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«Wenn die Medienhäuser leiden, leiden auch wir»

Bernard Maissen

«Wacht auf, liebe Leser!», hat Hansi Voigt in der «Zeit» geschrieben und die Situation der Schweizer Medien analysiert. Man muss nicht alle seine Aussagen teilen, aber die Grundrichtung stimmt, und sie stimmt nachdenklich. Mit Journalismus Geld zu verdienen wird immer schwieriger. Und selbst einer der «cleversten Köpfe der Schweizer Medienbranche» ist nicht so vermessen, Patentrezepte zu liefern.

Die Aufforderung an die Leserinnen und Leser, für Inhalte zu bezahlen, ist zwar löblich. Allerdings sind Bezahlmodelle für Online-Medien allerhöchstens in Nischen oder in grossen Märkten erfolgreich. Im kleinen Schweizer Markt kann davon allenfalls ein einzelner Journalist leben, grössere Newsorganisationen werden sich damit aber kaum finanzieren lassen.

Es braucht mehr Service Public

Die Investitionen in Transaktionsplattformen erlauben es den Verlagshäusern immerhin - so sie denn wollen - genügend Geld zu verdienen, um den unabhängigen Journalismus quer zu finanzieren. Das scheint mir der realistischere Weg. Aus den Investitionen zu schliessen, dass die Verleger - und es geht dabei nicht nur um Tamedia - deshalb nichts mehr mit den Inhalten zu tun haben möchten, erachte ich als vermessen.

Sicher Recht hat Hansi Voigt mit der Feststellung, dass wir in unserem direkt-demokratischen System mehr Service Public brauchen. Das haben auch der Bundesrat und die Eidgenössische Medienkommission schon festgehalten. Und richtigerweise stellt Hansi Voigt fest, dass mehr Service Public nicht zwingend mehr SRG bedeuten muss. Da er die sda erwähnt, erlaube ich mir dazu pro domo einige Bemerkungen.

Auswirkungen auf die Inhalte

Die SDA ist in der Tat ein Service-Public-Anbieter. Seit jeher liefert sie in Deutsch, Französisch und Italienisch den Medien eine Grundversorgung mit News aus dem In- und Ausland. Getragen wird dieser Service Public von den Verlegern und der SRG. Wenn es den Medienhäusern aber schlecht geht, leidet auch die Agentur. Meist etwas später, dafür umso heftiger. Denn im Gegensatz zur SRG und den Verlagen gibt es bei der sda nur einen grossen Kostenblock, nämlich das Personal und dabei gross mehrheitlich die Redaktion. Sparmassnahmen haben deshalb direkte und rasche Auswirkungen auf das Produkt.

Trotz dieser schwierigen Ausgangslage hat sich die Agentur in den letzten Jahren ständig weiterentwickelt und sich vermehrt nach den Bedürfnissen der Online-Medien gerichtet. Dies möglichst ohne die Printkunden zu vernachlässigen. Diesen Weg will die sda weitergehen. So bietet sie ab kommendem Jahr in Deutsch und Französisch in ihrem Basisdienst auch ein Video-Grundangebot. Und das ohne Preiserhöhung.

Längerfristig braucht es aber neue Finanzierungsmodelle für die mehrsprachige nationale Nachrichtenagentur. Mit 3 Prozent der künftigen Haushaltsabgabe - also mit der Hälfte dessen, was die privaten Radio- und TV-Stationen aus dem Gebührentopf beziehen - wäre die sda längerfristig sicher finanziert und könnte ihre Dienste allen Medien als Service Public kostenlos zur Verfügung stellen. Das wäre indirekte, unabhängige Medienförderung par excellence. Und ganz im Sinne von Hansi Voigt.

*Bernard Maissen ist Chefredaktor der Schweizerischen Depeschenagentur sda

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