15.01.2017

Social Video

«Machine Learning wird immer wichtiger»

Mediahead lanciert «Social Video». Ist das Produkt von Remo Prinz erfolgreich, werden künftig Maschinen Aufgaben von Kampagnen-Managern übernehmen. Diese machen, anders als die Jungs in der Agentur, nie Feierabend.
Social Video: «Machine Learning wird immer wichtiger»
Remo Prinz ist Mitgründer und Geschäftsführer der Mediahead AG. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Herr Prinz, was kann Ihr neues Produkt «Social Video»?
Mit Social Video lassen sich die aktuell grössten sozialen Netzwerke Facebook, Instagram, Youtube und Twitter auf Knopfdruck mit Bewegtbildwerbung bespielen. So können Werbeauftraggeber auf einen Schlag eine immense Reichweite aufbauen, wie zu den besten Tagen des linearen Fernsehens, nur mit präziserem Targeting.

Wie sind Sie darauf gekommen?
Seit der Gründung von Mediahead arbeiten wir an einem System, mit dem verschiedenste Ad-Technologien integriert und vernetzt werden können. Als dann Facebook vor einem Jahr eine Schnittstelle zur Verfügung stellte, über die man Video-Werbung direkt programmatisch einbuchen kann, wussten wir, dass die Zeit für das Social-Video-Produkt gekommen ist. Zuerst integrierten wir Facebook und Instagram, dann Youtube und schliesslich Twitter. Als uns ein Freund aus der Branche darauf hinwies, dass wir in dieser Kombination das grösste Video-Netzwerk der Welt geschaffen hatten, mussten wir selber lachen.

Wer steht hinter der Entwicklung?
Die Werbesysteme werden technologisch immer komplexer. Der Mensch hingegen liebt Vereinfachung. Werbetechnologien für Marketingprofis zugänglich zu machen, ist das Credo von Mediahead. Und Social Video entspricht genau diesem Prinzip: Es kann von Menschen nach bekannten Mustern gebucht werden und weist den Maschinen die richtigen Aufgaben zu. Damit das funktioniert, braucht es natürlich hervorragendes Personal. An unserer Software haben Entwickler aus Spanien, Russland, der Türkei und Indien mitgearbeitet, die zuvor für Technologieunternehmen wie Google oder Amazon tätig waren.

Sind das Ihre eigenen Mitarbeiter?
Der Kopf unserer Programmierer ist unsere Chief Technologie Officer Tulika Agrawal. Wir konnten sie vor eineinhalb Jahren für Mediahead gewinnen. Davor war sie über zehn Jahre bei Google, wo sie den Lead bei der Optimierung verschiedener Werbeprodukte innehatte. Mit ihr zu arbeiten, ist in einem männerlastigen Technologieumfeld eine grosse Inspiration. Gemeinsam bauen wir täglich an der Brücke, welche Marketing und Technologie näher zusammenbringt. 

Wo übernehmen die Maschinen?
Erstens verrichten sie zeitraubende manuelle und repetitive Aufgaben: Beispielsweise Daten aus den einzelnen Plattformen herauslesen und diese visuell für den Kunden darstellen. Zweitens lösen sie Aufgaben im Bereich Controlling, etwa eine Kampagne automatisch zu stoppen, wenn Unregelmässigkeiten festgestellt werden. Drittens vollführen sie intelligente Aufgaben: Sie lernen beispielsweise, zu welchen Tageszeiten sich der Einkauf von Werbeplätzen lohnt und erhöhen das Budget zu diesen Zeiten.

Ein typisches Beispiel also für künstliche Intelligenz im Marketing.
Ja, Machine Learning und Kampagnen-Optimierung in Echtzeit werden für die Werbeindustrie immer wichtiger. Und weil Menschen gerne Feierabend machen, Werbekampagnen aber rund um die Uhr weiterlaufen, sind Maschinen die perfekte Ergänzung.

Warum glauben Sie an das Wachstumspotenzial von Bewegtbild?
Selbst die hartgesottensten Traditionalisten müssen erkennen: Online-Videos boomen – sowohl in der Produktion als auch der Rezeption. Und wo Bewegtbild-Inhalte konsumiert werden, lässt sich auch mit Bewegtbildern werben. Kommt dazu, dass Online-Videos kurz sind und daher Werbung mit hoher Frequenz angezeigt werden kann. Das Hauptargument für Wachstum ist aber im Markt selber begründet. Wir befinden uns immer noch in einer Frühphase. Die Werbeindustrie wird ihr Geld künftig dort investieren wollen, wo sich ihre Zielgruppe aufhält. In diesem Punkt sind sich übrigens auch alle Analysten einig: Für Video-Werbung – wie übrigens auch für Social-Media-Werbung – werden in den kommenden Jahren jährlich zweistellige Wachstumsraten prognostiziert.

