12.12.2001

MAUCHER HELMUT, ex VR-Präsident von Nestlé/Dezember 2001

Helmut Maucher hat seine Karriere beim Nahrungsmittelmulti Nestlé als Lehrling gestartet. Jahrzehnte später, im Mai 2000, beendete er die aktive Laufbahn als Verwaltungsratspräsident. In den Jahren dazwischen sorgte er dafür, dass Nestlé die Welt für sich eroberte und dass sich der Konzernumsatz von ursprünglich 26 Milliarden auf über 80 Milliarden mehr als verdreifachte. Im “persönlich”-Interview spricht Helmut Maucher über Unternehmenskultur, Firmen-Identität, Leadership-Prinzipien, Macht und die Rolle, die die Schweiz in einer globalisierten Welt spielen könnte. Interview: Oliver Prange

Je grösser eine Firma ist, desto grösser ist die Gefahr, dass sie an Identität verliert, sowohl bei den Mitarbeitern wie auch bei den Kunden. Und Nestlé mit weltweit 230000 Mitarbeitenden ist eine grosse Firma. Was kann ein Weltkonzern tun, um seine Identität zu bewahren?

“Wer meint, ein grosser Weltkonzern könne nicht gemanagt werden, liegt falsch. Jede Grössenordnung kann gemanagt werden. Entscheidend dafür sind die Organisationsstruktur, die Mentalität, der Führungsstil. Ich habe immer gesagt: Ich möchte nicht, dass Nestlé eine Société Anonyme ist. Zugegeben: Bei Nestlé hatten wir es im Prinzip etwas leichter, unsere Identität zu bewahren, weil wir in der grossen Zeit der Diversifikation im Food und Drink geblieben sind und nicht angefangen haben, Fahrradfabriken aufzukaufen. Wenn eine Firma auf ihrem angestammten Gebiet bleibt, bleibt auch ihr Profil automatisch klarer.”

Welche ersten Massnahmen haben Sie im Marketing getroffen?

“Als ich 1980/81 die Leitung der Firma übernahm, war eine meiner ersten Entscheidungen, das Logo mit dem Nestlé-Nest zu reaktivieren. Die Product Manager und die Marketingleute meinten damals, man müsse den alten Klimbim endlich beseitigen. Sie haben nicht gesehen, was für ein fantastisches emotionales Zeichen dieses Nest ist, wo ein Vogel seine Jungen füttert. Henri Nestlé, der 1867 unsere Firma gründete, hat das Wort Marketing in seinem ganzen Leben nie gehört und trotzdem gewusst, was Marketing ist. Er wurde einmal von Franzosen gefragt, warum er nicht das Schweizer Kreuz auf seine Produkte setze. Er antwortete, das Schweizer Kreuz könne jeder drauf tun, ein Nest nicht. Er hat also auch vom Branding etwas verstanden, ohne dieses Wort jemals gehört zu haben. Ich habe dieses Logo reaktiviert, weil ich mir gesagt habe: Was gibt es Besseres, als diesem multinationalen Unternehmen, das ja abstrakt ist, anonym, teilweise technokratisch, wieder ein emotionales Element zu geben. Heute sind alle froh darüber. Damit konnten neue Identitäten um den Namen Nestlé herum geschaffen werden. Und es ist ein Logo, das in seiner Emotionalität auf der ganzen Welt verstanden wird.”

Nestlé hat ja eine ganz spezielle Ausstrahlung. Sie sprechen oft und gerne vom Nestlé-Esprit, vom Nestlé-Virus. Es heisst aber auch, wer zu Nestlé gehe, begebe sich in eine Art Bruderschaft. Macht es Sinn für ein Unternehmen, eine Art verschworenen Clan zu bilden?

“Es gibt Leute, die haben über mich die unmöglichsten Dinge gesagt. Zum Beispiel, der Maucher sei ein Bruderschafts-Diktator. Das stimmt natürlich nicht. Doch als Chef muss man dafür sorgen, dass sich die Mitarbeitenden einer Firma an die Unternehmenskultur halten. Bevor ich letztes Jahr bei Nestlé von Bord ging, habe ich die Nestlé-Management-Leadership-Prinzipien zu Papier gebracht. Ich habe sie mit dem Management diskutiert. Und heute ist dieses Papier die Bibel, nach der die Nestlé-Kultur und andere Führungsprinzipien gestaltet werden.”



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