14.12.2017

Private Banking

«Wir wissen, dass wir provokative Thesen aufstellen»

«Belanglos» und «unrealistisch», so lauten die Vorwürfe gegen den SRF-Zweiteiler «Private Banking». Regisseurin Bettina Oberli und Co-Autor Thomas Ritter nehmen kurz vor der Erstausstrahlung im persoenlich.com-Interview Stellung dazu.
Private Banking: «Wir wissen, dass wir provokative Thesen aufstellen»
Erzählen in «Private Banking» über den Wandel im Schweizer Finanzsystem: Co-Autor Thomas Ritter und Regisseurin Bettina Oberli. (Bilder: SRF/Oscar Alessio)
von Christian Beck

Frau Oberli, Herr Ritter, am Sonntag und Montag wird der Zweiteiler «Private Banking» ausgestrahlt (persoenlich.com berichtete). Ursprünglich wäre eine mehrteilige Serie geplant gewesen. Hat der Stoff nicht für mehr gereicht?
Thomas Ritter: Der Zweiteiler hat sich als ideales Format erwiesen, um unsere Godfather-Story zu entwickeln. Es gibt den Aufstieg und den Fall unserer Hauptfigur, zwei grundverschiedene Teile. Wir haben grossen Spass daran gefunden für dieses Format zu schreiben und finden es sehr geeignet, die Geschichte über 180 Minuten zu entfalten.

Bettina Oberli: Eigentlich ist es ein einziger langer Spielfilm, deswegen muss man auch beide Teile sehen. Ansonsten ist es so, als würde man bei der Champions League nach der Pause den Fernseher ausschalten.

Wie kamen Sie überhaupt auf dieses Filmthema?
Oberli: Das Privatbankengeschäft ist ein Beziehungsgeschäft. Dort konnten wir anknüpfen und eine emotionale Geschichte bauen, die den Zuschauer mitnimmt in diese auf den ersten Blick nüchterne und trockene Welt. Wir hatten Lust etwas über ein Geschäft zu erzählen, das so typisch für unser Land ist und in aller Diskretion stattfindet.

Ritter: Das Thema liegt in der Luft. Mit dem automatischen Informationsaustausch fällt gewissermassen die Guillotine. Deshalb ist der Zeitpunkt ganz bewusst gewählt. Dass das SRF uns «Private Banking» genauso hat machen lassen, wie wir uns das vorgestellt hatten, war ein Geschenk. Wir wissen, dass wir provokative Thesen aufstellen und sind gespannt auf die Diskussionen, die «Private Banking» auslösen wird.

Diskussionsstoff gibt es genug: Vom Schwarzgeld-Business über Geldwäscherei bis zu Offshore-Konstrukten, kein Thema wird ausgelassen. Woher kamen die Ideen?
Oberli: Wir haben erst mal vor allem viel Zeitung gelesen und recherchiert: Banker, Juristinnen, Wirtschaftsjournalisten und Expertinnen haben uns in Gesprächen haufenweise spannendes Material geliefert.

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«Die Macher ziehen das alte Private Banking durch den Kakao», meint ein Banker in der «Handelszeitung». Die Zeiten hätten sich geändert…

Ritter: Unser Film spannt einen Bogen aus der Vergangenheit in die Jetzt-Zeit. Es ist natürlich gewollt, auch vergangene Praktiken darzustellen. Dass in Zukunft alles anders wird? Den Beweis haben die Banken zu erbringen.

In der «Handelszeitung» wird auch von mehreren handwerklichen Mängeln gesprochen. Sind gewisse Szenen bewusst unrealistisch, weil so dramaturgischer?
Ritter: «Private Banking» ist ein Spielfilm, kein Dokumentarfilm. Wir verpflichten uns einer künstlerischen Wahrheit und nicht der akkuraten Abbildung einer konkreten Bank. Das weiss die «Handelszeitung» vielleicht nicht: Das Bild einer Kuh ist nicht die Kuh. Spannend ist ausserdem, dass der Vorwurf von einem ehemaligen Exponenten der Falcon Private Bank kommt, von der im vergangenen Herbst bekannt geworden war, dass sie Milliarden von Dollar transferiert hatte, die mutmasslich aus dem malaysischen Staatsfonds 1MDB veruntreut worden waren. Strippenzieher waren Falcon-Verwaltungsräte. Finews.ch schreibt dazu, dass fehlende Compliance und zu schlanke Strukturen zum Skandal geführt hätten. Als unrealistisch kritisiert der Ex-Falcon-Banker an unserem Film ausgerechnet diese fehlende Compliance und die zu schlanke Struktur. Er hätte wohl besser daran getan, sich damals seine Bank so genau anzuschauen wie jetzt unseren Film.

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Auch das Westschweizer Fernsehen thematisiert die Bankenwelt und startete im November die Serie «Quartier des banques». Haben Sie bereits reingeschaut?
Oberli: Klar, und es ist sehr gut gemacht. Die Ereignisse um 2012 wurden von unseren Kollegen genau recherchiert und spannend umgesetzt. Es wird erzählt, wie es zur Krise und heutigen Situation gekommen ist. «Private Banking» erzählt die Jetzt-Zeit und davon, wie es weitergehen könnte. Darin unterscheiden sich die beiden Projekte, auch wenn die Ausgangslage ähnlich ist. 

