17.01.2017

Schlecht platzierte Online-Werbung

«Google begleitet den Kunden, wohin er auch geht»

Werbebanner werden zunehmend automatisiert erstellt und platziert. Das bringt Probleme, etwa wenn sie plötzlich auf breitbart.com auftauchen. Bei den neuen «responsive Ads» von Google müssen zwar Abstriche im Design hingenommen werden. Sie seien aber «sehr erfolgreich», zumindest unter gewissen Bedingungen, sagt Mike Wieland.
Schlecht platzierte Online-Werbung: «Google begleitet den Kunden, wohin er auch geht»
Mike Wieland ist Gründer und Geschäftsführer der SemSea Suchmaschinenmarketing AG in Zürich und Salzburg. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Herr Wieland, in den letzten Wochen war die Aufregung gross um «ungünstig» platzierte Banner über das Google Display Network GDN, Stichwort «breitbart.com».
Die Platzierung von Werbebannern zahlreicher bekannter Marken aus der Schweiz und Deutschland auf breitbart.com hat für eine grössere Diskussion in der Branche gesorgt. Tatsächlich sind die Banner dort erschienen und dies, obwohl die rechtspopulistische Nachrichtenseite sich vor allem an ein amerikanisches Publikum richtet.

Wie kam es dazu?
Grundsätzlich hat es damit zu tun, dass Google seinen Kunden begleitet – wohin er auch immer geht. Sobald also ein Besucher aus der Schweiz eine Seite aus dem Ausland anklickt, kann es sein, dass ihm Werbung von Schweizer Firmen angezeigt wird. In den vergangenen Wochen machten Nutzer eine ganze Reihe von Unternehmen per Twitter darauf aufmerksam, dass sie auf breitbart.com mit Werbeanzeigen erscheinen, was wegen der Umstrittenheit der Plattform kritisch zu bewerten sei.

Also Starbucks oder Mac Cosmetics?
Ja und in der Schweiz beispielsweise die Heilsarme, die Schweizer Post, die SBB oder auch die grösstenteils vom Bund finanzierte Switzerland Global Enterprise. In Deutschland waren es Unternehmen wie die Rewe, BMW, die Deutsche Telekom oder der Elektronikmarkt Conrad.

Es handelt sich also nicht um einen «Fehler» wenn Schweizer Nutzern auf breitbart.com Banner der Schweizerischen Post oder der Heilsarme angezeigt wurden.
Nein. Über Werbe-Display-Netzwerke, wie etwa das Google Display Network GDN, lassen sich Google AdWords-Anzeigen nach Zielgruppen mit bestimmten Interessen oder Eigenschaften buchen. Somit können je nach Nutzerverhalten die Werbeanzeigen technisch auch auf Webseiten auftauchen, welche eigentlich nicht erwünscht sind. Wenn also jemand beispielsweise auf einem Online-Shop nach einem Produkt gesucht hat und danach auf breitbart.com geht, kann es sein, dass die Ads ihn quasi dorthin begleiten. Das war dann also nicht der aktive Wille des Werbetreibenden, dort zu werben, sondern ein Resultat der Ausrichtung des Online-Marketings auf den Kunden und sein digitales Verhalten.

Werbetreibende haben das so in Auftrag gegeben.
Ja, sie haben Anzeigen über das GDN gebucht, aber sicher nicht absichtlich Werbung auf breitbart.com platziert. In diesem Sinne kann man die Unternehmen keiner Absicht bezichtigen, was aber gleichzeitig das Problem nicht wirklich löst. Jedoch kommt es durch diesen Fall zu einer Sensibilisierung diesbezüglich, was bestimmt eine Verbesserung mit sich bringen wird.

Was kann ein Werbeauftraggeber, resp. der Kampagnenmanager gegen solch ungünstige Platzierung tun?
Einerseits sind es die Systeme, die die programmatische Werbung für Advertiser steuern, welche in Zukunft das Problem anpacken werden. Anderseits lassen sich im GDN problematische Themen ausschliessen. «Verbrechen», «Polizei», «Notfälle», «Tod» und «Tragödien», «Militär» und «internationale Konflikte», obszöne oder grobe Ausdrucksweise, Rassismus blockieren die meisten Werbetreibenden per Standard schon im Voraus. 

