08.12.2016

Viktor Giacobbo

«Ich hasse den Leim an der Oberlippe für den Schnauz»

Am Sonntag wird auf SRF 1 die 268. und letzte Folge von «Giacobbo/Müller» ausgestrahlt. Ein neunjähriges Erfolgsformat geht damit zu Ende: Die Satiresendung hatte im laufenden Jahr einen durchschnittlichen Marktanteil von 35 Prozent. Viktor Giacobbo über Adolf Hitler, Fredi Hinz und künstliche Brüste.
Viktor Giacobbo: «Ich hasse den Leim an der Oberlippe für den Schnauz»
Viktor Giacobbo: «Ich weiss noch nicht, was ich am ersten Sonntag nach der Sendung mache und welche Projekte ich zuerst in Angriff nehme.» (Bild: SRF/Nici Jost)
von Christian Beck

Herr Giacobbo, was bringt Sie zum Lachen?
Das gleiche, was alle anderen Leute auch zum Lachen bringt – nämlich, wenn man irgendeine Szene lustig findet. Ich glaube nicht, dass sich beim Lachen Komiker und Publikum gross unterscheiden.

Nach neun Jahren ist nun Schluss mit «Giacobbo/Müller». Vergeht Ihnen da das Lachen oder freuen Sie sich, dass es am Sonntag vorbei ist?
Weder noch. Ich werde am Sonntag auch lachen, wenn ich etwas lustig finde. Ich freue mich auch nicht, dass es vorbei ist, sondern ich freue mich, dass in meinem Leben neue Projekte möglich werden. Und ich freue mich, dass wir die Sendung zu dem Zeitpunkt abschliessen konnten, an dem wir es wollten – mit viel Zustimmung und einer nach wie vor sehr guten Quote.

Im Februar werden Sie 65 Jahre alt. Ist der Schluss von «Giacobbo/Müller» eine Art Frühpensionierung?
Das ist Zufall. In unserer Branche ist es ja nicht so, dass man zu einem bestimmten Zeitpunkt aus dem Arbeitsprozess befördert wird. Und vor allem nicht bei mir, da ich ja immer noch als selbstständiger Unternehmer unterwegs bin.

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Auf was können sich die Zuschauer am Sonntag gefasst machen?
Auf eine ganz normale Sendung. Wir machen keine spezielle Abschiedssendung – sie wird vielleicht ein wenig länger als normal. Und wir haben einen etwas speziellen Talkgast, nämlich Doris Leuthard, die Bundespräsidentin 2017.

Wie kam es dazu?
Wir haben sie eingeladen und sie hat zugesagt.

Trotz magistralem Gast «eine ganz normale Sendung» – das nehme ich Ihnen nicht ab.
Leider müssen Sie mir das glauben. Das haben wir uns von Beginn weg überlegt. Wir machen eine Wochenzusammenfassung wie immer. Und es gibt keine Selbstbeweihräucherung. Im Anschluss an die Sendung im Kaufleuten gibt es im anderen Saal ein Fest, zu dem wir viele ehemalige Talkgäste und Künstler erwarten. Aber dieses Fest geht nicht über den Sender.

Lassen wir die neun Jahre Revue passieren: Welches war Ihre persönliche Lieblingsfigur?
Ich habe keine. Ich konnte immer diejenige Figur hervorholen, die wir gerade für einen Sketch gebrauchen konnten – und wenn diese Figur bei dem Sketch am richtigen Ort war, spielte ich sie gerne. Eine kleine Ausnahme könnte Fredi Hinz sein – das ist einer, der zwar eine sehr direkte Art hat, aber kein Böser ist. Einer, der dem Teufel vom Karren gefallen ist oder einen Trip eingenommen hat, von dem er nie ganz zurückkehrte. Der passt in alle Situationen wie eine Faust aufs Auge. Und das macht die Komik dieser Figur aus.