Ritter: Die grösste Herausforderung für uns war, über bekannte Fakten hinaus Thesen zu entwickeln, die sich so oder ähnlich bewahrheiten könnten. Damit lassen wir uns natürlich auf die Äste hinaus.

«Quartier des banques» ist laut der «Weltwoche» brillant, «Private Banking» hingegen sei provinziell, oberflächlich, belanglos (Artikel kostenpflichtig).
Ritter: Der Journalist hat unsere Filme wohl auch oberflächlich oder nicht zu Ende angeschaut, denn bei uns sind zum Beispiel nicht alle Frauen gut und alle Männer schlecht, wie er behauptet.

Oberli: Im Verlauf der Arbeit zu diesem Thema haben wir bestimmte Haltungen entwickelt, die vielleicht nicht der Haltung eines «Weltwoche»-Journalisten entsprechen. Wie gesagt, «Private Banking» ist Fiktion, und das ist auch unsere Aufgabe als Spielfilmemacher. Es ist ein künstlerisches Angebot zu einer relevanten Debatte.

«Quartier des banques» handelt in Genf, «Private Banking» in der Stadt Zürich. Wollten Sie einen Gegenpol setzen zu all den heimatlichen Sendungen auf SRF?
Oberli: Das war nicht die Ausgangslage. Dass ein Film zu diesem Thema in Zürich spielt ist logisch. Und dass wir dadurch Zürich mal so richtig abfilmen und die Welt der Privatbanken dadurch authentisch darstellen konnten, war natürlich sehr reizvoll.


Drei Jahre wurde an der Entwicklung der Drehbücher gearbeitet. Sind Sie froh, dass das Projekt nun abgeschlossen ist?
Ritter: Nein! Wir sind sogar sehr traurig darüber.

Werden Sie Ihren eigenen Zweiteiler auch ansehen?
Oberli: Ja, natürlich. Wir machen ein Open House Screening und laden alle Beteiligten, Freunde und Familien dazu ein.

Und weshalb sollten unsere Leser «Private Banking» anschauen?
Oberli: «Private Banking» führt uns über stark und emotional gespielte Figuren mitten in eine diskrete Welt, über die wir fast täglich in den Zeitungen lesen aber doch wenig wissen, und diese Welt ist nicht staubtrocken, sondern spannend und unterhaltsam, es menschelt darin gewaltig, es geht um Macht und Gier und Liebe und Familie und hat mit uns allen zu tun.

Ritter: Aber wir wollen nicht nur unterhalten, wir möchten auch den einen oder anderen Gedanken in Gang setzen – und das spricht hoffentlich viele Leute an.


«Private Banking» wird am Sonntag, 17. Dezember, um 20.05 Uhr und am Montag, 18. Dezember 2017, um 20 Uhr auf SRF 1 ausgestrahlt.

Weitere Sendungen auf SRF 1 rund um das Thema Private Banking: Sonntag, 17. Dezember, 18.15 Uhr: «G&G Weekend»: «Ich und Du» mit Joel Basman und Marc Benjamin; Montag, 18. Dezember, 22.25 Uhr: «Eco Spezial»: Private Banking – Die Party ist zu Ende; Montag, 18. Dezember, 22.55 Uhr: «Eco Talk»: Schafft der Finanzplatz den Aufbruch?; Dienstag, 19. Dezember, 22.25 Uhr: «Literaturclub»: Nicola Steiner, Milo Rau, Thomas Strässle und Stephanie Japp.



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Kommentare

  • Kurt Heller, 16.12.2017 15:57 Uhr
    Komisch, dass diese Kommentierer den Film begutachten, bevor er überhaupt gesendet wurde. Vorurteile?
  • michael wolf, 15.12.2017 15:59 Uhr
    soll das quasi der finale Todesstoss sein für diese Branche, der die Schweiz ihr Qualitätsimage verdankt? Oder ist es schon Leichenfledderei? Vermutlich eher, die Branche schrumpft rasant (und der Komfort der Steuergelder für alle schwindet rasch). Dafür liefern wir jetzt vertrauliche Kundendaten ab 2018 an gleich 80 Länder, darunter die korruptesten der Welt.
  • Oliver Brunner, 15.12.2017 15:52 Uhr
    Dieser Film ist tatsächlich ein Grund für No Billag zu stimmen. Wieso bekommen immer die gleichen Nasen um ein Film zu machen, der voll von Clichees ist. Wieso versucht man den Leuten nicht die wahren Gründe für Finanzkrise und Steuerstreit mit den USA, der das Bankgeheimnis kostete, näher zu bringen. Aha, das hätte Recherchen und Kenntnisse erfordert, nicht nur Vorurteile.
  • Nico Herger, 15.12.2017 13:59 Uhr
    Jetzt fehlt noch der Bankerfilm der TSI über den Finanzplatz Lugano. Geld ist ja - noch - genug da für unterbeschäftigte Filmemacher. Und die Rätoromanen stehen in den Startlöchern für eine Doku über Raiffeisen-Vinzenz. Alles für den nationalen Zusammenhalt natürlich.
  • Chris Heyduk, 15.12.2017 09:41 Uhr
    Was mir wieder auffällt: Weshalb kriegen CH-Produktionen keine anständigen, natürlich gesprochenen Dialoge hin? Das hört sich wieder grausig hölzern an.
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