04.09.2017

Wirz Storyline

«Wir wollen keine ausrangierten Journalisten»

Die Zürcher Kommunikationsagentur Wirz hat für Ikea ein Schlafkonzert realisiert. Massgeblich beteiligt war dabei die Abteilung Storyline. Chef dieser Abteilung ist Adrian Schräder, der seit Jahren als Kulturjournalist arbeitet, vor allem für den «Tages-Anzeiger». CEO Petra Dreyfus erklärt die Hintergründe.
Wirz Storyline: «Wir wollen keine ausrangierten Journalisten»
Seit April 2017 ist sie Co-CEO von Wirz: Petra Dreyfus. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Frau Dreyfus, mehr und mehr früher klassische Werbeagenturen setzen auf PR oder Content Marketing. Wo sehen Sie hier einen Markt?
Die grundsätzliche Frage in der Kommunikation ist ja, wie man die Menschen erreicht. Das ist in den letzten Jahren ganz sicher komplexer geworden. Im Gegensatz zu früher, sind unsere Kampagnen heute im Aufbau und in der Funktionsweise alle unterschiedlich und ganz genau auf das jeweilige Produkt und die Zielgruppe abgestimmt. Sie bestehen aus einem Mix aus digitaler und klassischer Kommunikation, PR, Social Media, Integration von Blogger/Influencer und weiteren «Content»-Massnahmen.

Welchen Stellenwert hat «earned space»?
Einen hohen. Wer heute keine Inhalte erstellt, die gerne konsumiert und vor allem kommentiert und geteilt werden, hat verloren. Zum Glück haben die Storyliner das mit ihrem journalistischen Background im Blut.

Zum Ihrem neusten Case Ikea und Max Richter: Wie haben Sie es geschafft, dass sogar die «Tagesschau» über diese Aktion berichtete (vgl. persoenlich.com)?
Wir haben Hochkultur und Schlafkultur zusammengebracht. Das ist in erster Linie eine gute Idee. Eine gute, einzigartige Geschichte, die man gerne weitererzählt. Davon zeugen dutzende Berichte, bis eben zur Tagesschau.

Was bringt dieser 3-Minuten-Beitrag dem Kunden, wenn Ikea nicht einmal erwähnt wird darin?
Sehr viel. Die Schweiz hat die neue Bettenkollektion von Ikea gesehen. Aber nicht nur die Tagesschau hat darüber berichtet, sondern auch die wichtigsten Printmedien, Online-Portale und Radios. So konnte man von «Tages-Anzeiger» bis Vice überall lesen, welches Möbelhaus hinter der Aktion stand.

Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis, wenn acht Musiker acht Stunden lang für maximal 100 Leute spielen, die dann sicher nicht alle neue Möbel bestellen. 
Das macht doch einen grossen Teil des Charmes dieses Events aus: Kunst ist nicht rational. Max Richter hat ein Schlafkonzert von acht Stunden Länge komponiert. Allein das ist ja schon mehr als ein bisschen verrückt. Wir haben dieses Werk dann in perfekter Harmonie mit Ikea und deren Schlafkampagne zusammengebracht. Niemand wurde unter falschen Vorwänden irgendwohin gelockt. Es war einfach nur ein einzigartiger Event, dank Richter und dank Ikea. Darum haben Dutzende von Medien darüber berichtet. Zielpublikum waren ja nicht die hundert Leute im Saal. Sondern die rund 3.5 Millionen Menschen, die über die mediale Verbreitung mit der Aktion in Kontakt kamen.


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Nun gründen Sie eine die Abteilung «Storyline» mit Adrian Schräder (vgl. Bild oben) als Leiter und Michèle Roten als Autorin: Wer ist sonst noch im Team?
Wie schon gesagt, setzt sich Storyline interdiszplinär zusammen. Im Kern umfasst die Abteilung derzeit vier Journalisten und Social-Media-Experten, dazu kommen Strategen und weitere Fachleute aus dem digitalen Bereich.

Adrian Schräder schreibt daneben regelmässig für den «Tages-Anzeiger». Ist seine Nähe zur Redaktion ein Vorteil für Wirz?
Adrian Schräder ist neben seiner Tätigkeit für Wirz seit über zwanzig Jahren freischaffender Kulturjournalist. Seine Erfahrungen in den Medien und seine Fähigkeiten als Autor sind ein riesiger Gewinn für die Agentur und unsere Kunden. Wir wollen keine ausrangierten Journalisten, die ihre Instinkte längst verloren haben. Direkt mit Musikjournalismus und der Kulturredaktion des «Tages-Anzeigers» hat seine Tätigkeit bei Wirz allerdings überhaupt nichts zu tun. Mal abgesehen davon, dass er unseren verhinderten Rockstar Livio Dainese immer wieder mal von seinem seltsamen Musikgeschmack abzubringen versucht. Bisher leider erfolglos.

Kürzlich sorgte ein missglücktes Content-Marketing-Beispiel für Ikea im «Tages-Anzeiger» für Aufsehen. Inwiefern war Wirz hier involviert?
Auf diese Frage kann ich nicht eingehen, da diese Arbeit nicht von uns stammt.

«Geschichten schärfen, die wirklich Mediengeschichten sind», lautet nach Eigendeklaration der Auftrag an Storyline. Was ist denn Ihrer Ansicht nach tatsächlich eine Mediengeschichte...
Da gebe ich Ihnen ein Beispiel: Das Schlafkonzert von Max Richter und Ikea. Ein Weltstar und eine Weltmarke spannen zusammen, um etwas ganz Aussergewöhnliches zu kreieren.

... und was ist mit Sicherheit keine Mediengeschichte?
Eine normale Produktnews ohne Inszenierung.

Welchen Stellenwert wird Storyline in drei Jahren innerhalb der Wirz-Gruppe haben?
Storyline ist der Kreation von Wirz angegliedert. Die Abteilung ist schon heute fester Bestandteil der Agenturstruktur. In drei Jahren wird sie noch deutlich mehr Platz darin einnehmen, so viel ist klar. Wahrscheinlich wird Adrian bis dann auch ein DJ-Pult in unserer Kreation installiert haben.

*Petra Dreyfus hat die Fragen schriftlich beantwortet


Wirz Storyline beliefert laut eigenen Angaben Kunden wie die Migros, melectronics, die Suva, den WWF, Smart, Mercedes Benz oder Zürich Tourismus mit Content und PR-Ideen. In einer Mitteilung betont Wirz: «Es geht nicht darum, Werbebotschaften unter falschen Vorzeichen in die Medien zu bringen. Es geht vielmehr um das genaue Gegenteil: Storyline erarbeitet, schärft und verbreitet Geschichten, die eben wirklich Mediengeschichten sind.»



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