03.03.2016

Swisscom

«Vieles im Netz ist korrekt, einiges aber Bullshit»

Michael In Albon ist Jugendmedienschutz-Beauftragter der Swisscom. Im Interview mit persoenlich.com spricht er über die Gefahren, die Kindern online auflauern, wie Eltern damit umgehen können und weshalb der Telekommunikationsriese seinen Kunden hilft, offline zu gehen.
Swisscom: «Vieles im Netz ist korrekt, einiges aber Bullshit»
von Lucienne Vaudan

Herr In Albon, Sie sind Jugendmedienschutz-Beauftragter der Swisscom. Was gehört da zu Ihren Aufgaben?
Ich bin das Gesicht für das Thema, jemand der die Prügel auf sich nimmt, wenn sich Swisscom am Markt nicht so verhält, wie sie es sollte. Und ich berate die Kollegen von der Produktentwicklung dahingehend, dass unsere Angebote dem Gesetz und den Werten von Swisscom entsprechen.

Bekommen Sie da viel Prügel?
Nein, sehr wenig. Wir achten besonders darauf, dass wir keine zusätzlichen oder unnötigen Risiken für Kinder und Jugendliche schaffen. Es ist uns ein grosses Anliegen mit verschiedenen Massnahmen einen gesunden und selbstverantwortlichen Medienumgang zu fördern. Und wir stehen auch Eltern mit Rat und Tat zur Seite.

Sind Sie eine Art Dr. Sommer für Eltern, für die «das Internet» Neuland ist?
Swisscom muss sich freilich seiner eigenen Rolle bewusst sein, und sich auch abgrenzen. In der Schweiz gibt es sehr gute und kompetente Wissenschaftler, Lehrpersonen, die aus dem Vollen schöpfen können. Wir möchten aufzeigen, dass es Momente und Formen der Mediennutzung gibt, die Negatives mit sich bringen. Aber wir wollen nicht alles verteufeln, wir zeigen auch auf, wo der Mehrwert und die grossen Chancen digitaler Medien liegen.

Was sind die grössten Sorgen der Eltern, die Sie erreichen?
Eltern sorgen sich, was ihre Kinder im Netz tun, mit wem sie chatten, welche Spiele sie spielen. Viele Eltern berichten auch, dass ihre Kinder kaum mehr vom Smartphone zu trennen sind. Solche Suchtmuster treten meist schleichend auf und sollten von Eltern ernst genommen werden.

Was raten Sie dann den Eltern?
Es gibt zwei Strategien hierzu: Entweder kontrolliere ich mein Kind auf Schritt und Tritt. Wenn es bei kleineren Kindern durchaus Sinn macht, mittels Filtern den Zugriff einzuschränken, muss man sich bewusst sein: Irgendwann haben die Racker den Dreh raus und umgehen solche Sperren. Dann sollte man beginnen, die Kinder zu begleiten, indem man sich für das Geschehen auf dem Bildschirm interessiert und mit ihnen darüber spricht. Man kann den Kindern Tipps und Tricks geben, auf unnütze oder gefährliche Inhalte hinweisen, und auch mal «Schluss» sagen, wenn es nötig ist. Wenn alles nicht mehr hilft, sollte man sich nicht scheuen, externe Hilfe anzunehmen.

Was meinen Sie mit externer Hilfe?
Das Angebot ist vielfältig: Der Schulsozialdienst kann einfach und unkompliziert Hilfe bieten. Dann stellen alle Kantone im Rahmen ihrer Sozialdienste kompetente Ansprechpersonen zur Verfügung. Das Bundesamt für Sozialversicherungen BSV unterhält bietet zudem eine umfassende Liste aller Lern- und Beratungsangebote.

Was sind hingegen die Probleme von Jugendlichen und Kindern im Umgang etwa mit Social Media?
Das soziale Umfeld, die Vorbilder spielen eine grosse Rolle. Digitale Medien können eine Ersatzwelt werden, wenn die reale Welt nicht mehr zu ertragen ist. Das ist gefährlich, denn das Netz wird so zu einer Komfortzone, die Herausforderungen in der realen Welt bleiben aber ungelöst. Vieles im Netz ist korrekt, einiges aber Bullshit. Hier müssen Jugendliche lernen, kritisch zu hinterfragen, was sie im Netz lesen. Das Netz hat keine Redaktion die Wahres von Unwahrem trennt, das Netz kennt auch keine Zensur.

