12.10.2017

Hanspeter Schweizer

«Wirz ist ein grosser Rummelplatz!»

Im September räumte Creative Director und Wirz-Partner Hanspeter Schweizer seinen Schreibtisch: Er ist pensioniert. Ein Beispiel von unglaublicher Treue – und das Ende einer Ära. «persönlich» hat sich mit dem Zürcher Kreativen über drei Jahrzehnte bei Wirz unterhalten.
Hanspeter Schweizer: «Wirz ist ein grosser Rummelplatz!»
30 Jahre lang arbeitet er für Wirz: Hanspeter Schweizer. (Bild: zVg.)
von Matthias Ackeret

Herr Schweizer, Sie verlassen nun nach 
genau dreissig Jahren Wirz. Wie steht es um Ihre momentane Befindlichkeit?

In einem früheren Interview wurde ich einmal gefragt, ob man in der Werbung alt werden könne, und ich habe verneint. Man kann in der Werbung nicht alt werden. Man kann in ihr nur jung bleiben – und genau so fühle ich mich zurzeit. Aber fragen Sie mich morgen wieder...

Was war Ihr persönlicher Höhepunkt in
 der Wirz-Zeit?

Ich schaue lieber nach vorn als zurück. Das Schönste an der Wirz-Zeit sind aber wohl die vielen Menschen, die ich kennengelernt habe: in der Agentur selber, bei den Auftraggebern und bei Partnern wie Filmproduzenten, Fotografen, Illustratoren und vielen mehr.

Welches waren, rückblickend gesehen,
 die besten Kampagnen, an denen Sie mitgearbeitet haben?

Die Machismo-Kampagne für IWC – weil sie den Luxusuhrenmarkt nachhaltig bewegt hat. Die 27 TV-Spots mit Familie Felix für Migros – weil sie das «building the brand while making the sale» in perfekter Ausgewogenheit geschafft haben. Und die Nano- Mania, ebenfalls für Migros – weil sie bewiesen hat, dass eine Promotion nicht die blödeste sein muss, um die erfolgreichste zu werden.

Bildschirmfoto 2017-10-11 um 13.56.47

Dreissig Jahre am gleichen Ort ist doch aussergewöhnlich. Hatten Sie nie das Bedürfnis nach klimatischer Veränderung?
Wäre ich Chuck Norris, würde ich sagen: Nicht ich verlasse Wirz. Wirz verlässt mich. Denn klar setzt sich dem Verdacht der bedingungslosen Identifikation aus, wer einem Unternehmen so lange die Stange gehalten hat. Dem war aber nicht so, zumindest nicht fortwährend. Aber jedes Mal, wenn ich die Hucke wieder voll hatte und fand, dass sich etwas ändern müsse oder ich gehen würde, hat sich etwas geändert, und ich musste einmal mehr an den italienischen Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa denken: «Wenn du willst, das etwas so bleibt, wie es ist, dann musst du es verändern.» Um es zu verändern, muss man aber bleiben. – Und schwupp sind daraus dreissig Jahre geworden.

Was hat Sie bei Wirz gehalten?
Diese ominöse Mischung aus kokettem «Herrrrreinspaziert!» und sachlichem «Bitte zurücktreten, die Türen schliessen automatisch». Wirz ist ein grosser Rummelplatz, der alles kennt und das meiste selber schon war: Ponyhof, Geisterbahn, Achterbahn, Alpenexpress und Flugsimulator (die Reihenfolge ist willkürlich und eine Übereinstimmung mit der Wirklichkeit reiner Zufall). Aber eben ein stockseriöser Rummelplatz. Einer, auf den man seine Kinder bedenkenlos alleine gehen lassen darf als Unternehmer oder Marketingleiter.

Dieses mal Nach-, mal Nebeneinander unterschiedlichster Aggregatszustände und Protagonisten – beseelte Zukunftspropheten, gnadenlose Wahr-, aber auch mal Unwahrsager, spirituelle Handaufleger und geniale Zuckerwatteverkäufer, aber keine einzige Schiessbudenfigur – hat mir den Verbleib bei Wirz äusserst kurzweilig gestaltet, und ich bin überzeugt, das ist das ungeschriebene Erfolgsrezept dieser Agentur: dass sie imstande ist, sich immer wieder zu erneuern und dennoch Wirz zu bleiben.

Wie hat sich die Werbung in den letzten drei Jahrzehnten verändert?

Sie ist vielfältiger geworden, aber auch einfältiger. Vielfältiger, was Kanäle und Mechanismen betrifft; einfältiger punkto Inhalt und Zuspitzungsgrad ihrer Botschaften.

Was sind die auffälligsten Unterschiede 
zu früher?

Zu den traditionellen Bahnen auf dem Rummelplatz der Werbung sind ein paar aufregend neue – virtuelle – hinzugekommen. Der Unterhalt der Anlagen ist aufwendig geblieben. Leider hat das Sicherheitsbedürfnis der Fahrgäste zugenommen, und so dreht man mehr Test- und Extrarunden als früher. Dabei wollen sie den ganzen Spass haben, aber immer weniger zahlen für eine Fahrt.

Werden Sie nochmals ein Comeback 
in der Werbung geben?

Keine Frage, klar. Das mit dem Weingut ist noch nicht abgehakt... Aber im Ernst, es ist ja kein Comeback, sondern mehr ein Weitermachen, wenn ich nun als Einzelfirma (schweizertext.ch) an den Start gehe und meine Dienste Agenturen, Filmproduktionen und Auftraggebern anbiete – und sei es nur, um mir als Freelance-Kreativer und Consultant die besten Gewächse von den Gütern meiner Kollegen leisten zu können. Und ab und zu einen Cervelat.

 



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Kommentare

  • Beat Ruch , 18.10.2017 15:03 Uhr
    Lieber Hanspeter. Thanks für die tolle Zusammenarbeit während meiner wilden Jahre bei sunrise. Wünsche dir von Herzen alles Gute! Viele Grüße von Beat
  • Jean Etienne Aebi, 12.10.2017 20:21 Uhr
    Wäre ich in der Werbung noch dabei, würde ich nichts lieber als schweizertext.ch noch heute das erste Briefing mailen. So oder so: bleib bei di Lampedusa (i.Ü. ein exzellentes Rezept auch ausserhalb der Werbewelt). Viel Freude und Erfolg, Hanspi – wenn's einer verdient hat, dann du.
  • Rita Kovacs, 12.10.2017 13:33 Uhr
    Hanspi, ich wünsch dir viel Rummel auf deinem neuen Spielplatz.
  • Markus Gabriel, 12.10.2017 11:08 Uhr
    Zu meiner Zeit verglich ein anderer Schweizer den Wirz mit einem schwerfälligen Dampfer samt übel riechender Kombüse. Dass er nun ein Rummelplatz ist, auf den man seine Kinder allein hinschicken kann, ist sehr beruhigend: Nächsten Monat fängt meine Tochter dort als Grafikerin an. Dir alles Gute im Nichtruhestand ;-)
  • Sven Oeschger, 12.10.2017 08:25 Uhr
    War stets ein Vergnügen mit dir, Hanspi. Alles Gute!
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