16.05.2017

Schweiz Tourismus

«Es ist kein Weggehen, sondern ein Hingehen»

Jürg Schmid verlässt nach 18 Jahren an der Spitze die Marketingorganisation, um sich selbstständig zu machen. Im persoenlich.com-Interview begründet der 54-Jährige seine Kündigung. Zudem nimmt er Stellung zur Kritik an seinem Lohn und blickt zurück auf die besten Kampagnen während seiner Karriere.
Schweiz Tourismus: «Es ist kein Weggehen, sondern ein Hingehen»
Jürg Schmid, Direktor von Schweiz Tourismus: «Der Tourismus ist wohl die globalisierteste Branche der Welt.» (Bild: Guillaume Megevand)
von Christian Beck

Herr Schmid, nach 18 Jahren werden Sie Schweiz Tourismus Ende Jahr verlassen (persoenlich.com berichtete). Wie schwer ist Ihnen der Entscheid gefallen?
Sehr schwer. Nach 18 Jahren schliesst man die Türe nicht leicht und locker. Aber mit Mitte Fünfzig stellte sich mir die Frage: Durchziehen bis zur Pension oder dem beruflichen Leben nochmals einen neuen Twist geben? Ich freue mich, nochmals ein neues berufliches Kapitel aufzuschlagen – das der Selbstständigkeit.

In die Kritik geraten waren Sie 2016 wegen Ihres hohen Lohnes – fast gleich viel wie ein Bundesrat. Konnten Sie diese Kritik verstehen?
Meine Entschädigung war in jedem Moment korrekt, transparent und wurde stets öffentlich publiziert. Daher hatte die Kritik keine Substanz. Aber in einer Funktion des öffentlichen Interesses muss man mit jeder Art von Kritik umgehen können.

Hat diese Kritik Ihren Rücktrittsentscheid beeinflusst?
In keinem Moment und keiner Sekunde. Mein Entscheid ist kein Entscheid des Weggehens, sondern des Hingehens. Ich gründe eine Marketingagentur und mache mich selbstständig.

Was wird Ihre Marketingagentur anbieten?
Ich freue mich, meine Erfahrung und mein Wissen der nationalen und internationalen Vermarktung in die Tourismus- und Freizeit-Branche einzubringen. Der Businessplan steht. Los geht es Anfang nächstes Jahr.

Freuen Sie sich auf die Selbstständigkeit – oder gehen Sie das mit Ehrfurcht an?
Selbstverständlich auch mit Ehrfurcht, aber einer konstruktiven, dynamisierenden. Ich durfte in globalen Grosskonzernen und in der nationalen öffentlich-rechtlichen Schweiz Tourismus tätig sein. Auf das Kapitel der Selbstständigkeit freue ich mich jetzt immens.

Blicken wir zurück: In den 18 Jahren haben Sie so einige Marketingbudgets gesprochen. Welche Kampagne war in Ihren Augen die beste?
Tut mir leid, aber ich kann Ihnen keine «beste» Kampagne nennen. Ein paar davon bleiben mir allerdings besonders gut in Erinnerung: Der 1.-April-Scherz über die Felsenputzer vor ein paar Jahren gehört da sicher dazu. Oder die Lancierung der Kampagne «Ferien ohne Internet» auf Facebook – und dann die plötzliche, unerwartete Betriebsblockade unserer Seite durch Facebook. Und unser Anti-Fussball-WM-Spot in Deutschland «Liebe Frauen, besuchen sie die Schweiz, wo sich die Männer mehr um Sie als um Fussball kümmern», und, und, und… Es gäbe noch ganz viel zu erwähnen.

Mal abgesehen von den Kampagnen – auf was blicken Sie mit Stolz zurück?
Sicher die gelungene totale Ausrichtung von Schweiz Tourismus auf die digitale Informationsvermittlung. Unsere digitale Transformation, technisch aber vor allem auch in der Firmenkultur, ist weit vorangeschritten. Zudem bin ich sehr stolz auf das Schweiz-Tourismus-Team, das für die Zukunft bestens gerüstet ist.

Wie hat sich der Schweizer Tourismus in den vergangenen 18 Jahren verändert?
Der Tourismus ist wohl die globalisierteste Branche der Welt. Gereist wird immer günstiger und in immer grösseren Zahlen. Aber vielmehr verändert als der Tourismus haben sich die Rahmenbedingungen, mit denen wir unsere Schweizer Tourismusdienstleistungen anbieten müssen.

Und wie heftig war der Frankenschock?
Brutal. Zwei entscheidende Punkte unterscheiden den Tourismus von anderen Branchen: Wir profitieren nicht von Importvergünstigungen bei stärkerem Franken, und wir können keine Arbeitsprozesse in Billiglohnländer outsourcen. Darum hat der Tourismus die Auswirkungen am intensivsten gespürt. Wir haben den gesamten europäischen Mittelstand verloren. Ein Drittel aller Übernachtungen aus Europa ist weggebrochen.

Hat sich der Tourismus je wieder einigermassen davon erholt?
Noch nicht. Aber, wir finden diesen Sommer Boden und werden wieder erste sanfte Anstiege aus Europa sehen. Der Weg zurück ist aber steinig, hart und lang.

 

 

 



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