26.06.2016

Todesfall

New Yorks Lieblingsfotograf ist tot

Am Samstag ist Bill Cunningham im Alter von 87 Jahren nach einem Schlaganfall gestorben.
Todesfall: New Yorks Lieblingsfotograf ist tot
Bekannt für seine spektakulären Modefotos: Bill Cunningham (Bild: Keystone)

Er sah die Trends meist schon in den Strassen, bevor sie auf die Laufstege kamen. Seit mehr als 60 Jahren fotografierte Bill Cunningham Stars und unbekannte Menschen in New York. Jetzt ist er gestorben.

Widrige Umstände waren Bill Cunningham die liebsten. Bei Regen oder Schneefall knipste der Fotograf Menschen, die - trotz allem aussergewöhnlich gekleidet - in New York durch Pfützen wateten oder über Schneehaufen kletterten. So entstanden spektakuläre Modefotos voller Gegensätze und Bewegung, die Highlights seiner von vielen Design-Experten und Fans jede Woche aufs Neue mit Spannung erwarteten wöchentlichen Streetstyle-Fotokolumne in der Sonntagsausgabe der «New York Times».

Am Samstag ist Bill Cunningham im Alter von 87 Jahren nach einem Schlaganfall gestorben. Der schmächtige Mann, der sich stets nur in derber blauer Jacke und beigen Khaki-Hosen sehen liess, schwang sich bis ins hohe Alter so gut wie jeden Tag mit zwei Kameras um den Hals auf sein Fahrrad und fotografierte den Streetstyle der von ihm so sehr geliebten Millionenmetropole am Hudson.

Medienscheu und bescheiden

Zum 85. Geburtstag vor zwei Jahren widmete die New York Historical Society dem wohl wichtigsten Mode-Fotografen der Stadt eine Ausstellung. Rund 80 Schwarz- Weiss-Fotos waren zu sehen. Acht Jahre lang hatte der Fotograf an dieser Serie gearbeitet, mit der er die Geschichte der Mode dokumentieren wollte.

Mit seiner Nachbarin Editta Sherman hatte er die Gebrauchtwarenläden der Stadt nach alten Kleidern durchsucht, um Sherman dann vor New Yorker Gebäuden aus derselben Epoche posieren zu lassen. Das alles zu einer Zeit als die Millionenmetropole von Verfall, Bankrott, Graffiti und Müll geprägt war - aber Cunningham schuf inmitten alldem zeitlose Schönheit. Cunningham war bei der Eröffnung der Ausstellung nirgends zu sehen.

Der Fotograf galt als äusserst zurückhaltend, bescheiden und medienscheu. Nur einmal hat er einen Dokumentarfilmer für das preisgekrönte Porträt "Bill Cunningham's New York" an sich herangelassen, ansonsten hielt er sich aus der Öffentlichkeit heraus. Dutzende Superstars hatte er vor der Kamera und bei allen grossen Modenschauen der Welt fotografiert, aber er selbst mied den Mittelpunkt. Seine Lieblingsbühnen waren die Strassenschluchten von Manhattan und seine Lieblingsmodels ganz normale Menschen im Alltag - nur die Kleidung musste besonders sein.

«Geld ist das billigste Gut»

Der 1929 in Boston geborene Cunningham gilt als Urvater aller Streetstyle- Blogs, allerdings fotografierte er analog und mied das Internet. Seit er vor mehr als 60 Jahren Armee-Einsatz im Zweiten Weltkrieg nach New York kam, zog er mit seinen Kameras durch die Strassen: Schleifen, hohe Krägen, breite Mäntel, lange Röcke - Cunningham erkannte die Trends meist schon bevor sie auf die Laufstege kamen. In den frühen 70er Jahren soll er der Legende nach einen ganz besonderen Mantel fotografiert haben - und erst nach der Entwicklung der Bilder fiel ihm auf, dass darin Hollywood-Star Greta Garbo steckte. «Ich sehe eben nur die Kleider.»

60 Jahre lang lebte Cunningham in einem kleinen Zimmer ohne Bad und Küche, aber voller Aktenschränke mit seinen Bildern darin. Auf Society-Parties, die er ebenfalls in einer Kolumne für die «New York Times» dokumentierte, nahm er von den Veranstaltern noch nicht einmal ein Glas Wasser an. "Geld ist das billigste Gut und Freiheit das teuerste", sagte er im Dokumentarfilm. (Christina Horsten, dpa)



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