02.04.2001

"Es gibt Momente, in denen ich schon tief durchatmen muss"

Die bisherige Expo-Gesamtinszenierung ist dramaturgisch kaum zu überbieten. Die Geschichte erzählt von euphorischen Höhenflügen und von tiefen Abstürzen, vom Scheitern einzelner Verantwortlicher an zu hoch gesteckten Zielen und von enttäuschten Erwartungen potenzieller Sponsoren. Doch eines steht fest: Die Expo.02 findet statt. Martin Heller (Bild), Directeur artistique, sagt im "persönlich", das diese Woche erscheint, wie er dieses Wechselbad durchlebt und wie er den Endspurt bis zur Eröffnung am 15. Mai 2002 packen will. "persoenlich.com" bringt heute bereits einen Ausschnitt.
"Es gibt Momente, in denen ich schon tief durchatmen muss"

Für die Expo.02 hat der Endspurt begonnen. In den nächsten Wochen sollen mit einem Last Call Sponsoring-Gelder aufgetrieben werden. Das tönt fast verzweifelt.

Überhaupt nicht. Es geht einzig um die Points of no Return, und zwar um jene bei der Expo wie um jene bei den potenziellen Partnern, also den Unternehmen, Stiftungen oder Institutionen. Start der Expo.02 ist am 15. Mai, also in einem Jahr, und es ist leicht nachvollziehbar, dass irgendwann der Zug abgefahren ist. Wer dann noch aufspringen will, kommt zu spät.

Auf welche Art können sich potenzielle Sponsoren beteiligen, und welche Gegenleistungen erhalten sie dafür?

Es gibt verschiedene Beteiligungsmöglichkeiten, die für die Events und für die Ausstellungen dieselben sind: Man kann Partner beziehungsweise Sponsor sein für einen ganzen Event oder für eine ganze Ausstellung. Man kann sich auch nur für einen Teil engagieren, je nach Budget. Je nach Höhe des Sponsorings wiederum gibt es normierte, in einem Partnerprogramm festgelegte Gegenleistungen – von Gratis-Tickets über eine bestimmte Logo-Präsenz bis hin zum Recht, mit dem Expo-Logo und mit Expo-Images zu kommunizieren. Dabei werden die Events immer von der Expo selbst konzipiert und produziert. Ein Teil der Ausstellungen hingegen wird von Partnern projektiert. Bei ihnen übernehmen wir die qualifizierte Begleitung, sind also sozusagen das inhaltlich-ästhetische Gewissen.

Welche Befindlichkeiten treffen Sie an auf Ihrer Geldbeschaffungs-Tour durch die Unternehmen, bei den Verwaltungsräten und auf den Management-Etagen?

Neben ermutigenden, hellsichtigen Begegnungen derzeit wieder viel Zögerlichkeit, viel Abwarten, auch Angst. Die Angst zum Beispiel, allein im Regen zu stehen, etwas zu tun, worüber andere dann vielleicht im Rotary-Club hecheln, und wenig Mut, zu sagen, ich beteilige mich da jetzt, weil ich das gut finde. Man fragt immer den eigenen Nutzen ab, ohne selbst eine Vorleistung erbringen zu wollen. Ich rede weniger von den kleinen Unternehmen, die das Geld aus der eigenen kleinen Kasse nehmen, als von Firmen, die gut betucht sind, in denen der Entscheidungsträger nicht persönlich leiden muss für die Summe, die er in die Expo investiert. Und ich rede auch nicht von Summen, die jemanden an den Rand des Ruins treiben würden, sondern die sich diese Unternehmen leisten könnten.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie hören müssen, dass die Wirtschaft für Internetprojekte Hunderte von Millionen Franken in den Sand setzt oder dem bisherigen Verwaltungsratspräsidenten der SAir Group den frühzeitigen Abgang offenbar mit fünf Millionen Franken vergoldet, dass sich dann aber die gleiche Wirtschaft in Bezug auf die Expo sehr knauserig zeigt?

Die realen Summen, um die es da geht, kann man nicht in Bezug zueinander bringen. Es gibt im Geschäftsleben Konventionen, die wohl eingegangen werden müssen. Aber natürlich spürt man, dass da ein Missverhältnis besteht. Ein Missverhältnis zum Stellenwert, den die Kultur grundsätzlich hat, und ein Missverhältnis zum Stellenwert, den nicht direkt kommerzialisierbare Events haben. Obwohl die ganze Gesellschaft ständig nach Events schreit. Obwohl alle, wenn es um den eigenen Standort geht, von Kultur als Standortfaktor reden. Doch kaum jemand ist bereit, in kulturelle Aufbauarbeit oder gar in Experimente zu investieren. Das würde einen Beigeschmack haben von solidarischem Handeln, der zurzeit nicht sehr gefragt ist. Weil man etwas geben müsste in der Verlässlichkeit, dass andere das auch tun. Anderseits muss ich betonen, dass bisher stolze Summen zusammengekommen sind für die Expo. Es ist mit Abstand der grösste Betrag, der in der Schweiz für so etwas überhaupt jemals aufgebracht wurde.



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