29.03.2017

Ringier

«Blick» und «Blick am Abend» gerügt

Mit der Abbildung von sterblichen Überresten eines Vermissten hätten die Zeitungen gegen das Gebot der Menschenwürde verstossen, kritisiert der Schweizer Pressrat.
Ringier: «Blick» und «Blick am Abend» gerügt
Sensationelle Darstellungen, die Menschen zu Objekten degradieren, seien untersagt, schreibt der Presserat in seiner Rüge an «Blick» und «Blick am Abend». (Bild: zVg.)

Der im September 2016 erschienene Artikel handelte von einem Skelettfund bei Winterthur. Jugendliche waren während eines Orientierungslaufs in einem Waldstück auf Knochen, einen Schädel und Kleidungsstücke gestossen. Gemäss dem Bericht bestätigte die Kantonspolizei Zürich den Fund und hielt fest, es dürfte sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um die Überreste einer vermissten Person handeln.

Derselbe Beitrag erschien auf den Online-Seiten der beiden Zeitungen. Illustriert wurde er mit zwei Fotos: einer Übersicht der Fundstelle, auf der Knochen und Kleider zu erkennen waren, und einer Nahaufnahme des Schädels. Die Printausgabe von «Blick am Abend» druckte eine Kurznachricht mit dem Foto des Schädels ab. Der Verstorbene wurde weder namentlich genannt, noch war er durch die Bilder identifizierbar.

Angehörige «zutiefst verletzt» worden

Die Ehefrau und Söhne des verstorbenen Mannes wandten sich an den Presserat, weil die Berichterstattung sie und weitere Angehörige «zutiefst verletzt» hatte, wie der Presserat am Mittwoch mitteilte. Sie machten geltend, die Bilder hätten den Respekt der Menschenwürde und den Opferschutz krass missachtet. Die sensationelle Aufmachung habe die Person des Verstorbenen zum «blossen Objekt» reduziert.

Der Presserat hält in seiner Erwägung fest, dass die Grenzen der Berichterstattung in Text, Bild und Ton dort lägen, «wo das Leid der Betroffenen und die Gefühle ihrer Angehörigen nicht respektiert werden». Die «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» verlange, dass sich die Informationstätigkeit an der Menschenwürde orientieren müsse.

«Grobe Missachtung der Gefühle der Angehörigen»

Sensationelle Darstellungen, die Menschen zu Objekten degradieren, seien untersagt, schreibt der Presserat weiter. «Beide Bilder übersteigen die Grenze des durch das legitime Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit Gerechtfertigten.» Die Veröffentlichung der Bilder ist für den Presserat daher eine «grobe, nicht zu rechtfertigende Missachtung der Gefühle der Angehörigen». Die Beschwerde der Familie wurde gutgeheissen.

Die «Blick»-Gruppe hatte in ihrer Beschwerdeantwort argumentiert, dass die Redaktionen über den Leichenfund nicht hätte berichten dürfen, wenn man die Haltung der Familie zum Massstab nehme. Bei einem solch «ungewöhnlichen und verstörenden Fund» sei das öffentliche Interesse aber gegeben. Ausserdem seien Rückschlüsse auf die Hinterbliebenen nicht möglich gewesen.

Für den Presserat steht das öffentliche Interesse an der Information hingegen gar nicht zur Diskussion. Denn die Beschwerdeführer hätten ihre Einwände gegen die Art der Bebilderung gerichtet und nicht gegen die Berichterstattung an sich. (sda/tim)



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