27.06.2011

Facebook

Datenschützer warnt vor Gesichtserkennung

Aufklärung via Facebook.

Die neusten Entwicklungen von Facebook bereiten dem Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten Sorge. Dennoch - oder gerade deswegen - erwägt Hanspeter Thür, einen eigenen Account zu eröffnen. Der Zweck wäre die Sensibilisierung der Nutzer. Besonders problematisch ist aus Sicht des Datenschützers die automatische Gesichtserkennung, die Facebook seit jüngstem anbietet. "Damit wird das Recht am eigenen Bild völlig ausgehebelt", sagte Thür am Montag vor den Medien in Bern anlässlich der Präsentation seines Jahresberichtes.

Derzeit greift die Gesichtserkennungssoftware nur bei den Facebook-Freunden eines Nutzers: Wenn ein Bild eines Facebook-Freundes hochgeladen wird, erkennt die Software dessen Gesicht und schlägt dem Nutzer vor, das Bild mit Namen zu markieren. Wer nicht will, dass sein Name in Bildern anderer automatisch vorgeschlagen wird, muss die Einstellungen verändern. Die Technologie dürfte nicht auf soziale Netzwerke beschränkt bleiben: Facebook mache nur den Anfang, sagte Thür. Google verfüge schön länger über Gesichtserkennungssoftware, und in absehbarer Zeit werde die Technologie auch mit Smartphones verknüpft sein. Ausserdem sind immer mehr Facebook-Daten nicht für einen eingeschränkten Kreis, sondern im gesamten Netz zugänglich. Thür erinnerte daran, dass Facebook die Geschäftsbedingungen in den vergangenen Jahren laufend so verändert hat, dass Nutzer automatisch einem immer weiteren Kreis Zugang auf ihre Daten gewähren.

Angesichts dieser Entwicklungen ist es für Thür wichtig, grundsätzlich zu klären, was erlaubt ist und was nicht. Ein solches Grundsatzurteil wird jenes zu Google Street View sein. Der Datenschützer zeigt sich zuversichtlich, dass das Bundesgericht dem Bundesverwaltungsgericht folgen und seine Anliegen grösstenteils gutheissen wird. Dass Internetfirmen bei Kritik oft angeben, ihnen sei ein Fehler unterlaufen, erfüllt den Datenschützer mit Argwohn. "Man staunt, dass solchen Unternehmen derartige Fehler unterlaufen", stellte er fest. "Und man fragt sich, ob es sich nicht um eine Strategie zur Auslotung des Handlungsspielraums handelt."

Seinen eigenen Handlungsspielraum betrachtet der Datenschützer als klein. Er plädiert deshalb für eine Revision des Datenschutzgesetzes. Verankern möchte er unter anderem das Prinzip der Datensparsamkeit: Bei der Datenbearbeitung soll vermieden werden, dass Personen identifiziert werden, obwohl dies für den Zweck der Bearbeitung nicht nötig wäre. Der Bundesrat wird sich laut Thür demnächst mit den Vorschlägen befassen. Neben dem Gesetz setzt Thür auf die Sensibilisierung. Dabei zieht er auch in Betracht, künftig direkt in sozialen Netzwerken zu agieren - und diese gewissermassen mit den eigenen Waffen zu schlagen. Ob er lediglich einen Account eröffnet, der auf die Datenschutz-Homepage verweist, oder einen Blog einrichtet, ist noch offen.

Thür beschäftigte sich im vergangenen Jahr nicht nur mit dem Internet, sondern beispielsweise auch mit Schlichtungen im Zusammenhang mit dem Öffentlichkeitsgesetz. Seit dem Inkrafttreten des Öffentlichkeitsgesetzes 2006 wird der Zugang zu Dokumenten zwar in immer weniger Fällen gänzlich verweigert. Oft wird aber nur ein teilweiser Einblick gewährt. 2010 haben die Behörden in lediglich 44 Prozent aller Fälle einen vollständigen Zugang gewährt, wie dem Jahresbericht zu entnehmen ist. Dies ist so wenig wie noch nie seit Inkrafttreten des Gesetzes. Wer ein amtliches Dokument einsehen will, muss seit Sommer 2006 kein besonderes Interesse mehr nachweisen. Die Behörden können den Zugang aber einschränken oder verweigern, zum Beispiel aus Sicherheitsgründen.

Ausserordentlich viele Anfragen erreichten den Datenschützer 2010 in Zusammenhang mit Fichen des Nachrichtendienstes. Insgesamt wurden 407 Auskunftsgesuche eingereicht, durchschnittlich sind es jährlich 15 bis 20. Die Flut war eine Folge des im Sommer 2010 veröffentlichten Berichts der Geschäftsprüfungsdelegation der eidgenössischen Räte (GPDel). Die GPDel deckte auf, dass der Nachrichtendienst in den vergangenen Jahren bei der Fichierung von Personen das Gesetz nicht eingehalten hatte. (sda)



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