Wenn nun der Konsument auf Youtube, Facebook, Twitter und Instagram gleichzeitig dasselbe Video angezeigt erhält, droht irgendwann der Over-Kill. 
Vom Over-Kill sind wir noch ein gutes Stück entfernt, aber er ist möglich und zwar dann, wenn die Wachstumsprognosen zutreffen. Auf einzelne Videos bezogen kann man aber sehr wohl etwas dagegen tun. Denn im Unterschied zur TV-Werbung kann man die Kontaktdosis nach oben beschränken. Kommt dazu, dass die Zielgruppenansprache über die sozialen Medien sehr exakt ist. Beide Massnahmen sind die besten Mittel, um die Werbeakzeptanz zu erhöhen. 

Youtube, Facebook, Twitter und Instagram: Alle rechnen in unterschiedlichen Währungen. Wie können Sie das in Ihrem Produkt berücksichtigen?
Das ist tatsächlich so. Die etablierten Player sind Silos und möchten einen möglichst grossen Anteil der Werbeeinnahmen auf ihre eigene Plattform bringen. Daher haben sie kein erkennbares Interesse daran, ihre Leistungswerte für Video-Werbung vergleichbar zu machen oder gar zu vereinheitlichen. Bei unserem Produkt Social Video werden die unterschiedlichen Kennzahlen vom System umgerechnet und vereinheitlicht auf einem Dashboard dargestellt. Darüber hinaus bietet Mediahead ein Planungstool an, welches die Netto-Reichweite von Zielgruppen über alle Social-Media-Kanäle hinweg errechnet. 

Wie berechnen Sie diese Netto-Reichweite?
Ein konkretes Beispiel: Über Youtube erreicht man von der Altersgruppe der 20- bis 49-jährigen Schweizerinnen und Schweizer pro Woche 65 Prozent mit Video-Werbung. Bei Facebook sind es 44 Prozent. Das sagen uns die Daten, die wir direkt von den Plattformen erhalten. Diese kombinieren wir mit Studienergebnissen über das Nutzungsverhalten in den sozialen Netzwerken und berechnen daraus die Überlappung. Im konkreten Fall erhalten wir eine kombinierte Netto-Reichweite von 87 Prozent. Wohlgemerkt: Weil die einzelnen Anbieter Silos sind und kein plattformübergreifendes Tracking erlauben, handelt es sich bei unseren Berechnungen um Annahmen. Wir würden es begrüssen, wenn diese von anderen Marktteilnehmern überprüft werden, um die Genauigkeit weiter zu erhöhen.

Können Sie uns ein Beispiel für die Preisbildung nennen?
Nehmen wir die extremen Gegensätze zwischen Facebook und Youtube. Facebook verlangt einen Tausenderkontaktpreis pro Werbeeinblendung. Dabei handelt es sich aber nicht um ein Video, sondern um ein statisches Banner. Ob dieses angeklickt und folglich das Werbevideo abgespielt wird, spielt bei der Preisbildung keine Rolle. Youtube macht das pure Gegenteil: Dort zahlt der Werbekunde erst, wenn das Video mindestens 30 Sekunden angeschaut wurde.

Social_Video_Preis_und_Sehdauer

Preis und Sehdauer von Bewegtbildwerbung auf Social Media (Abb.: Mediahead)

Darum scheint Facebook auf den ersten Blick günstiger.
Ja. Es ist logisch, dass sich hier bei der Preisbildung eine enorme Schere auftut: Eine Facebook-Impression kostet nur einen Bruchteil von einem Rappen, während der Preis für einen True-View auf Youtube gleich mehrere Rappen beträgt. Social Video rechnet diese unterschiedlichen Preise auf die effektive Sehdauer um. Auf diese Weise stellen wir eine Vergleichbarkeit zwischen Playern her, die offensichtlich alles daran setzen, nicht vergleichbar zu sein.

Wenn die Buchungen bei Google, Facebook, Twitter und Instagram nicht mehr manuell geschehen: Wie viele Leute können Sie einsparen?
Der manuelle Aufwand reduziert sich um bis zu 80 Prozent. Dieselbe Arbeit kann also von einer anstatt fünf Personen bewältigt werden.

Welche Aufgaben wird es in fünf Jahren nicht mehr geben, sollte «Social Video» erfolgreich sein?
Die von Kampagnen-Managern, welche heute den ganzen Tag damit verbringen, sich auf jeder einzelnen Plattform einzuloggen, die Kampagnendaten zu analysieren und manuelle Massnahmen davon abzuleiten.

Welche Vorteile hat es, wenn das Kampagnenmanagement automatisiert und nicht mehr durch Menschen vollzogen wird?
Menschen sind sozial und handeln daher nicht nach streng rationalen Kriterien. Ausserdem arbeiten sie nicht fehlerfrei und wollen irgendwann gerne Feierabend machen. Das ist auch gut so: So können sie besser Kundenbeziehungen pflegen, Trends erspüren, kreativ sein. Sie können sogar durchaus rechnen und Regeln definieren. Danach sollten aber die Maschinen übernehmen: Repetitive Jobs erledigen, Controlling-Aufgaben wahrnehmen, Daten verarbeiten und daraus resultierende Massnahmen selbständig umsetzen – rund um die Uhr. Das macht das Leben für die Menschen einfacher und steigert die Effizienz für die Werbetreibenden.



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