06.05.2018

Publicitas in Nachlassstundung

«Unser Volumen ist sehr stark zurückgegangen»

Ein Verlag nach dem anderen hat die Verträge gekündigt. Nun ist klar: Publicitas ist zahlungsunfähig. Finanzchef und Mitbesitzer Carsten Brinkmeier spricht im Interview über den Sanierungsplan, die Sonderregelung von Tamedia und die verspäteten Lohnzahlungen.
Publicitas in Nachlassstundung: «Unser Volumen ist sehr stark zurückgegangen»
Carsten Brinkmeier ist Mitbesitzer und Finanzchef der Publicitas-Group. Er hatte die Firma Ende 2016 zusammen mit zwei Mit-Investoren von der Münchner Private-Equity-Firma Aurelius übernommen. (Bild: zVg.)
von Edith Hollenstein

Herr Brinkmeier, das war ein langer Tag am Donnerstag. Welcher Gedanke ging Ihnen vor dem Einschlafen durch den Kopf?
Vor allem eine Frage beschäftigte mich: «Mit wem müssen wir noch reden, um unser Ziel zu erreichen?»

Wie erlebten Sie die Stimmung am Treffen mit den Verlagsmitarbeitenden?
Ich würde die Atmosphäre als sachlich beschreiben. Die Diskussion verlief nicht hitzig, es gab keinen Tumult.

Dies, obwohl Publicitas den Verlagen viel Geld schuldet. Von einem «zweistelligen Millionenbetrag» schrieb der «Sonntagsblick». Stimmt diese Zahl?
Zur Höhe der ausstehenden Zahlungen will ich nichts sagen. Meiner Meinung nach müssten die Verlage viel mehr beachten, wie gross der Schaden wäre, wenn Publicitas Konkurs ginge. Ich habe berechnet, dass Werbevolumen von 30 Millionen Franken jährlich wegfallen würde. Das träfe die kleinen Verlage in relativen Beträgen gesehen härter als die grossen.

Einige grosse Verlage haben ja bereits eine Alternativgesellschaft gegründet – vorerst mit zwei bis drei Mitarbeitern aus der NZZ (persoenlich.com berichtete).
Ja. Aber es ist sehr sehr unwahrscheinlich, dass das neue Unternehmen mit so wenigen Mitarbeitern das gleiche leisten kann wie wir. Publicitas verfügt über Datensätze von rund 2500 Zeitungs- bzw. insgesamt 2800 Printtiteln. Das gibt es sonst schlicht und einfach nirgends.

Wie viele Mitarbeiter hat die «P» momentan?
In der Schweiz sind es 200 Mitarbeitende, in der Slowakei 70. Ein allfälliges Ende würde die Schweizer Angestellten härter treffen, aber alle würden nicht arbeitslos werden. Ich vermute, dass rund ein Viertel der 200 Angestellten bei den Verlagen unterkommen wird.

Ihre Leute müssen damit rechnen, dass ihnen der Mai-Lohn erst ein bis zwei Wochen später ausbezahlt wird. Warum diese Verspätung?
Wir müssen erst den ebenfalls gekündigten Kreditvertrag tilgen. Das erfolgt durch eingehende Kundengelder. Da wir nicht sicher sein können, ob uns die Kunden in dieser Situation wie gewohnt bezahlen, haben wir unsere Mannschaft darauf vorbereitet.

Publicitas hat also immer noch Geld.
Nein, sie ist derzeit zahlungsunfähig, da alle Konten und Forderungen verpfändet sind und der Kredit noch nicht getilgt ist. Erst wenn Thalos den Kreditbetrag zurückerhalten hat, werden die Konten freigegeben und dann fliesst der Publicitas Geld aus Altforderungen zu.

Erschwerend ist also, dass Ihnen die Verlage Geld schulden, weil die Auftraggeber direkt an die Verlage bezahlen?
Ja, das ist für Publicitas ein Problem, da sie länger auf das Geld warten muss. Es ist aber auch für die Auftraggeber nachteilig, weshalb wir empfehlen, keine Zahlungen an andere Verlage ausser Tamedia vorzunehmen. Die Empfehlung beruht auf dem Verständnis, dass nur Thalos, Publicitas und Tamedia ein Recht haben, die Forderungen zu realisieren und damit alle anderen Empfänger unrechtmässig handeln, woraufhin sie in die Situation der Doppelzahlung geraten könnten.

Wieso sind die Tamedia-Titel davon ausgenommen, wie nzz.ch schreibt?
Weil Tamedia eine Forderungsabtretung für ihre Titel mit der Publicitas vereinbart hat.

Wie erfolgt die Rückzahlung der Publicitas-Verbindlichkeiten, insbesondere der Altforderungen der Verlage: Was ist mit den Ausständen, die sich bis zum Nachlassstundungsverfahren am 2. Mai 2018 angehäuft haben?
Die Alt-Forderungen können wir nur bedienen, wenn das Geschäft wieder heraufgefahren werden kann. Durch die Vertragskündigungen etlicher Verlage gab es in den letzten Tagen eine grosse Verunsicherung, und deshalb ist unser Volumen sehr stark zurückgegangen. Erst wenn wir wieder einen bestimmen Umsatz erreichen, können wir den Altforderungen nachkommen. Das wird erst ab 2019 der Fall sein.

Müssen Sie diese vollständig zurückbezahlen oder nur zu einem bestimmen Prozentsatz?
Der Prozentsatz ist mit den Gläubigern zu vereinbaren. Ich erwarte, dass es mehr sein wird als bei einem Konkurs, der erfahrungsgemäss nur selten zweistellige Quoten für Klasse-3-Gläubiger bringt.

Was stimmt Sie zuversichtlich, dass die Verlage das Sanierungskonzept unterstützen?
Der gesunde Menschenverstand. Zudem bin ich optimistisch, dass die Verantwortlichen differenzieren können zwischen Vergangenheit, also dem Forderungsverlust, und der Zukunft, also der Geschäftsentwicklung. Da sich in den letzten drei Jahren niemand über die Kommissionssätze der Publicitas aufgeregt hat, kann es nur um die Zumutbarkeit der Preiserhöhung gehen. Da der Preiserhöhung mindestens der dreifache Nutzen in Form des Ertragserhalts gegenübersteht, bräuchte ich nicht lange nachzudenken, wofür ich mich entscheide. 

Haben Sie bereits Feedbacks erhalten?
Ja. Aber die ersten Feedbacks sind für eine Prognose ungeeignet.

Welche weiteren Schritte stehen nun für Sie an in den nächsten Tagen?
Ich will möglichst vielen Verlegern das Konzept erklären, Emotionen abbauen und den Weg für den Menschenverstand freimachen.



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Kommentare

  • Soan Dupraz, 08.05.2018 09:54 Uhr
    es ist allen klar, dass die Person, die für diese Tragödie verantwortlich ist, der ehemalige CEO von Publicitas ist, der nie in der Lage war, einen Blick in die nahe Zukunft zu werfen, eine wesentliche Rolle! Herr Rohner arbeitet weiterhin auf demselben Gebiet, scheinbar ohne sich seiner Fehler bewusst zu sein !
  • Susanne von Arx, 07.05.2018 08:41 Uhr
    Jetzt wird auf die Tränendrüse gedrückt (die Mitarbeiter erhalten ihren Lohn mit Verspätung - was wirklich sehr schlimm ist!) und an den Menschenverstand der Verlage appelliert. Über die jahrelang betriebene Misswirtschaft und das Verschlafen der Digitalisierung, das die Geschäftsleitung zu verantworten hat, wird eisern geschwiegen
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