05.06.2000

Kann man heute noch "verkaufen"?

Harry Holzheu, Unternehmensberater für Führungskommunikation, zur Zukunft des Verkäufers.

Verkaufs-Leistungen werden im Einzelhandel kaum mehr erbracht. Sales Promotion, Werbung, Marketing am Salespoint haben dem Verkauf den Rang abgelaufen. Die Ausnahme bilden die immer seltener werdenden Fachgeschäfte mit anspruchsvollen, das heisst aber auch erklärungsbedürftigen Produkten, z.B. Luxusgütern. Bisher "geschützte" Branchen wie z.B. Optiker werden zwar von Tiefpreis-Anbietern (z.B. Fielmann) bedrängt, doch aufgrund des Beratungsbedarfs wird der Verkauf gegenüber dem Kunden noch längere Zeit seine Aufgabe wahrnehmen können. In der Autobranche gehen die Uhren schon anders: Hier stellt der Kunde sein gewünschtes Fahrzeug nach individuellen Wünschen inzwischen selbst zusammen. Dank Internet hat er die Möglichkeit, alle in Frage kommenden Modelle zu vergleichen, bevor er überhaupt zu einem Autohändler geht. Damit erhält auch hier die Verkaufsfunktion einen teilweise neuen Aspekt.

Massgeschneidert per Internet

In Zukunft informiert sich der Interessent weitgehend selber. Es gehört zum E-Commerce, dass der potentielle Käufer die gewünschten Informationen beim Kunden oder auch bei vergleichenden Drittanbietern über Internet abrufen kann. Und das zu jeder Tages- und Nachtzeit und (meistens) unentgeltlich. In USA kann man heute Schuhläden schon virtuell besuchen, mit dem Verkäufer virtuell diskutieren und sich alle nötigen Informationen besorgen, um sich zu entscheiden, welchen Schuh man sich nach Hause schicken lässt. Das Einzige, was noch nicht funktioniert, sind Schuhe per Internet (real) anzuprobieren! Auch bei uns ist es schon möglich, seine Körpermasse per Internet an Produzenten zu schicken, um sich so massgeschneiderte Jeans und andere Kleidungsstücke nach Hause zu bestellen. Je anspruchsvoller und erklärungsbedürftiger Dienstleistungen (z.B. bei Versicherungen, Banken, Anlageberatung usw.) sind, umso nachhaltiger werden Verkäufer im Sinne von Beratern gebraucht. Entsprechend heissen sie auch Kunden-Berater. Die Beratungsleistung ist dabei wesentlich höher und für den Kunden wichtiger als die Verkaufsleistung. Den bisher typischen Aussendienstverkäufer, der "Klinken putzen" und seine Produkte anpreisen durfte, wird es, weil er zu teuer wird, schon bald nicht mehr geben. Die alten "Haudegen" genügen den geänderten und erhöhten Ansprüchen nicht mehr. Ihre ureigentliche Funktion wurde vom Computer(netz) übernommen. Die Entwicklung hält an. Auch wenn dauerhafte und kostspielige Konsumgüter (z.B. Fotokopiergeräte) heute (auch) noch über den Aussendienst angepriesen werden, so wird sich die neue Organisation auch hier rasch durchsetzen. Der Druck auf Preise und Margen wird dafür sorgen.

Investitionsgüter brauchen mehr Informationen

Bei gewissen Investitionsgütern wird der Verkauf weiter seine Berechtigung haben. Aber auch hier unter dem Aspekt der Organisation und Beratung, wobei für schwierige Fragen auch Fachspezialisten beigezogen werden. Oft reisen ganze Delegationen zum Kunden. Damit gehen die direkten Kontakte zum Kunden, für die der Aussendienst früher die Schnittstelle war, merklich zurück. Mit neuen Organisationen wie Call-Centers soll dem entgegengewirkt werden, denn schliesslich gehört die Information über Kundenwünsche und deren Zufriedenheit mit der eigenen Leistung zu den wesentlichen Entscheidungsfaktoren, die es für das erfolgreiche Management eines Unternehmens braucht. Die persönliche Beziehung zwischen Aussendienst und damit Lieferant und seinem Kunden, die früher üblich und gewünscht war, tritt damit allerdings in den Hintergrund.

Sales-Training hat ausgedient



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