22.05.2016

Navyboot

«In der Schweiz haben wir kein unternehmerfreundliches Klima»

Philippe Gaydoul kennt Erfolge – und auch Niederlagen. Sein aktuellstes Projekt: das Schuhlabel Navyboot wieder nach vorne zu bringen. Im Interview spricht er über seine Lebensziele, den Unterschied von Denner und Navyboot und die Probleme des Detailhandels.
Navyboot: «In der Schweiz haben wir kein unternehmerfreundliches Klima»
von Matthias Ackeret

Herr Gaydoul, was bedeutet Luxus für einen, der eigentlich alles hat?

Ich bin sicher privilegiert und dankbar dafür. Luxus bedeutet für mich vor allem, Zeit für meine Familie, meine Freunde und mich zu haben.

Sind Sie in der Schweiz oft mit Futterneid konfrontiert?

Ich würde es nicht Futterneid nennen. Aber wir haben bei uns eine komplett andere Mentalität, als sie zum Beispiel in den USA vorherrscht. Der Amerikaner will Erfolg haben, gönnt diesen aber auch den anderen. In der Schweiz ist das oft nicht der Fall.

Ihr Berufsleben besteht aus zwei Teilen: Bis 2009 haben Sie sich als Denner-Chef mit Billigprodukten und Aktionen beschäftigt, seither bewegen Sie sich als Eigentümer von Navyboot und Jet Set im Luxussegment. Sie verstehen, dass ein Aussenstehender diesen krassen Wechsel nur sehr schwer nachvollziehen kann.

(Lacht.) Sie sehen, der Handel lässt mich eben nicht los ... Aber Ihren Einwand, dass auf den ersten Blick zwischen einem Discounter und Luxus ein grosser Unterschied besteht, kann ich nachvollziehen. Für mich gibt es jedoch eine entscheidende Gemeinsamkeit: Ich verkaufe Produkte, die mir Freude bereiten und mit welchen ich mich identifizieren kann.

Sie haben Navyboot vor einigen Wochen neu positioniert. Was ist der Grund für dieses Rebranding?

Im vergangenen Jahr ist der Detailhandel in der Schweiz massiv eingebrochen. Für mich war klar, dass es sich dabei nicht um ein vorübergehendes Phänomen handelt. Für uns war dies das Signal, noch mehr Gas zu geben. So machten wir bei Navyboot etwas, was wir bis zu diesem Moment vernachlässigt hatten: Wir setzten uns mit unserer Vergangenheit, unserer Herkunft auseinander. Wer die Zukunft packen will, sollte seine Wurzeln kennen.

Sie haben – ähnlich wie zuvor bei Denner – die Marke neu kreiert.

Das kann man nicht vergleichen.

Warum?
Bei Denner mussten wir die Marke einfach auffrischen. Grundsätzlich waren die Zeiten einfacher. Heute sieht die Handelslandschaft anders aus: Alle kämpfen, niemand weiss genau, wohin die Reise geht. Was gestern noch funktionierte, ist heute unbrauchbar. Das ist die Realität. Unser Vorteil ist, dass wir bei Navyboot mit der Veränderung bereits vor einem Jahr begonnen haben.

Welche Änderungen haben Sie vorgenommen?
Wir spielen mit den Begriffen New York, Navy und Maritim und setzen diese konsequent, verständlich und sympathisch um. Wir haben ein neues Shopkonzept entwickelt, unsere Mitarbeiter einheitlich eingekleidet. Auch die Bildsprache entspricht diesen Werten. Und wir haben ein neues CRM-System ins Leben gerufen. Dies sind nur einige Beispiele und auch nur die eine Seite. Die ganze Aussendarstellung, also die Bühne, nützt gar nichts, wenn das Produkt nicht stimmt. Wir haben daher im vergangenen Jahr vor allem auch in diesem Bereich markante Veränderungen vorgenommen, welche heute spürbar sind. Unsere Kollektionen sind übersichtlicher, modischer, schneller, jünger und innovativer.

Sie sind schweizweit bekannt, obwohl Sie gegenüber den Medien sehr zurückhaltend agieren.
Wie vereinbaren Sie diese beiden Rollen? Das ist kein Problem. Man kann mich alles fragen. Nur mein Privatleben ist, wie es der Name schon sagt, privat.

Wie erleben Sie als Unternehmer den Umgang mit den Behörden? Herrscht in der Schweiz ein wirtschaftsfreundliches Klima?
Wir haben momentan sicher kein speziell unternehmerfreundliches Klima. Vor allem die ständig wachsende Bürokratie macht uns Unternehmern das Leben schwer. Aber wir müssen uns auch an der eigenen Nase nehmen. Es ging uns in der Schweiz lange gut, wir sind manchmal etwas träge geworden.

Nochmals zu Ihrem Werdegang. Wann spürten Sie erstmals, dass Sie das «Unternehmergen» haben? Gab es ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?

Nein, das gab es nicht. Wenn man aber viele Jahre so eng mit einem solch tollen Unternehmer wie meinem Grossvater zusammenarbeitet, passiert wohl vieles im Unterbewussten.

