22.04.2017

#WeAreHere

«Der Kampf für Gleichberechtigung lohnt sich»

Pinkfarbene Pussy Hats, der Womens March Zürich oder #HereWeAre: Sind solche Feminismus-Aktionen tatsächlich nötig? Wie weit ist die Schweiz punkto Gleichstellung? Wir haben erfolgreiche Frauen aus der Medien- und Kommunikationsbranche befragt: Sibylle Berg, Andrea Hemmi, Clarissa Haller und Regula Bührer Fecker.
#WeAreHere: «Der Kampf für Gleichberechtigung lohnt sich»
von Edith Hollenstein

Eine Woche lang nur auf Frauen reagieren: Hätten wir die Aufforderung der Bewegung #WeAreHere umgesetzt, wären die persoenlich.com-Newsletter in den letzten Tagen kurz ausgefallen. Unsere Redaktion hätten früher Feierabend machen können, wenn wir ausschliesslich auf Mails, Tweets oder Posts von und über Frauen reagiert hätten. 

Auch wenn wir nicht mitmachen konnten: Aktionen wie #WeAreHere von der Autorin und Filmemacherin Güzin Kar oder der Womens March Zürich zeigen, dass der Gleichstellungskampf einen Aufschwung erlebt. Er wird sogar zelebriert und teilweise kommerzialisiert.

Was denken einflussreiche, erfolgreiche Frauen in unserer Branche darüber? Wie weit ist die Schweizer Gesellschaft punkto Gleichstellung und wofür sollten Frauen im Jahr 2017 kämpfen?

Wir haben einige Interviewpartnerinnen aus unserer 2012 lancierten Serie «Erfolgreiche Frauen» um eine Einschätzung gebeten. Die eingegangen Statements publizieren wir in einer mehrteiligen Serie. Hier Teil 1:

  

Regula Bührer Fecker, Gründerin und Geschäftsleitungsmitglied Rod Kommunikation

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«Ganz ehrlich? Ich finde, es ist eine ausgesprochen gute Zeit, um Frau und Unternehmerin zu sein. Wir sind gleichberechtigt, aber immer noch etwas exotisch. Alle Türen stehen uns offen. Oft sogar weiter als Männern. Die Frage ist viel eher, wieso sich nicht viel mehr Frauen getrauen, durch diese Türen zu gehen. Ist es die Angst vor dem eigenen Mut? Oder sind wir zu schlecht ausgerüstet, weil wir unsere Erfahrungen zu wenig austauschen? Ich glaube, wir können alle viel bewirken, wenn wir die Frauen rund um uns herum ermutigen, etwas zu wagen und ihnen mit persönlichen Tipps und Tricks weiterhelfen. Die Chancen sind da, nutzen wir sie!»

 

  


Clarissa Haller, Leitern Konzernkommunikation Siemens

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«Wir sollten diese Debatte führen, denn wir sind in der Schweiz von echter Gleichberechtigung immer noch weit entfernt. Sollte es schneller vorangehen? Das würde ich mir natürlich wünschen. Wir sind im vergangenen Jahr im «Global Gender Gap Report» des World Economic Forum vom achten auf den elften Platz gerutscht – noch hinter die Philippinen, Slowenien oder Nicaragua. Immerhin: In den Geschäftsleitungen der 100 grössten Schweizer Arbeitgeber ist der Frauenanteil vergangenes Jahr von 6 auf 8 Prozent gestiegen. 8 Prozent! Immerhin, wie gesagt, aber gut ist anders.

Ich habe diese Woche die Geschichte von Kathrine Switzer gelesen. Sie war die erste Frau, die den Boston Marathon gelaufen ist, vor genau 50 Jahren (Anm. d. Red.: vgl. z.B. welt.de). Ein dramatisches Rennen: Die Rennchefs wollten sie von der Strecke rempeln, weil es nicht sein konnte, dass Frauen an einem Marathon teilnehmen. Man traute es ihnen nicht zu. In diesem Jahr hat Kathrine Switzer wieder teilgenommen – als 70-Jährige und zusammen mit 12.378 anderen Läuferinnen. 

Vorkämpferinnen wie Kathrine Switzer zeigen, dass es sich lohnt, für Gleichberechtigung einzutreten: für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für gleiche Bezahlung und Chancengleichheit, gegen Sexismus und Diskriminierung – und natürlich sollten sich nicht nur die Frauen dafür einsetzen. Und ausserdem sollte das Thema auch nicht in vorranging an den Staat delegiert, sondern von den Verantwortlichen in Wirtschaft und Verwaltung aufgenommen werden.

Wenn es jedem von uns in einer Führungsposition gelingt, Frauen mit Kindern das Gefühl zu vermitteln, dass es kein Problem ist, wenn ihr Kind einmal krank ist und sie zu Hause bleiben müssen, dann ist schon viel erreicht. Wenn wir es schaffen, Mitarbeitern, die Eltern werden, zu vermitteln, dass wir offen sind für flexible Modelle und sie unterstützen wollen, dann ist viel gewonnen – auch wenn die tatsächlichen Möglichkeiten in einem KMU dann natürlich andere sein mögen als in einem Konzern. Aber es geht um die positive Grundstimmung – wenn Gleichberechtigung und Flexibilität sich «erlaubt» und «richtig» anfühlen, ist der Weg geebnet.





Andrea Hemmi, Kommunikationschefin und Mitglied der Geschäftsleitung SRF

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«Beim Schweizer Radio und Fernsehen SRF sind wir in Sachen Gleichberechtigung – verglichen mit anderen Unternehmen – relativ weit. Trotzdem braucht es anhaltendes Engagement. Um noch mehr Frauen an der Spitze von Unternehmen zu haben, müssen wir Frauen auf allen Stufen die Möglichkeit bieten, sich zu entwickeln. Und darum fördere ich qualifizierte Frauen, wo immer ich kann.»

 

  

Sybille Berg, Autorin und Dramatikerin

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«Eine günstige oder gar, dem Reichtum unseres Landes angemessene, kostenlose Möglichkeit der Kinderbetreuung würde Frauen eine faire Teilhabe an wirtschaftlichen, künstlerischen und medialen Entscheidungspositionen ermöglichen, und Männern den Wunsch danach, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen. Dass die Schweiz im Europavergleich in punkto Gleichberechtigung an hinterer Stelle liegt, ist der Angst konservativer PolitikerInnen vor Veränderungen zuzuschreiben, und der ewig nationalkonservativen Sehnsucht nach einer freundlich überschaubaren patriarchalen Gesellschaft.»

 



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Kommentare

  • Eva Straumann, 24.04.2017 16:59 Uhr
    Frauen sind die einzige Mehrheit, die sich wie eine Minderheit benimmt. Lasst uns das auf eine gute Art ändern - der Weg ist das Ziel.
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