11.12.2017

No Billag

Die Initiative als «Gefahr für die Demokratie»

Ein Ja zur No-Billag-Initiative würde aus Sicht des Bundesrates der Medienvielfalt und der Meinungsbildung in der Schweiz schaden. Am Montag legt Doris Leuthard an einer Medienkonferenz die Haltung zu «No Billag» dar.
No Billag: Die Initiative als «Gefahr für die Demokratie»
Doris Leuthard unterhält sich am Rande der Medienkonferenz über die No-Billag-Initiative. (Bild: Keystone/Anthony Anex)

Bis zur Abstimmung über die No-Billag-Initiative dauert es noch fast vier Monate, doch der Abstimmungskampf ist schon in vollem Gang. Nun hat sich Medienministerin Doris Leuthard eingeschaltet. Sie warnt vor einem Kahlschlag. Es gehe nicht um etwas mehr oder weniger SRG, sondern um die Existenz der SRG und vieler anderer Radio- und TV-Stationen, sagte Leuthard am Montag vor den Medien in Bern.

Einen Plan B bei einer Annahme der Initiative gibt es laut Leuthard nicht. «Der Plan B ist, die SRG zu liquidieren», sagte die Medienministerin auf eine entsprechende Frage. Anders - «halbbatzig» - lasse sich die Initiative nicht umsetzen, denn der Text sei klar: Die Initiative verlange, dass die Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen abgeschafft werde. Der Bund dürfte keine Radio- und TV-Stationen mehr subventionieren.

Kommerzielle Finanzierung unrealistisch

Die Programme liessen sich in der kleinräumigen Schweiz mit ihren vier Landessprachen nicht allein mit Werbung und Sponsoring finanzieren, stellte Leuthard fest. Bei einem Wegfall der Gebühren würden noch mehr Werbegelder ins Ausland abfliessen als heute schon, weil das Publikum wegbräche. Dass eine kommerzielle Finanzierung unrealistisch sei, wüssten auch die Initianten. Sie brächten nun andere Ideen ins Spiel, etwa dass die Kantone in die Bresche springen könnten. Damit streuten sie den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern Sand in die Augen, denn die Kantone seien gemäss der Verfassung nicht zuständig. Abgesehen davon sei offen, wie sie das nötige Geld beschaffen würden.

Bezahlfernsehen wäre teurer

Für Leuthard steht fest, dass es bei einem Ja zur Initiative zu einem Kahlschlag käme. Auf Pay-TV auszuweichen, möge für manche eine Option sein. Die Frage sei aber, ob sich das alle leisten könnten, stellte die Medienministerin fest. Sie rechnete vor, dass Abonnemente von Netflix und My Sports oder Teleclub Sport die Zuschauerinnen und Zuschauer mehr kosten würden.

Pay-TV biete zudem nur Inhalte an, die rentierten, stellte Leuthard fest. Die gebührenfinanzierten Sender dagegen böten ein breites Angebot zu Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport. Sie müssten sachgerecht, vielfältig und umfassend berichten. «Nirgendwo in Europa wird Radio und TV dem Markt überlassen», stellte Leuthard fest. «Und das mit gutem Grund.»

Gefahr für die Demokratie

Für ein kleinräumiges, mehrsprachiges Land wie die Schweiz mit ihrer direkten Demokratie ist ein vielfältiges Medienangebot aus Sicht des Bundesrates besonders wichtig. Ein Ja zur No-Billag-Initiative würde der Medienvielfalt und der Meinungsbildung schaden, argumentiert die Regierung. Der Einfluss privater Geldgeber und ausländischer Konzerne würde zunehmen. Damit stiege auch die Gefahr der politischen Einflussnahme. Der Staat habe hier eine Rolle zu spielen, sagte Leuthard. Sie hob auch die Bedeutung der SRG für das Film- und Musikschaffen in der Schweiz hervor.

Tiefere Gebühren ab 2019

Über Medien und den medialen Service public müsse diskutiert werden - und es werde darüber diskutiert, betonte die Medienministerin. Die Arbeiten für das neue Mediengesetz seien im Gang. Mit diesem soll unter anderem geregelt werden, was die SRG im Internet darf. Die «Gebührenfrage» dagegen ist bereits geregelt. Heute beträgt die Empfangsgebühr für Haushalte 451 Franken pro Jahr. Mit dem Wechsel zur allgemeinen Abgabe sinkt der Betrag ab 2019 auf 365 Franken. Unternehmen zahlen eine nach Umsatz abgestufte Abgabe. Weil sich der Gewerbeverband daran stört, beschloss er die Ja-Parole zur No-Billag-Initiative.

Leuthard erinnerte daran, dass das Stimmvolk dem Modell zugestimmt habe. Sie vermisse beim Gewerbeverband das Demokratieverständnis, sagte sie. Die Wirtschaft profitiere auch vom Service public. Ausserdem müssten drei Viertel der Unternehmen mit dem neuen Modell nichts bezahlen.

