21.09.2017

MediaCom

Mehr Arbeit durch Programmatic Advertising

Maschinen buchen programmatisch Werbung und gefährden so Arbeitsplätze. Falsch, so das Fazit an einem Inspirationsforum der Mediaagentur MediaCom in Zürich. Die Experten sind überzeugt: Trotz Technik braucht es den Menschen. Auch für gute Inventarqualität.
MediaCom: Mehr Arbeit durch Programmatic Advertising
Kreation und Message müssen auch bei programmatischer Werbung stimmen, sagte Lennart Hintz, CEO von MediaCom Schweiz. (Bilder: zVg.)
von Christian Beck

Mit den Besuchern von Anlässen ist es ein bisschen so wie mit Programmatic Advertising – es gibt immer sogenannte «No-Shows». So auch beim «2. Digitalmix@MediaCom»: 74 Personen haben einen Platz am Anlass gebucht, 63 liessen sich blicken. Immerhin. Die Sichtbarkeit – oder Viewability – ist nach wie vor eines der Themen, welche die Branche, insbesondere die Werbeauftraggeber, beschäftigt. Genauso wie Ad Fraud und Brand Safety. «Die Inventarqualität hat auch 2018 Top-Priorität, alle anderen Themen sind noch weit entfernt», zeigte sich Oliver Gertz, Managing Director Interaction EMEA bei MediaCom, am Anlass vom Mittwochabend überzeugt.

Mehr Kontrolle über die Werbung

Um eine hohe Inventarqualität zu erreichen, müssen verschiedene Daten berücksichtigt werden. «In der Schweiz ist MediaCom Vorreiter, was das Zusammenführen der Daten betrifft», warb Gertz vor den anwesenden Kunden in seinem Vortrag «Programmatic demystified: Ein Blick hinter die Kulissen». So erfolge mit der «Media Quality Initiative» (MQI) eine umfassende Beurteilung der Platzierungsqualität von Onlinewerbung. Durch eine laufende Optimierung werde das Ergebnis der Kampagnen verbessert.

«Entgegen zu dem, was man häufig in der Presse liest, bin ich der Meinung: Programmatic Advertising heisst mehr Kontrolle über seine Werbung», so Gertz. Aber man könne nicht alles der Technik überlassen, sagte er weiter und verglich die programmatische Werbung mit der Formel 1: «Dort wird auch die Technik immer besser, aber am Schluss braucht es immer noch einen Fahrer.» So sei es auch bei der Mediaplanung.

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Überhaupt, Maschinen würden Menschen nicht verdrängen, so Gertz. «Menschen werden einfach weniger spassige Arbeiten an Maschinen abgeben, um sich wertvolleren Aufgaben zu widmen.» Dass durch die neuen Formen von digitaler Werbung sogar Arbeitsplätze geschaffen würden, belegte Lennart Hintz, CEO MediaCom Switzerland, gegenüber persoenlich.com mit Zahlen: In den letzten zehn Jahren habe sich die Zahl der Mitarbeitenden in der Schweiz von 25 auf 80 mehr als verdreifacht. Das Kundenvolumen hingegen habe sich «nur» verdoppelt. Für die Mediaagentur sei die Arbeit heute viel komplexer geworden. «Man kann mit Programmatic schon Geld verdienen, man muss aber hart dafür arbeiten», so Hintz. Und Gertz ergänzte gegenüber persoenlich.com: «Pro Programmatic-Franken investieren wir dreimal soviel Zeit wie für klassische Digitalwerbung.» Mindestens momentan noch.

Schlechter Ruf muss saniert werden

Warum Programmatic teilweise noch einen schlechten Ruf hat, liegt für Gertz auf der Hand: «Alles hat als Restplatzbörse angefangen.» Dieses Image gelte es nun aufwändig zu korrigieren, sagte er an der anschliessenden Paneldiskussion. Dem stimmte auch Yves Mäder, Plattform Lead DoubleClick Schweiz und Österreich bei Google, zu. Mäder hatte auch eine simple Erklärung, warum der Anteil von programmatischer Werbung in der Schweiz mit rund 20 Prozent noch sehr tief ist: «Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Jede Veränderung braucht seine Zeit.» Für Jochen Witte, Director Audience & Plattform bei Admeira, ist klar: «In Amerika gibt es das Konstrukt Vermarkter gar nicht, deshalb kam Programmatic dort schneller ins Rollen.»

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Mäder gab zu, dass Programmatic zwar viele Chancen biete – aber auch viele Risiken beinhalte. Auch Google kam wegen Brand Safety in die Schlagzeilen, als Werbung neben Hass-Videos auftauchte (persoenlich.com berichtete). «Da waren wir nicht gut genug und haben Fehler gemacht», so Mäder. Google habe aber reagiert und viel investiert. So gebe es seit Kurzem auch einen Brand-Safety-Filter, der bereits auf Kundenebene gesetzt werden könne. So könne es nicht mehr passieren, dass eine Kampagne vergessen gehe.

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«Technik kann Vertrauen nicht ersetzen», stichelte Witte von Admeira. Er brach «eine Lanze für die klassischen Premium Publisher», die nebst 50 Prozent Technik auch 50 Prozent Vertrauen bieten würden. Für Witte ist klar, dass der Kunde seinen Verkäufer persönlich kennen wolle: «Ich will wissen, wo ich kaufe. Weil hinterher kann ich den Verkäufer entsprechend zur Verantwortung ziehen, wenns nicht klappt.» Und Hannes Eckardt, Market Director Schweiz/Österreich bei AppNexus, sagte: «Es wirkt immer so, dass man eine riesige Blackbox erhält, wenn man programmatisch einkauft.» Dies sei aber überhaupt nicht so, wenn sauber eingekauft werde.

Programmatic hat noch Potenzial

Bei aller Technik, am Schluss sei Kreativität entscheidend, sagte Mäder. «70 Prozent des Erfolgs hängt von einem kreativen Werbemittel ab.» Wenn man schon durch Programmatic «Cherry Picking» machen und so jeden einzelnen Nutzer ansprechen könne, sollte man nicht immer dieselbe Botschaft ausspielen. Mehrwert statt nerviger Werbung soll das Ziel sein, so Mäder.

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Vielfach höre man von Marketingleitern, sie hätten gar keine Zeit, um sich mit Programmatic zu befassen, sagte Gertz. «Da antworte ich: Reduziert doch einfach die Anzahl eurer Kampagnen, dann habt ihr mehr Zeit, die verbleibenden Kampagnen besser zu machen.» Auch beim Programmatic Advertising gebe es noch Verbesserungspotenzial, so MediaCom-Schweiz-Chef Hintz. «Damit der programmatische Einkauf seine Stärke ausspielen kann, müssen sich alle Player vorbehaltlos öffnen und den Werbungtreibenden Zugang zum gesamten Inventar ermöglichen – nicht bloss zu Teilen davon.» Hintz blickte dabei zum Google-Vertreter. Dieser entgegnete cool: «Warum habt ihr dann niemand von Facebook eingeladen?»



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