12.06.2017

Markenpositionierung

«Kern des Erfolgs ist ein klares Selbstverständnis»

Die digitale Transformation bringt viele Unternehmen in Schwierigkeiten. Nur Firmen, die sich klar positionieren, können überleben. Markenexperte Bastian Schneider erklärt, warum sich Unternehmen dabei aber nicht an der Konkurrenz orientieren sollten und wie Lego mit gutem Beispiel vorangeht.
Markenpositionierung: «Kern des Erfolgs ist ein klares Selbstverständnis»
«Eine Markenpositionierung wird immer öfter zum Startpunkt unternehmensweiter Transformation», sagt Markenexperte Bastian Schneider von Hotz Brand Consultants. (Bild: zVg.)
von Christian Beck

Herr Schneider*, warum ist eine klare und eigenständige Markenpositionierung so wichtig?
In unserer heutigen Zeit braucht jedes Unternehmen eine mobilisierende, zukunftsgerichtete Positionierung, die ein positives und selbstbewusstes «In-die-Zukunft-Schreiten» ermöglicht. In allen Branchen, in denen wir Unternehmen unterstützen, haben sich die Marktbedingungen in den letzten Jahren stetig verschärft.

Warum?
Neue Konkurrenten treten mit neuartigen Produkten, tieferen Preisen oder innovativen Vertriebswegen in den Markt. Lieferanten und Abnehmer erweitern ihr Angebot und bedrohen die Marktposition etablierter Player. Neue Technologien eröffnen fast unbegrenzte Möglichkeiten und verändern Kundenbedürfnisse in kürzester Zeit. Als wäre dies nicht genug, erschweren regulatorische Bedingungen die Geschäftstätigkeit. Von dieser Komplexität darf man sich nicht in eine passive Rolle drängen lassen.

Und wie?
Es bedarf als Gegenkraft einen eigenen Bewegungsmoment, mit dessen Hilfe sich ein Unternehmen auch in unruhigen Zeiten Stabilität erarbeiten kann. Eine klare Positionierung ist hierfür unerlässlich.

Nennen Sie ein Beispiel: Welche Marke macht es richtig?
Für mich – und viele andere Menschen – sicher Lego. Können Sie sich noch an Ihr erstes Lego-Produkt erinnern? Wahrscheinlich haben Sie es als Kind geschenkt bekommen und mit riesiger Freude die farbigen Bausteine auf dem Wohnzimmerboden ausgebreitet und gleich mit dem Bauen begonnen. Egal, ob Sie das Flugzeug erst einmal nach Bauanleitung zusammengesetzt haben oder Ihrer Fantasie sofort freien Lauf liessen: Dank der Einfachheit des Systems und den unendlich vielen Kombinationsmöglichkeiten konnten Sie ganze Welten selber erschaffen und Ihre Ideen immer wieder aufs Neue verwirklichen. Seit Generationen begeistert Lego auf diese Weise junge und ältere Kinder. Immer wieder aufs Neue.

Und was heisst das übertragen auf die Markenpositionierung von Lego?
Kern des nachhaltigen Erfolgs ist ein kristallklares Selbstverständnis und dessen normative Umsetzung. Das Unternehmen hat sich auf die Fahne geschrieben: «Inspire and develop the builders of tomorrow». Diese Mission zusammen mit dem berühmten Lego-Baustein haben Lego über die Jahrzehnte hinweg immer wieder dabei geholfen, die jeweils für Lego richtigen Antworten auf die Herausforderungen der Zeit zu finden.

Lego hatte auch Tiefen. Zum Beispiel den Marketing-Super-Gau durch den PR-Deal mit Shell (persoenlich.com berichtete).
Ja, aber die erwähnten richtigen Antworten auf Herausforderungen der Zeit haben bewirkt, dass sich Lego auch in solch wirtschaftlich anspruchsvollen Zeiten immer wieder auf die eigenen Stärken rückbesinnen und gesunden konnte. Und sie haben es ermöglicht, dass Lego heute ein vielseitiges Sortiment aufgebaut hat, welches die unterschiedlichsten Zielgruppen anspricht, ohne auch nur einen Millimeter an Differenzierung einzubüssen. Selbst bei Movies, digitalen Spielen oder der Vernetzung von Software und Bausteinen. Alles bei Lego zahlt auf einen Punkt ein. Und deshalb ist Lego zu einer der bekanntesten Marken der Welt geworden.

Nicht jeder kann nun Bausteine auf den Markt bringen. Ganz generell: Was zeichnet eine gute Markenpositionierung aus?
Eine gute Markenpositionierung sollte vor allem drei Anforderungen erfüllen. Sie sollte zuerst einmal charakteristisch sein für das Unternehmen. Sie sollte die unternehmensinternen Besonderheiten zum Ausdruck bringen, auf den individuellen Stärken konsequent aufbauen. Jedes Unternehmen besitzt ein riesen Reservoir davon – oft ist man sich ihrer aber nicht bewusst oder relativiert sie als «Selbstverständlichkeiten». Weiterhin sollte eine Markenpositionierung relevant sein für die Kunden. Was sind deren zentrale Bedürfnisse, die man wirklich erfüllen kann? Welchen Nutzen kann man ihnen nachhaltig stiften? Es braucht ein marktnahes und dennoch zukunftsoffenes positionierendes Selbstverständnis eines Unternehmens. Nur so kann man sich in ausreichender Geschwindigkeit in die Märkte von morgen hineinentwickeln.