Aber wie sollen Eltern ihrem pubertierenden Teenager klar machen, was korrekt ist und was Bullshit, wie Sie es nennen?
Kinder brauchen keine Liste von guten Inhalten, die wäre morgen schon überholt. Was sie brauchen ist eine Anleitung, wie sie lernen, dies selbst abzuwägen.

Wie schätzen Sie die Medienkompetenz von Herr und Frau Schweizer ein?
Durchzogen. Es zeigen sich schon Tendenzen, dass viele Eltern digitale Medien regelmässig als «Kindermädchen» einsetzen. Ich selbst bin dieser Versuchung schon verfallen: «Lass mich rasch in Ruhe, hier hast Du mein Smartphone.» Eltern haben oft keine Ahnung, ob ihre Tochter einen Facebook-Account hat, oder welche Spiele ihr Sohn so spielt. Man kann also durchaus sagen, dass die Eltern sich in weiten Teilen zu wenig um den Medienkonsum kümmern.

Swisscom bietet auch Kurse zur Medienkompetenzschulung an. Wie und von wem werden diese Kurse genutzt?
Wir bieten Kurse für Mittel- und Oberstufe an. Daneben haben wir auch Kurse und Elternabende für Lehrpersonen und Eltern. Wir hatten im letzten Jahr etwa 27‘000 Teilnehmer.

Swisscom bietet auch eine «Offtime»-App an, die das Handy automatisch ab einer gewünschten Nutzungsfrequenz sperrt. Stellt sie sich nicht selbst ein Bein, wenn sie die Verbindung ihrer Kunden kappt?
Das könnte man meinen, aber wir sind sehr daran interessiert, dass sich eine gesunde Informationsgesellschaft entwickelt. Darf man eine Beziehung via SMS beenden? Soll ein Arbeitnehmer am Samstagmorgen noch drei Geschäftsmails beantworten? Muss man abends um 22 Uhr wirklich noch rasch den Facebook-Status aktualisieren? Unsere Gesellschaft muss die Art der Mediennutzung noch debattieren. «Offtime» zeigt dem Nutzer, was er genau mit dem Gerät tut, wie oft er es entsperrt, welche App er am häufigsten braucht und soll so zu einer konstruktiven Diskussion in der Familie und in der Öffentlichkeit beitragen.

Sie und die Swisscom sind auch verantwortlich für die Initiative «Schulen ans Internet». Wie ist da der Stand?
Über 95 Prozent der Schweizer Schulen nutzen unser Angebot, und die Herausforderungen werden nicht kleiner. Schulen sind heute am Anfang der Digitalisierung und die Zahl der Schulen, die neben dem Internet-Anschluss weitere und professionellere Lösungen brauchen, steigt. Denken Sie an performante WLAN-Lösungen, an Speicher-Funktionen in der Cloud, auch an TV-Produkte. Hier sind wir laufend daran, das Angebot mit zusätzlichen Diensten zu erweitern.

Eine letzte Frage: Wie wird man eigentlich Medienkompetenz-Experte?
Indem man selber Vater von zwei Jungs ist, die von Smartphone und Tablet fasziniert sind. Und indem man sich fragt, wie man dieses Thema zuhause in den Griff bekommen kann. Es ist eine tägliche Herausforderung mit steiler Lernkurve. Wichtig ist weiter, dass man offen bleibt. Es hilft, wenn man neue Medien und Plattformen auch selbst ausprobiert oder es sich von seinen Kindern zeigen lässt. So kann man als Eltern viel besser einschätzen, um was es geht und hat ein besseres Verständnis.

Bild: zVg 

 



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Kommentare

  • Yves Seiler, 04.03.2016 14:23 Uhr
    Als Jugendmedienschutz-Beauftragter dürfte man eine gepflegtere Wortwahl erwarten. Zum Beispiel Bullen-Äpfel statt Bullsh*t!
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