14.03.2006

Marcus Knill

Berlusconi hat sein wahres Gesicht gezeigt

Der Kommunikationsexperte über den Interview-Abbruch des Premiers.

Der italienische Premierminister Silvio Berlusconi brach am Sonntag nach 20 Minuten ein Live-Interview im staatlichen RAI Fernsehen ab. Er war über die Journalistin verärgert, die ihn über die Wirtschaft und Bush gefragt hatte. Berlusconi beim Verlassen: "Danke und auf Wiedersehen. Sie haben gut gezeigt, wie jemand mit linken Vorurteilen handelt. Dieser Kanal ist eine Kriegsmaschine, die gegen den Ministerpräsidenten gerichtet ist."

Die Show war von Lucia Annunziata, der früheren Chefin von RAI moderiert worden. Sie hatte Berlusconi gefragt, warum die italienische Wirtschaft so langsam wachse unter dieser Administration. Ebenfalls passte dem Ministerpräsidenten nicht, dass Annuziata die Freundschaft zwischen Berlusconi und Präsident Bush thematisierte.

Berlusconi: Lassen Sie mich etwas sagen, was die Wähler interessiert. (Stimmengewirr) Nein! jetzt sage ich Ihnen, was Sie mich fragen sollen.

Moderatorin: Ich möchte eine der wenigen sein, die es schafft, ihnen eine Frage zu stellen und nicht nur blöd zuzuhören.

Berlusconi: Sie machen mir jetzt den Gefallen und hören zu, sonst stehe ich auf und gehe -- klar? Sie haben mich etwas gefragt und ich bestehe darauf, darauf zu antworten!

Moderatorin: Wenn Sie aufstehen und gehen -- das können Sie hier nicht bringen.

Berlusconi: Ich stehe auf und gehe. Das wird ein Fleck bleiben in Ihrer Karriere. Sie haben mir nichts zu sagen.

Moderatorin Es gibt Regeln beim Interview. Bitte drohen Sie nicht einfach davonzulaufen!

Berlusconi: Ich sage was ich will und Sie haben mir nicht das Wort zu verbieten. Das zeigt, dass Sie links sind.

Moderatorin: Sie können hier nicht die Regeln machen!

Berlusconi: Ich bin liberal und entscheide nur für mich.

Moderatorin Sie haben nicht den Mut, zu diskutieren.

Berlusconi: Also gut -- auf Wiedersehen. (Verabschiedet sich -- Beide geben sich die Hand) Sie haben gut gezeigt, wie eine Person mit Vorurteilen funktioniert und die links steht. Ich sage Ihnen: Sie sollten sich schämen!

Moderatorin: Sie wissen nicht wie man mit Journalisten redet.

Berlusconi: Arrivederci. Wird die RAI eigentlich von mir kontrolliert?

Wie lässt sich der TV-Auftritt von Berlusconi interpretieren: Wer hat mehr gepunktet? Wer hat wem mehr geschadet? Nach meinem Dafürhalten haben beide -- der Premierminister und die Moderatorin -- Fehler gemacht.

Eine gute Journalistin muss auf der Frage beharren. Berlusconi hat das Recht zu Antworten und seine Botschaften zu platzieren. Was immer falsch ist: Das Gegenüber persönlich anzugreifen und Vorwürfe zu machen. Aus meiner Sicht hat Berlusconi eindeutig das Gesicht verloren und sich enorm geschadet. Weil er drohte ("Ich gehe, wenn..." / "Da wird ein Makel an Ihnen haften!"). Weil er die Nerven verlor. Weil er die Journalistin beurteilt, etikettiert und sie von oben herab -- wie ein kleines Kind -- behandelte ("Schämen Sie sich!").

Ich bin der Meinung: Berlusconi hat nicht nur das Gesicht verloren. Er hat sein echtes Gesicht gezeigt und auch seinem Kontrahenten Prodi vor dem TV-Duell eine Steilvorlage gegeben. Prodi hat bereits gestichelt: "Hoffen wir, dass er während des Duells nicht davon läuft." Die Journalistin hätte nach meinem Dafürhalten noch souveräner gewirkt, wenn sie das Verhalten Berlusconis stets freundlich und sachlich beschrieben und nicht gewertet hätte ("Sie wissen nicht, wie man mit Journalisten umgeht!"/ "Sie dürfen nicht drohen"). Zugegeben, es ist unerhört schwer in derartigen stressigen Situationen sich von den Emotionen nicht leiten zu lassen. Doch dies lässt sich trainieren.



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