Und drittens?
Die Markenpositionierung sollte anders sein als die der anderen. Sie sollte sich deutlich unterscheiden von den Wettbewerbern. Zu wissen, für was die anderen stehen, ist deshalb auch essentiell, um überhaupt verstehen zu können, was einem selbst am Schluss Einzigartigkeit verleiht. Ich beobachte leider immer wieder, wie Unternehmen diese Anforderung ignorieren und sich mit ihren Wettbewerbern auf dieselben Kernbotschaften und Versprechen einzuschwingen. So kann es aber nicht wirklich funktionieren.

Wenn es nicht funktioniert, was ist konkret zu tun, wenn man eine derartige Positionierung für sein Unternehmen finden will?
Entscheidend zu Beginn ist, dass man sich ernsthaft mit den vielschichtigen Facetten des eigenen Unternehmens auseinandersetzt; also eine fundierte Substanzanalyse der eigenen Stärken und Besonderheiten macht. Dieser Schritt kommt oft zu kurz. Zu schnell beschäftigt man sich mit dem Markt, dem Wettbewerb und den Kunden. Sich erstmal nur auf das eigene Unternehmen zu beschränken, erfordert einen gewissen Willen. Aber es lohnt sich immer. Die Informationen, die man hier erhält, bilden meist den Grundstein für die erfolgreiche Erarbeitung einer Positionierung.

Das klingt aufwendig.
Niemand positioniert ein Unternehmen über Nacht. Und auch ein einzelner Workshop zu dem Thema, egal, wie gut er auch vorbereitet sein mag, kann diese Aufgabe nicht seriös erfüllen. Vielmehr braucht es einen klar strukturierten Prozess, bei dem Informationen gesammelt, schrittweise und zielgerichtet verdichtet und in möglichen Szenarien verarbeitet werden. Dieses Vorgehen verhindert emotionale Kurzschluss-Entscheidungen und fördert eine Diskussion, welche effizient und zielgerichtet zur Klärung der eigenen Positionierung führt.

Inwiefern sollte man seine Mitarbeiter in diese Entwicklungsarbeit einbeziehen?
An der eigenen Positionierung zu arbeiten, heisst, am offenen Herzen des Unternehmens zu arbeiten. Das sollte eine Abteilung besser nicht alleine tun. Die Positionierung geht alle Bereiche und Abteilungen an, denn am Ende werden alle bei der Umsetzung des neuen Zielbildes ihren Beitrag leisten müssen. Sehr wichtig ist es deshalb, dass eine Positionierung breit abgestützt wird, alle relevanten Entscheidungsträger frühzeitig involviert werden und die Möglichkeit haben, die Zukunft selbst aktiv mitzugestalten.

Aber ein demokratischer Abstimmungsprozess darf das auch nicht werden…
Nein, sicher nicht. Wenn man beim Positionieren seines Unternehmens versucht, es allen recht machen zu wollen – also irgendwie alle Ansichten und Meinungen unter einen Hut zu bekommen –, dann kommt unweigerlich ein unspezifisches Gemenge ohne Zugkraft heraus. Beim Positionieren dürfen keine Kompromisse gemacht werden. Die Grundbedingung für eine starke Positionierung ist deshalb auch, «Nein» zu sagen zu sehr vielen, durchaus auch attraktiven Möglichkeiten und sich am Ende kompromisslos auf einen Punkt festzulegen. Und das verlangt intern viel Führungs- und Moderationskompetenz.

Also mehr Mut zu einer klaren, einzigartigen Lösung?
Auf jeden Fall. Vor allem muss man es schaffen, das eigene Selbstverständnis komplett frei zu machen vom generischen Branchendenken. Dieses hat nämlich eine gefährliche Sogwirkung, sorgt es doch unterschwellig dafür, dass sich Wettbewerber im Grunde als «gleich» empfinden und ihre Differenzierung nur noch in Oberflächlichkeiten suchen. Man sollte sich deshalb hüten vor allen, typischen Branchenvorstellungen. Man sollte den Mut entwickeln, eine völlig neue, einzigartige Sichtweise auf die geschäftlichen Zusammenhänge zu entwickeln. Authentische Botschaften in der Kommunikation und ein deutlich differenzierender Auftritt werden die Folge sein.

Braucht es dazu überhaupt noch ein komplexes Markenmodell?
Nein, die Zeiten komplexer Markenmodelle sind vorbei. Ein einfacher, aber starker Gedanke, der Sinn und Ziel eines Unternehmens auf den Punkt bringt, entfaltet eine viel stärkere Wirkung, als ein hochkomplexes Markenmodell, das mit unzähligen Adjektiven versucht, etwas zu beschreiben, das man am Ende nicht wirklich fassen kann. Modelle sind meiner Erfahrung nach kaum handlungsleitend und stiften nur wenig Orientierung. Ein einfacher, klarer Gedanke aber, der für jeden verständlich ist und im Arbeitsalltag sogleich umgesetzt werden kann, entfaltet Wirkung.


* Bastian Schneider referiert am Schweizer Markenkongress vom 20. Juni in Zürich über das Thema Markenpositionierung. Schneider ist Strategiechef des Brand Leadership Circle und Strategy Director bei Hotz Brand Consultants in Zug. Er berät Unternehmen aus über 40 Branchen in der Schweiz, Deutschland und Österreich im Bereich der strategischen und operativen Markenführung.



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