Gab es auch eine Figur, die Sie weniger gern spielten?
Ja, mehrere. Bei Harry Hasler muss ich sehr viel kleben. Und am meisten hasse ich den Leim an der Oberlippe für den Schnauz. Auch bei Frauenrollen muss man Sachen anziehen, die man nicht unbedingt aus Vergnügen anzieht (lacht).

Und vom Charakter her?
Es gab Figuren, die mir vom Charakter her weit entfernt lagen. Wenn ich Adolf Hitler spielte, fühlte ich mich dieser Figur nicht besonders nahe. Aber das muss es in der Komik ja auch nicht sein. Im Gegenteil: Manchmal ist es gut, wenn man die eigene Figur, die man spielt, ein Arschloch findet – dann macht sie mehr Spass.

Sie spielten ja nicht nur Figuren, sondern übernahmen bei den Sketches gleich die ganze Produktion.
Im internationalen Vergleich produzierten wir tatsächlich sehr günstig. Die Moderatoren führten gleichzeitig Regie, schrieben die Nummern und parodierten die Figuren auch selbst. Bei den Sketchdrehs gab es weder Aufnahmeleiter noch einen Regisseur. Das gibt es in Deutschland in dieser Form nicht.

Der Aufnahmeleiter hatte auch während der Sendung eine andere Funktion als bei anderen Formaten.
Unser Aufnahmeleiter riss vorne nie den Applaus an – das war bei uns als einzige Sendung verboten. Wir verstärkten auch nicht den Applaus und das Lachen des Publikums. Bei uns hört man ein echtes Publikum live lachen. In den meisten Komiksendungen lacht das Publikum bei jeder Pointe gleich laut, weil der Mischpult-Regler raufgezogen wird. Das wollten wir nie.

«Giacobbo/Müller» hatte ja auch einen medienkritischen Aspekt. Wer schaut nun ab 2017 den Medien auf die Finger?
Tja, das weiss ich nicht. Ich selber werde den Medien auch weiterhin auf die Finger schauen – ich habe ja neue Projekte, einfach nicht mehr als wöchentliche Sendung. Wir sind ja jeweils selber ein wenig journalistisch vorgegangen in unserer Sendung. Eine gewisse Verwandtschaft mit dem Journalismus muss man haben, wenn man politische Satire macht.

Sie erwähnen die neuen Projekte. Gibt es da schon Spruchreifes?
Ganz sicher ist, dass wir in einem Jahr eine «Giacobbo/Müller on tour»-Bühnenshow machen – die startet im Casinotheater Winterthur und tourt danach durch die ganze Schweiz. Sicher ist auch, dass ich zwei Filme plane. Dazu kommen viele vage Pläne, die zwar attraktiv sind, aber noch nicht spruchreif.

Folglich werden Sie Mike Müller weiterhin sehen.
Ja, nicht nur beim Bühnenprogramm, vermutlich arbeiten wir auch bei den Filmen in irgend einer Form zusammen – und privat sowieso.

Und die übrigen Mitwirkenden? Da ist Ihnen sicher der eine oder andere ans Herz gewachsen in all den Jahren.
Ja, das stimmt. Das ist das einzige, was mich wahrscheinlich etwas sentimental werden lässt. Wir haben ein tolles Team, vor allem junge, kreative Leute, die ich vermissen werde, wenn ich sie nicht mehr regelmässig sehe.

Fünf Jahre nach «Viktors Programm» und «Viktors Spätprogramm» (1990 bis 2002) kehrten Sie an den Bildschirm zurück. Ich wette, Sie kommen auch diesmal zurück.
(lacht) Diese Wette werden Sie verlieren. Regelmässige Sendungen, die ich verantworte, sind nun vorbei. Das habe ich 25 Jahre lang gemacht – mit besagtem Unterbruch von fünf Jahren. Es ist möglich, dass ich in irgendeiner Form weiterhin mal zu einer einmaligen Gelegenheit am Fernsehen auftrete – vielleicht auch zusammen mit Mike Müller. Wir schliessen ja nicht mit dem Fernsehen ab, sondern hören nur mit unserer Sendung auf.



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