12.06.2018

Cannes Lions 2018

«Löwenanteil geht immer noch an die USA»

Wenn sich die internationale Kreativszene nächste Woche in Südfrankreich trifft, wird er nicht fehlen: Michael Conrad. Gegenüber persoenlich.com kritisiert der früher international tätige Top-Werber den Usus, Werke in mehreren Kategorien einzureichen. Zudem nennt er seine Lion-Favoriten.
Cannes Lions 2018: «Löwenanteil geht immer noch an die USA»
Seit 1982 ist Michael Conrad regelmässig an den Cannes Lions, «mit ganz wenigen Ausnahmen», wie er sagt. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Conrad*, gehen Sie dieses Jahr wieder zu den Cannes Lions?
Ja. Wir haben dort unser jährliches Berlin School «Cannes Creative Leaders Programme» – dieses Mal fokussiert auf Architektur für eine gesunde, produktive, erstklassige Kunden/Agentur Beziehung.

Wie hat sich das Festival in den letzten 65 Jahren verändert?
Nun, von einem Kinofilm-Werbefestival als Beginn mit wechselnden Locations (Venedig/Cannes) hin zum jetzigen multimedialen Kreativ-Festival. Und als ganz wesentliche Veränderung: Das Festival hat sich vom intensiven Studieren der Arbeiten zu einer intensiven On-Stage-Speeker-Show entwickelt. 

Viele Schweizer Werbetreibende gehen nicht mehr nach Cannes, weil es zu teuer und auch zu unübersichtlich geworden sei. Teilen Sie diesen Eindruck?
Cannes ist vollgepackt, ja. Unübersichtlich kann man es vielleicht nennen. Aber, wenn man die Agenda fokussiert, hat das Festival für Kreative vor allem aber auch für Werbetreibende volle Relevanz.

Gibt es mittlerweile nicht zu viele Kategorien?
Ja, es gibt vielleicht zu viele Kategorien, aber auch jede Menge Aspekte. Allerdings ein Werbestück in fünf/sechs/sieben Kategorien einzuschicken, um für fünf/sechs/sieben Löwen kandidieren zu können, drängt das Festival in ein Geschäft und inflationiert den Wert des Löwen. Als ich 1996 die damals zwei Juries leitete, hatten wir leicht über 70 Löwen in TV/Film und leicht über 100 Löwen in Print/Outdoor. Wieviel Löwen hat es heute? 1000? 2000? Ist die Qualität um so vieles besser? Wohl nicht.

Ist der Film immer noch die Königskategorie?
Ich denke nicht. Werbung in klassischen Medien und sogenannte Content Kommunikation ordnen sich irgendwie unter eine Überkategorie, die man Idee und Buzz im Markt nennen kann. TV und Film haben nicht an Attraktivität und Möglichkeit verloren, wie diese diesjährigen Superbowl-Commercials zeigen: M&M, E-Trade, Tide, Alexa von Amazon, Doritos & Mountain Dew und Tourism Austr5alia. Diese sechs Commercials hatten etwa 30.000.000 Likes auf Youtube. Zwei Daumen hoch auf TV Werbung, richtig?

Welche Trends erkennen Sie in der Werbung für dieses Jahr?
Der eine Trend der «Acts vs. Ads» nimmt weiterhin zu. Beispiele dazu sind folgende: 

KFC «FCK»:

Edeka: 

Skittles: 

Ikea: 

Burger King: 

Der andere Trend ist technologiegetrieben. Diese Video zeigen das:

Snaptivity: 

Pedigree Selfiestix: 

The Times, JFK «Unsilenced»: 

Welches Land macht momentan die beste Werbung?
Es gibt kaum ein Land heute, dass nicht mit einer hervorragenden Idee und einer konsequenten, attraktiven Ausführung punkten kann. Der «Löwenanteil» geht immer noch an die USA. 

Welche Chancen haben die Schweizer Kreativen für einen Löwen?
Bei 13/14 ADC Gold und Silber in 2018 sollte für die Schweiz was drin sein.

Wenn man der Croisette entlangläuft, hat es mittlerweile sehr viele Digitalfirmen. Spielt Print überhaupt noch eine Rolle?
Ich denke, klassische Medien erleben eine Wiedergeburt. Eine Agentur wie Ruf Lanz hat gerade am 7. Juni 2018 auf den ersten Seiten der NZZ wieder vorgelebt, wie frisch, überraschend und überzeugend Print sein kann. Dazu gehört natürlich auch, die Fähigkeit, mit Print umzugehen. Zeit, wieder Vergessenes zu lernen. Es sind nicht die Print-Medien, die an Werbekraft verloren haben, sondern die Anzeigen-Macher.

Was war für Sie als einer der ganz grossen Werber überhaupt das grösste Cannes-Lions-Erlebnis?
Im Bezug auf das Geschäftliche: P&G zu überzeugen, von Cannes zu lernen. Wir motivierten Jim Stengel 2002 mit etwa 30 Kollegen am Festival teilzunehmen. Am Ende arbeiten wir für die Zukunft unserer Kunden. Und was das private Highlight angeht, war es das: Mit meiner Frau zur Abschlussgala 1996 bei Feuerwerk und Walzer ganz allein auf dem Dach des «Palm Beach Casinos» zu tanzen (danke Roger Hatchuel).

*Michael Conrad hat die Fragen schriftlich beantwortet. 



persoenlich.com berichtet vor Ort über das Festival, das vom 18. bis 22. Juni dauert. Alle Berichte und Interviews zu den Cannes Lions 2018 finden Sie laufend ergänzt in dieser Übersicht.



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