16.12.2016

Elisabeth Kopp

«Frauen sind selbstbewusster geworden»

Die Alt-Bundesrätin hat in ihrer politischen Karriere zahlreiche Hochs und Tiefs erlebt. Am Freitag wird sie 80 Jahre alt. Mit persoenlich.com spricht sie über Frauenemanzipation, Gleichstellung und ihr Verhältnis zu den Medien.
Elisabeth Kopp: «Frauen sind selbstbewusster geworden»
Alt-Bundesrätin Elisabeth Kopp, aufgenommen 2010 in Zumikon. (Bild: Keystone/Gaetan Bally)
von Nathalie Zeindler

Frau Kopp, Sie feiern einen runden Geburtstag. Wie erleben Sie den 16. Dezember?
Dieser Tag ist mit Dankbarkeit verbunden. Ich freue mich, meine Enkelinnen heranwachsen zu sehen und mitzuerleben, wie sie ihre «Frau» stehen. Auch realisiere ich immer mehr, wie wichtig ein verlässlicher Freundeskreis insbesondere im Alter ist.

Ein rundes Jubiläum bietet auch die Gelegenheit für einen Rückblick. Vor 27 Jahren sind Sie als Bundesrätin zurückgetreten. Aus welcher Sicht betrachten Sie heute den Verlust Ihres Amtes?
Ich habe eine gesunde Distanz zu diesem schwierigen Lebensabschnitt gewonnen, da ich auch auf Wohlwollen seitens der Bevölkerung stosse, was unmittelbar nach meinem Rücktritt nicht der Fall war. Nachträglich gesehen würde ich mich heute dazu entschliessen, im Bundesrat zu bleiben, da ich kein Amtsgeheimnis verletzt hatte. Allerdings spürte ich seinerzeit keine Unterstützung, weder von meinen Kollegen im Bundesrat noch von der Partei. Mir schien deshalb, ich hätte in der Politik nichts mehr verloren. Diese menschliche Enttäuschung war schwer zu tragen.

Sie standen im Kreuzfeuer der Kritik. Wie sieht Ihr Verhältnis zu den Medien aus, die Ihnen auch politischen Schaden zugefügt haben?
Ich würde sagen, dass ich diesbezüglich eine entspannte Einstellung habe. Es handelt sich nicht mehr um dieselben Journalisten, die seinerzeit tätig waren. Entsprechend kann ich die heutige Generation nicht bestrafen. Die rechtswidrige Abhörung unserer Telefongespräche, selbst jenes unserer Tochter, wurde vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als Persönlichkeitsverletzung verurteilt. Dieser richterliche Beschluss wurde ein sogenannter «Leading Case», und auch heute noch zitiert man diesen in der Rechtsprechung.

Ob Kritik oder nicht: Sie werden als erste Bundesrätin in die Geschichte eingehen.
Das ist für mich nicht so wichtig. Vielmehr bin ich froh, dass mit meiner Wahl der Bann endlich gebrochen wurde und man attestieren musste, dass auch Frauen fähig sind, höhere Ämter zu übernehmen. Vielleicht setzen sie andere Akzente, aber gerade aufgrund ihres anderen Erfahrungshintergrunds und ihrer manchmal unterschiedlichen Prioritäten sind sie dringend gefragt – in der Politik oder in der Geschäftswelt.

In der Politik sind Frauen nach wie vor untervertreten. Beispielsweise liegt der weibliche Anteil in der Bundesversammlung unter 30 Prozent. Woran liegt das?
Viele Frauen wählen lieber einen Beruf als die Politik. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt zudem noch immer eine Hürde dar. Andererseits haben die Frauen auch zahlreiche Wahlmöglichkeiten, die wir seinerzeit erkämpfen mussten. Im Rahmen des alten Eherechts hätte mir mein Mann verbieten können, den Beruf einer Bundesrätin auszuüben. Auch verfügen Frauen in der heutigen Zeit über zahlreiche Kommunikationskanäle, unter anderem Social Media. Das gilt auch für die Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die ihren Wahlkampf oft über digitale Netzwerke betreiben.

Sprechen Sie sich für eine Quotenregelung auf Kaderebene aus?
Nein. Wenn eine weibliche Kandidatin deswegen gewählt wird und der Aufgabe nicht gewachsen ist, lautet der Tenor: «Es war ja immer klar, dass Frauen dazu nicht in der Lage sind.» Aufgezwungene Vorgehensweisen lehne ich ab, und meine Geschlechtsgenossinnen sind in den letzten Jahren durchaus selbstsicherer geworden. Das trifft beispielsweise auf meine älteste Enkelin zu, die an der ETH Materialwissenschaften studiert, mit grossem Erfolg abgeschlossen hat und unbeirrt ihren Weg geht. Wenn wir uns zusammen unterhalten, kann sie sich kaum vorstellen, dass die Frauen zu Zeiten des alten Eherechts ihren Mann zuerst fragen mussten, ob sie einer Arbeit nachgehen dürfen.

Welche Eigenschaften muss man mitbringen, wenn man in die Politik einsteigen will?
Ich musste als Bundesrätin einiges aushalten, aber ich denke, dass Sensibilität dennoch zentral ist, dies jedoch, ohne dabei zugrunde zu gehen. Vor allem sollte man die eigene Persönlichkeit bewahren und durchaus den Mut aufbringen, Unpopuläres zu äussern. Als ich mich seinerzeit tatkräftig für den Umweltschutz eingesetzt hatte, wurde mir geraten, zu einer linken Partei zu wechseln. Ich liess mich dennoch nicht verunsichern. «Ob links oder rechts: Ihr atmet alle dieselbe Luft ein», pflegte ich jeweils zu entgegnen.

Welches war Ihr politisch grösster Erfolg?
Nebst dem neuen Eherecht auf Bundesebene führte auch meine Tätigkeit auf Gemeindeebene in Zumikon zu nachhaltigen Resultaten. Die unterirdische Führung von Bahn und Strasse im Zentrum ermöglichte einen verkehrsfreien Dorfplatz. Auch haben wir schon in den 70er-Jahren erneuerbare Energien eingeführt und zwar in Form eines revolutionären Projekts. Mittels einer Wärmepumpe wurde dem Abwasser Wärme entzogen und in Energie umgewandelt. Damit vermochte ein beträchtlicher Bevölkerungsteil mit Elektrizität versorgt zu werden. Man kann diesbezüglich von einer Pionierleistung sprechen, wenn man sieht, wie stark dieses Thema heute vielerorts bewegt.

Was bewegt Sie ganz persönlich?
Immer wieder die Begegnungen mit Menschen. Mit dem Alter setze ich mich weniger auseinander, da ich mich jünger fühle. Ich denke, das Alter bedeutet ein Stück weit Versöhnung mit dem eigenen Leben, auch mit den Ereignissen, die zu Prüfsteinen wurden.

 



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