Auch Lokalradios gefährdet

Neben der SRG erhalten 21 Lokalradios und 13 Regional-TV Gelder aus dem Gebührentopf. Der Erlös aus der Empfangsgebühr betrug 2016 rund 1,37 Milliarden Franken. Mit 1,24 Milliarden floss der grösste Teil an die SRG. Lokalradios und Regional-TV erhielten 61 Millionen Franken. Bei der SRG macht die Gebühr rund 75 Prozent des Budgets aus. Beim Informationsangebot der SRG sind 22 Prozent der Kosten durch kommerzielle Einnahmen gedeckt. Auch bei Grossereignissen machen die Werbeeinnahmen nur einen kleinen Anteil an der Finanzierung aus, bei der Übertragung der Ski-WM 2017 in St. Moritz zum Beispiel 9 Prozent.

Doris Leuthard forderte die anwesenden Journalisten auf, nicht wieder davon zu schreiben, die SRG würde sich immer weiter ausbreiten. Das sei nicht so. Die SRG habe abgebaut und sogar einen mit «World Radio Switzerland» einen Sender abgeschaltet. Bereits im Oktober hatte Leuthard im Interview mit persoenlich.com darauf hingewiesen, dass sich die SRG seit zehn Jahren nicht gross verändert hat. Sie sagte: «Dass sich die SRG weiter und weiter ausdehnt, ist Unsinn.» (sda/eh)

 



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Kommentare

  • Giuseppe Scaglione, 11.12.2017 22:20 Uhr
    Das war heute eine denkwürdige Medienkonferenz, die unsere Medienministerin da abhielt. Als sie der Romandie und dem Tessin "viel Glück" wünschte, war man geneigt, ihr auch viel Glück zu wünschen. Sie hätte es in der Hand gehabt, diese "Alles oder Nichts" Abstimmung zu vermeiden oder dem Stimmvolk zumindest Alternativen vorzulegen. Auftrag nicht erfüllt. Ich hätte erwartet, dass man der Bevölkerung die Abstimmungsvorlage sachgerecht und fair präsentiert. Das war leider nicht der Fall. So sagte Frau Leuthard z.B. "das Geschehen in den Medien muss sachgerecht, vielfältig und umfassend abgebildet werden. Das kann man von rein kommerziellen Veranstaltern nicht verlangen". Diese Aussage ist bemerkenswert - und gleichzeitig falsch. So gibt es das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) an das sich auch alle Privatradios halten müssen (also auch jene, die keine Gebühren erhalten). Dieses definiert schon mal die Spielregeln. Würde man sich nicht zur sachgerechten und vielfältigen Berichterstattung verpflichten, würde man gar keine Konzession erhalten. Und dann gibt es natürlich die Konzessionen, die wie hier am Beispiel von Radio 24 folgendes vorschreiben: "Die Konzessionärin veranstaltet ein tagesaktuelles Radioprogramm, das vorwiegend über die relevanten lokalen und regionalen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhänge informiert sowie zur Entfaltung des kulturellen Lebens im Versorgungsgebiet beiträgt. Die Konzessionärin stellt werktags während den Hauptsendezeiten (06.30-08.30, 11.30-13.30, 17.00-19.00) sicher, dass ihre lokalen und regionalen Informationsangebote: a. in erster Linie relevante Informationen aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Kultur, Gesell- schaft und Sport beinhalten; b. thematisch vielfältig sind; c. eine Vielfalt an Meinungen und Interessen wiedergeben; d. eine Vielfalt von Personen beziehungsweise Personengruppen zu Wort kommen lassen, und e. das gesamte Versorgungsgebiet berücksichtigen". Zur Erinnerung: Radio 24 erhält keine Gebühren und trotzdem verlangt der Gesetzgeber sehr wohl sachgerechte und vielfältige Information. Weiter behauptete Frau Leuthard, es sei nicht möglich, hochwertige Radio- und TV-Programme nur mit Sponsoring und Werbung finanzieren zu können. Da stellt sich für mich die Frage, weshalb man denn in den letzten Jahrzehnten aufwendige Verfahren durchgeführt und Konzessionen vergeben hat, wenn man ja von Anfang an wusste, dass das Ganze gar nicht funktionieren kann. Und dann behauptete Frau Leuthard schon wieder, die SRG hätte in den letzten 10 Jahren keine neuen Programme lanciert. Sorry, aber das ist reine Augenwischerei. Wer lanciert denn heute im Onlinezeitalter noch ein analoges Programm? Wo bleiben die 108 Facebook-, 54 Twitter- und 32 Instagram-Accounts sowie über 42 Youtube Channels in über 10 Sprachen. Und wo die 8 publizistischen und 5 Service-Werbseiten. Die Kosten dafür belaufen sich auf 56 Millionen Franken (ohne SRG-Personal), was fast gleichviel ist, wie der Gebührenanteil der privaten Radio und Lokal-TV Anstalten. Frau Leuthard hat wohl vergessen, dies zu erwähnen. Wie gesagt: Diese Medienkonferenz war sehr denkwürdig und hat mich keineswegs überzeugt. Ganz im Gegenteil...
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