Wie handhaben das andere Werbe-Display-Netzwerke?
Bei denen ist es teilweise so, dass grosse Technologie-Dienstleister, wie zum Beispiel AppNexus, von sich aus gewisse Webseiten ausschliessen, wenn sie nicht gewissen Qualitätsstandards entsprechen. Bei AppNexus wurde breitbart.com übrigens nicht aus politischen Gründen ausgeschlossen, sondern weil die amerikanische Plattform gegen das Hassredeverbot verstösst, welches sich AppNexus eigenständig auferlegt hat.

Neben breitbart.com gibt es aber sicher viele weitere Webseiten, die sich inhaltlich in einer Grauzone bewegen.
Deshalb gibt es – nebst den technischen – auch manuelle Möglichkeiten zur Überprüfung. Beim GDN kann der Kampagnenverantwortliche zudem eine Webseite auf eine Blacklist setzen, um die Schaltung von Werbeanzeigen auf dieser Webseite zu verhindern. Damit kann das Risiko zwar minimiert, aber nicht völlig eliminiert werden. Das heisst: Im Zuge der ständig neuen digitalen Werbemöglichkeiten und deren programmatischen Aussteuerung werden solche Fälle auch in Zukunft weiter auftreten.

Google hat ja kürzlich bei AdWords-Bannern auf Responsive-Ads umgestellt. Was heisst das?
Seit ungefähr einem Jahr erstellt Google im GDN automatisiert sogenannte «responsive Display-Banner». Der Wechsel kam überraschend von einem Tag auf den anderen – ohne die Werbenden zu informieren. Ab 31. Januar 2017 sind diese «responsive Ads» im Display Netzwerk als Standard integriert, d.h. alle Textanzeigen können auf diese Weise ausgespielt werden. So weit so gut. Das Problem dabei ist aber: Responsive-Display-Banner haben ein grafisches Layout, welches meist nicht dem Corporate Design des werbenden Unternehmens entspricht, da Google – wenn nicht anders definiert – ganz einfach selbst die Botschaften aus den AdWords-Anzeigetexten und ein Logo von der Webseite des Werbetreibenden übernimmt.

Werbung die nicht CI/CD-konform ist, will doch kein einziges Unternehmen.
Je nach dem sind gewisse Abstriche sinnvoll. Responsive Ads können aber auch über Templates im System ganz einfach konfiguriert werden, so dass eben das Logo am richtigen Ort und die richtige Botschaft vorhanden wäre. Das bringt für den Kunden zwar etwas mehr Aufwand, lohnt sich aber.

Was bringt die neue Responsive-Lösung?
Der Vorteil ist, dass sich die Banner immer responsive – also dynamisch – dem Format anpassen, ob nun Desktop, Tablet oder Mobile. Auf Grund der grafischen Elemente erscheinen sie auffälliger als reine Text-Anzeigen. Ebenso wird ein «call-to-action»-Button automatisch integriert. Wenn nicht automatisiert, können responsive Ads mit minimalem Aufwand auch manuell erstellt und geschaltet werden, was zum Beispiel bei befristeten Angeboten nützlich sein kann.

Wo lohnen sich denn automatisierte responsive Ads?
Bei performance-orientierten Kampagnen, wo das CI/CD nicht wirklich eine grosse Rolle spielt. Dort erzielt man damit bezüglich Klickrate und Anzahl Conversions sehr gute Ergebnisse. Auf diese Weise automatisiert, kann Google also immer im richtigen Format, zur richtigen Zeit, die richtige Botschaft einblenden.

Ein weiteres Beispiel also künstliche Intelligenz im Marketing (vgl. persoenlich.com).
Ja, die Automatisierung nimmt spürbar zu. Aber eben, beim CI/CD müssen wir bei den Responsive Ads von Google zurzeit noch Kompromisse eingehen, denn auch bei einer manuellen Konfiguration lässt sich nicht alles hundertprozentig genau einstellen.

Mike Wieland ist Gründer und Geschäftsführer der SemSea Suchmaschinenmarketing AG in Zürich und Salzburg.

 



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Kommentare

  • Erik Wetterblad, 16.01.2017 23:34 Uhr
    Naja gute Werbung für breitbart.com... Aber eine spezialisierte Agentur wird als Google Partner im Voraus über Änderungen informiert. So wussten die Agenturen aus den USA bereits im Juli Bescheid und alle Agenturen im DACH Raum wurden anfangs September informiert. So überraschend war das nun auch nicht... sonst guter Artikel.
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