Sie waren der Favorit von Karl Schweri?
Diese Frage hätte nur er beantworten können. Ich war einfach bereit, den steinigen Weg zu gehen. Ich habe bereits meine Lehre bei Denner gemacht. Es gab keinen «Enkelbonus», im Gegenteil. Mein Grossvater war mir gegenüber immer sehr loyal, gleichzeitig forderte er sehr viel von seinen Angestellten – und von mir das Doppelte. Das härtet ab. Darum schockiert mich heute auch nichts mehr so schnell. Solche Erfahrungen sind sehr prägend.

Ihr radikalster Entscheid war, als Sie kurz nach Ihrem Start die Denner-Discounter neu gestalteten, diese rot anzumalen.

(Lacht.) Das war sicherlich radikal, aber die Denner-Farbe ist nun mal Rot. Rot verkörpert Dynamik, aber auch Aggressivität. Ursprünglich wollte ich in den Läden auch die Böden und die Decke rot streichen lassen. Doch eine vorgängige Kundebefragung hatte ergeben, dass dies zu viel des Guten sei. Am Ende wählten wir einen Kompromiss. Trotzdem realisierten die Kunden beim Be- treten des Lokals sofort, dass sie im Denner sind und nicht in der Migros oder bei Coop.

Sie haben sich sehr stark mit Denner identifiziert. Warum haben Sie die Firma trotzdem an die Migros verkauft?
Unternehmertum bedeutet, dass man ständig in die Zukunft schaut und sich die Frage stellt: Was ist in fünf, was in zehn Jahren für das Unternehmen das Beste? Daher gibt es viele unternehmerische Entscheide, die im ersten Moment für Aussenstehende nicht nachvollziehbar sind. Bei uns war die Aus- gangslage klar: Denner hat 800 Filialen in der ganzen Schweiz, es ist ein urschweizerisches Erfolgsmodell. Eine Expansion ins Ausland machte für uns keinen Sinn. Als Aldi und Lidl in den Schweizer Markt drängten, war für uns klar, dass ein Alleingang nicht infrage kommt.

Dem Schweizer Detailhandel geht es momentan sehr schlecht.

Das ist so. Im vergangenen Jahr hat der Schweizer Detailhandel rund 2 Milliarden Franken Umsatz verloren, 11 Milliarden Franken flossen ins Ausland ab. Das ist das schlechteste Ergebnis seit 35 Jahren, und diese Entwicklung ist nicht zu Ende.

Woran liegt dies?
Es gibt verschiedene Gründe. Aber natürlich hilft dem Detailhandel nicht, dass er kein politisches Gewicht und keine Lobby hat. Deswegen haben wir vor zehn Jahren die IG Detailhandel mit Migros, Coop, Denner, Valora, Vögele und Manor initiiert. Zusammen gelang es uns, einiges zu bewegen. Der Schweizer Detailhandel verfügt über eine enorme Kraft, die man gegen aussen gar nicht richtig wahrnimmt. Geht es dem Detailhandel schlecht, leidet das ganze Land.

Woran liegt es, dass der Detailhandel
keine richtige Lobby hat?

Unter anderem daran, dass früher die Unternehmen alle selbst versuchten, ihre politischen Interessen durchzusetzen. Der Schweizer Detailhandel ist durch starke Persönlichkeiten geprägt. Mein Grossvater ist ein gutes Beispiel dafür. Er glaubte auch, jede Schlacht allein ausfechten zu müssen.

Sie waren in den meisten Bereichen 
tätig, ausser in der Politik. Hat Sie diese
 nie interessiert?

Selbstverständlich bin ich politisch sehr interessiert und habe eine politische Meinung. Aber aktiv in die Politik – nein danke.

Wann planen Sie den Eintritt in
 die Medienbranche?

(Lacht.) Überhaupt nicht. Von dieser Branche habe ich keine Ahnung. Im Übrigen kämpft die Medienbranche mit ähnlichen Problemen wie der Detailhandel. Unter anderem wegen der Digitalisierung.

Profitiert Navyboot von der Digitalisierung?
Wenn Sie darunter das Onlinegeschäft verstehen, kann ich Ihnen sagen: Wir sind auf einem guten Weg. Die Frage, wie die Online- und Offlinewelten am idealsten verlinkt werden, beschäftigt uns natürlich sehr.

Das komplette Interview ist in der aktuellen Ausgabe des «persönlich» zu lesen.

Bild: Keystone



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Kommentare

  • Giorgio Keller, 24.05.2016 15:09 Uhr
    Alles, was der Gaydoul bisher angefasst hat: Bergab. Man muss eben auch etwas können, wenn man 800 geerbten Millionen vermehren will. Und sich nicht nur als Retter eines EHC Kloten - ohne fachspezifische Ahnung worübers geht - ins Rampenlicht stellen wollen. Oder sich stolz als Mann der Frau Meier zeigen. Es braucht mehr.
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