump die wertvollste Onlinefirma, Amazon, via Twitter als Steuervermeider, vor allem aber als Zerstörer des amerikanischen Einzelhandels und damit der wundervollen Shoppingmalls, die doch der Traum aller Mensch waren, sind und sein werden. Sehr zur Freude seiner Freunde aus der Bau-Investment-Branche, die alle, wie auch Trump selbst, Milliarden in solche Shoppingmalls gesteckt haben und nun die leeren Verkaufsräume beweinen.

Gleichzeitig hat sich der schlaueste aller Steuervermeider und Datennutzer, nämlich Alphabet (= Google), ein wenig Luft verschafft in der Diskussion, welche der Big-Five-Firmen nun die übelste ist. An diesen Such-Riesen, der jeden von uns jederzeit ausgrenzen, auslöschen, unkenntlich machen kann, wagt sich gerade keiner mehr ran. Wer würde es wagen, Google zu kritisieren, um dann plötzlich festzustellen, dass es ihn, wenn er seinen eigenen Namen googelt, eigentlich gar nicht gab und gibt. Macht ist, wenn man trotzdem lacht. Don’t be evil.

Gleichzeitig sitzt in Seattle der unauffälligste aller Datensammler, nämlich Microsoft, das mit seiner Software (Office) auf fast allen Computern der Welt vertreten ist und jederzeit alles, was der gemeine Nutzer mit seinen Microsoft-Programmen bearbeitet, abgreifen könnte. Ich sage ganz bewusst «könnte», denn diese gute, liebe Firma wird so etwas niemals tun. Ebenso wenig wie das wunderbare Apple, der andere grosse Player bei Smartphones und Computersoftware und Apps und Stores und Datensammeln. Apple weiss jederzeit alles über jeden seiner Nutzer: was er denkt, was er spricht, was er textet, was er postet, wo er ist und wo er hin will.

Ich löse auf: Alle diese fünf Firmen tun jeweils das, was zu tun sie schon bei ihrer Gründung angekündigt haben: Facebook sammelt Profile von Nutzern, um diesen dann gezielte Werbung zuzuspielen. Google schaut sich an, was ein Nutzer so über seine Suchmaschine sucht, und bietet dann nicht das objektiv beste Ergebnis, sondern dasjenige, das am besten bezahlt ist. Und jetzt noch lieber: eine eigene Unterseite, aus der sich Kapital schlagen lässt. Apple hat das Smartphone erfunden; da dürfen die ja wohl auch dieses geniale Instrument des Datensammelns nutzen, oder?! Und dass Amazon durch die Nutzung der Bestellinformation seiner Kunden das Onlineshopping beherrschen will, hat deren Gründer Jeff Bezos schon bei seiner ersten Investmentrunde in den Neunzigerjahren des letzten Jahrtausends offen gesagt: Er wolle zunächst Bücher online verkaufen, weil er so am meisten über seine Kunden erfahren könne. Wer einen Surf-Führer kauft, wird auch Surfbretter brauchen. Und die alte Oma Microsoft ist so tief in unserer Welt verankert, dass ihr Ableben einem weltweiten digitalen Super- GAU entspräche.

Selbst die amerikanische Regierung und der wilde Cowboy Trump werden es nicht hinbekommen, diese fünf digitalen Schleckermäuler zu zähmen. Aber ehrlich, es tut gut, wenn jemand wie Trump es zumindest mal anspricht, obwohl ihm der Amazon-Chef Bezos, dem auch die mächtige «Washington Post» gehört, täglich noch mehr auf den Kopf pinkeln kann. Und es ist vornehm, wenn mutige Mitglieder des US-Kongresses auch mal den Facebook-Mogul Mark Zuckerberg zur Anhörung bitten. Wohl wissend, dass sie dies Job und Amt kosten wird.

Dass wir in Europa dem Treiben der fünf so devot zuschauen, ist ein Brüsseler Trauerspiel. Erinnert man sich noch daran, wie vollmundig die EU den Suchgiganten Google ob seines Treibens 2014 mit Milliardenbussen bestrafen wollte? Vergangene Zeiten. Heute kassiert Google eher noch EU-Subventionen und darf lustig seine Einnahmen in die steuergünstigsten EWR-Standorte umleiten. Eine Umsatz-Quellensteuer, die die einfachste Lösung wäre, ist längst vom Tisch.

Ich würde wirklich gern erfahren, wie viele Steuermillionen Google von seinen Gewinnen in den Haushalt von Zürich, den des Kantons und den des Bundes einspeist. Schliesslich ist Zürich der grösste Google-Standort ausserhalb des Silicon Valley (wo ich jetzt gleich landen werde). Aber da greift das Steuergeheimnis. Und ein paar Geheimnisse sollten wir – die fünffach durchleuchteten Untertanen – doch noch erlauben.


Manfred Klemann ist Serial Entrepreneur und einer der Pioniere des europäischen Internets. Er gründete 1993 die Firma Unterwegs-im-Internet und später die Plattformen wetter.com, reise.com, internateportal.de und das Deutsche Wetter Fernsehen. Heute beteiligt er sich an aussichtsreichen Start-ups in der Schweiz und in Europa.

Unsere Kolumnisten vertreten ihre eigene Meinung. Sie deckt sich nicht in jedem Fall mit derjenigen der Redaktion.

 

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Kommentare

  • Matthias Meyer, Unternehmenssprecher Google Schweiz, 27.04.2018 11:08 Uhr
    Wir würden gerne Anmerkungen machen. Zuerst zum Thema Suchresultate: Suchergebnisse in der organischen Suche von Google sind nicht käuflich. Ihre Reihenfolge richtet sich einzig und alleine danach, wie nützlich und relevant die betreffenden Resultate für die zuvor eingegebenen Suchbegriffe sind. Von den organischen Suchergebnissen zu unterscheiden sind Anzeigen, die oberhalb oder neben den Suchergebnissen zu sehen sind. Diese sind in jedem Fall eindeutig als «Anzeigen» gekennzeichnet. Und zum Thema Steuern Folgendes: In der Schweiz leistet Google einen substantiellen Beitrag durch Lohn- und Unternehmenssteuern und beschäftigt über 2.400 hochqualifizierte Mitarbeiter in Zürich, dem grössten Entwicklungsstandort von Google ausserhalb der USA. Zudem helfen wir Tausenden von Schweizer Unternehmen, auf dem Internet zu wachsen. Wir erfüllen alle steuerlichen Vorschriften in der Schweiz. Matthias Meyer, Unternehmenssprecher Google Schweiz
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