26.05.2000

Berichtigungspflicht bei Leserbriefen

Der Schweizer Presserat nimmt Stellung.

Ebenso wie im übrigen redaktionellen Teil ist es auch auf der Leserbriefseite allein Sache der Redaktion, die Auswahl aus den eingegangenen Zuschriften zu treffen. Die berufsethischen Regeln gelten auch für die Bearbeitung von Leserbriefen. Wenn Medienschaffende zulassen, dass sich Leserbriefe nicht an die Wahrheit halten, ist die berufsethische Wahrheitspflicht verletzt. Deshalb sollten Leserbriefe zurückgewiesen werden, die offensichtlich falsche Aussagen enthalten. Stellt eine Redaktion nach der Publikation eines Leserbriefes fest, dass dieser offensichtlich falsche Aussagen enthielt, sind diese nachträglich zu berichtigen. Zu diesen Schlüssen gelangt der Schweizer Presserat in einer am Freitag veröffentlichten Stellungnahme.

Die "Coop-Zeitung" veröffentlichte im März 1999 im Rahmen einer Serie zum Thema "Jahrhundert-Schweizer" ein Porträt von General Guisan. Als Reaktion auf diesen Artikel wurde in einer der darauf folgenden Ausgaben ein Leserbrief veröffentlicht, in dem der sog. Rüttlirapport als zu grosses Risiko und als Fehler des Generals bezeichnet wurde. Dieser Leserbrief löste wiederum verschiedene Gegenredaktionen aus. Nachdem seine Zuschrift nicht zu denjenigen gehörte, die von der "Coop-Zeitung" abgedruckt wurde, wandte sich ein Leser schliesslich an den Presserat. Er machte in seiner Beschwerde sinngemäss geltend, seine Zuschrift sei als einzige mit fundierten Argumenten den im ersten Leserbrief enthaltenen "nachweislichen Falschmeldungen" entgegengetreten. Wenn die Coop-Zeitung seine Zuschrift schon nicht habe abdrucken wollen, wäre sie zumindest zur Veröffentlichung einer Richtigstellung verpflichtet gewesen. Die "Coop-Zeitung" wies demgegenüber u.a. darauf hin, dass der zuerst abgedruckte Leserbrief lediglich eine pointierte Meinungsäusserung enthalten habe, die von einem in der darauffolgenden Ausgabe abgedruckten Gegenleserbrief als "blühender Unsinn" qualifiziert worden sei. Damit sei das Thema für die Leserbriefredaktion abgeschlossen gewesen. Es habe kein Grund bestanden, zusätzlich auch noch die erst nachträglich eingegangene Entgegnung des Beschwerdeführers zu publizieren.



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