11.03.2018

Roger Schawinski

«Das würde die SRG schnittiger und effizienter machen»

Nutzer sollen selber entscheiden, wo ein Teil ihrer Gebühren hinfliesst. Nach «No Billag» bringt Roger Schawinski einen neuen Verteilschlüssel für die Haushaltsabgabe aufs Tapet. Im Interview spricht der Radio-1-Chef über die Details und eine «echte Chance für die Privaten».
Roger Schawinski: «Das würde die SRG schnittiger und effizienter machen»
«Die SRG müsste erstmals in dieser Form um Akzeptanz kämpfen»: Roger Schawinski diskutiert auf einem Podium an der Dreikönigstagung über «No Billag». (Bild: Keystone/Gaetan Bally)
von Michèle Widmer

Herr Schawinski, knapp 72 Prozent der Schweizer haben sich am 4. März gegen «No Billag» ausgesprochen. Sie haben im Vorfeld vor einem Ja gewarnt. Hat Sie das deutliche Resultat überrascht?
Ich habe auf ein deutliches Resultat gehofft – und auch darauf hart hingearbeitet, mit einem Buch, mit vielen Interviews und mit einigen Auftritten. Dass es aber gerade gleich hoch gehen würde wie mein Alter – also auf 72 – war eine besondere Freude. Danke!

Die SRG reagiert mit Zugeständnissen und zeigt künftig keine Werbung mehr bei Spielfilmen. Was bringt das den Privaten konkret?
Nichts. Aber die SRG kann damit ihr Profil schärfen. Unterbrecherwerbung gehört nicht ins öffentlich-rechtliche Fernsehen. Das sollte allein Sache der Privaten sein. So hält man es etwa in Österreich. Dieser alte Zopf gehörte schon längst abgeschnitten.

Und wie schätzen Sie den Verzicht auf regionale, zielgruppengerechte Werbung ein?
Diese Ankündigung klingt zögerlich. Offenbar will man also auf nationaler Ebene die zielgruppengerechte Werbung einführen. Damit habe ich Probleme. Wenn ich Facebook oder Google meine privaten Daten liefere, dann nehme ich bewusst in Kauf, dass diese weiterverkauft werden können. Ich möchte aber nicht, dass das auch dort geschieht, wo ich Zwangsgebühren abliefern muss. Ich glaube, dass dies politisch nicht durchkommen wird.

Sie bringen einen weiteren Vorschlag ins Spiel: Anstatt 90 Prozent soll die SRG künftig nur noch 60 Prozent der Gebührengelder fest erhalten. Den Rest könnten die Nutzer selbst verteilen – auch an ausgewählte Regionalstationen. Welche Vorteile hat dies?
Das heutige Modell entspricht nicht mehr dem Zeitgeist. Dies ist eine Erkenntnis aus der emotional geführten No-Billag-Debatte. Mein Modell vereint drei Elemente: Erstens dasjenige der Solidarität. Die SRG soll für ihre Leistungen, vor allem für sprachliche und inhaltliche Minderheiten, fest 60 Prozent erhalten. Das zweite Element – das Leistungsprinzip – führt dazu, dass alle konzessionierten Medien belohnt werden können. Dies gilt für die SRG als auch die Privaten. So soll jeder Zahler seine 40 Prozent in 10-Prozent-Portionen verteilen, und zwar an einen oder an mehrere Sender. Und drittens wird damit das Prinzip berücksichtigt, dass man immer weniger bereit ist, für etwas zu bezahlen, das man gar nicht nutzt. Jeder kann also entscheiden, wo ein Teil seiner Gebühren hinfliesst. Das wird den Unmut auf die SRG massiv vermindern und eine baldige weitere Gebühren-Abstimmung verhindern.

Die zur Auswahl stehenden Sender müssten sich an klar definierte Service-Public-Leistungen halten. Was stellen Sie sich da konkret vor?
Man sollte nicht zu detaillierte Kriterien definieren. Es reicht, die Informationsleistung zu bestimmen, die es zu erbringen gibt. Dafür kriegt man die Konzession – und wenn möglich nicht vom Bakom, sondern von einer neuen Behörde, die nicht die alten Prinzipien in die Zukunft schmuggeln möchte.

Wie könnten die Präferenzen der Nutzer für den Verteilschlüssel erhoben werden?
Zusammen mit der Zahlung der Gebühren kann man auf einem beigelegten Zettel, auf dem alle berechtigten Sender aufgeführt sind, mit insgesamt vier Kreuzchen angeben, wohin das Geld fliessen soll. Voilà!

Der administrative Aufwand dafür dürfte gross sein. Wie könnte dieser gedeckt werden?
Im Gegenteil. Das Konzept ist extrem einfach. Und es ist transparent. Es ist viel effizienter als die anderen Vorschläge, die zurzeit zirkulieren, etwa das Verteilen von Gutscheinen, das Gründen von Stiftungen oder von Gremien, die mit Fachleuten besetzt sind.

Welchen Stationen fliesst das Geld zu, wenn der Nutzer seine Präferenzen nicht mitteilt?
Das sind Details. Die löst man später. Man wird wohl darauf kommen, dass dieses Geld an die SRG geht. Damit kann ich leben.

Für die privaten Anbieter könnte der Schuss nach hinten losgehen, nämlich dann, wenn die Mehrzahl der Nutzer die vollen 100 Prozent an die SRG abgeben.
Natürlich ist die SRG in einer privilegierten Situation. Mit über 60 Prozent Marktanteil beim Radio und einem Vielfachen des privaten inländischen TV-Informationsangebots ist sie überall in der Pole-Position. Aber sie müsste erstmals um diese Form der Akzeptanz kämpfen. Dies würde sie schnittiger und effizienter machen. Und die Privaten hätten erstmals eine echte Chance. Heute schüttet das Bakom das Füllhorn von bald 80 Millionen Franken vor allem über Monopolsender in der Alpenregion aus, die vom Publikum nur wenig akzeptiert sind. Dieser vor Jahrzehnten geschaffene Automatismus muss durch ein modernes System ersetzt werden, das dem Zeitgeist entspricht.

Laut Ihrem Vorschlag können die Nutzer jährlich frei über die Verteilung von 40 Prozent der Abgaben entscheiden. Die privaten Stationen dürften so nur schwer langfristig planen können. Sehen Sie das nicht als Problem?
Auch bei den Werbeeinnahmen gibt es keinen Automatismus. Das gilt für die SRG und die Privaten. Nun würde erstmals zusätzlich zu schwankenden Werbeeinnahmen, die auf rein quantitativen Werten beruhen, ein qualitatives Element eingeführt. Dies wäre für alle Stakeholder gut: für die SRG, die Privaten und ebenso für die erstmals eingebundenen Gebührenzahler. Es würde auch neue private Veranstalter ermöglichen, die sich durch Leistung erstmals einen zweiten Einkommensstrom sichern können. Damit würde das viel zu schmale Schweizer TV-Angebot erweitert und der Anteil der ausländischen Sender mit einem Marktanteil von mehr als 60 Prozent reduziert. Das müsste uns doch alle erfreuen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

 



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Kommentare

  • Karl Wild, 13.03.2018 07:44 Uhr
    Victor Brunner: Jööö. Nichts begriffen, gell.
  • Victor Brunner, 12.03.2018 17:49 Uhr
    Karl Wild, sie wissen nicht wer Schawinski ist? Das wissen sie schon. Im Gegnsatz zu ihnen hat er pionierhaftes geleistet, währenddem sie noch Lokalblättli produzierten. Vergleichen sie ihre Biografie mit der von Schawi. Da sehen sie alt aus!
  • Roger Doelly, 12.03.2018 11:05 Uhr
    @Karl Wild Diese Frage habe ich mir auch gestellt. Jedenfalls ist er jemand, der das Abstimmungsergebnis mit seinem Alter in Verbindung bringt – und dabei nicht an einen Zufall glaubt.
  • Walter Leibundgut, 12.03.2018 10:24 Uhr
    Mit dem Satz "...vor allem über Monopolsender in der Alpenregion aus, die vom Publikum nur wenig akzeptiert sind" zeigt Schawinsky, dass er in diesem Punkt völlig im Offside steht. Oder drückt hier wieder mal die "zürcherische Ueberlegenheit" gegenüber der Pampa durch?
  • Karl Wild, 12.03.2018 07:31 Uhr
    Wer ist Schawinski?
  • Maja Schlegel, 11.03.2018 22:12 Uhr
    Ach! SRF sollte einfach "Schwawinski" abschaffen. Das wäre ein erster Schritt zur Reformation von SRF¨
Kommentarfunktion wurde geschlossen

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