09.05.2001

Marc Furrer

"Die Privaten wussten, dass es sehr eng wird"

Seit Roger Schawinski, Albert P. Stäheli und Peter Wanner an einer Medienkonferenz letzte Woche die ungemütliche Lage der privaten TV-Stationen schilderten, reissen die Diskussionen um das neue Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) nicht ab. Nachdem Schawinski am Mittwoch exklusiv auf "persoenlich.com" seinen Vorschlag darlegte, nimmt nun Marc Furrer, Direktor des Bundesamts für Kommunikation (BAKOM, Bild), im Interview mit "persoenlich.com" Stellung. Darin bezeichnet er den Vorstoss der drei Medienleute als "Werbegag".
Marc Furrer: "Die Privaten wussten, dass es sehr eng wird"

Herr Furrer, wie beurteilen Sie den Vorstoss der privaten TV-Sender Tele24/TeleZüri, TeleM1/TeleTell und TeleBärn?

Punkto Inhalt habe ich sehr viel Verständnis, dass sie die Werbeordnung liberalisieren wollen. Das möchten wir auch. Nicht einverstanden sind wir bei der Verteilung der öffentlichen Gelder. Ich habe ein bisschen Mühe, wenn man als Unternehmer keinen Erfolg hat und dann sagt, der Staat sei schuld und dieser müsse nun Geld einschiessen. Die Aussage vom "Zivilen Ungehorsam" betrachte ich als Werbegag. Mich kann ein solcher Vorstoss nicht gross belasten. Wir ziehen das Gesetz durch und wenden allenfalls Konsequenzen an.

Roger Schawinski kündigte an, er werde Alkoholwerbung ausstrahlen. Wie gehen Sie vor, wenn die Privaten gegen das RTVG verstossen?

Bis jetzt habe ich noch keine unrechtmässige Werbung gesehen. Kommt es soweit, gibt es ein normales Verfahren: Verstösst ein Sender gegen das Gesetz, muss er Bussen von bis zu 50'000 Franken bezahlen und den Gewinn, den er mit der verbotenen Werbung gemacht hat, abgeben.

Schawinski meinte, er öffne keine BAKOM-Briefe mehr. Was passiert also, wenn er eine allfällige Busse ignorieren würde?

Dann kommt es letztlich zu einem Betreibungsverfahren. Aber Roger Schawinski hat noch immer bezahlt. Seine Aussage war wohl mehr ein Politgag. Wenn die Privaten schon so viel Geld verlieren, ist es abgesehen davon kaum sinnvoll, es soweit kommen zu lassen.

Ziehen Sie drastische Massnahmen wie den Stopp eines Senders in Betracht, oder sind das nur Drohgebärden?

Ob ich Tele24 tatsächlich den Gefallen tun würde, ist wohl kaum anzunehmen. Sicher kommt es vorläufig nicht zu einem Konzessionsentzug.

Finden Sie es gerecht, wenn die SRG 100 Prozent der Gebühren erhält und gleichzeitig Werbung und Sponsoring betreiben darf?

Es gibt ja heute schon ein Gebührensplitting, und die SRG erhält entsprechend nicht 100%. Andererseits habe ich viel Verständnis dafür, wenn man sagt, die SRG soll werbefrei werden. Daraus Profit schlagen könnten aber vor allem die ausländischen Sender, denn die Werber gehen dorthin, wo die Massen sind, und bei Einschaltquoten von 2,5 Prozent sind das eben nicht die Schweizer Privatsender. Erst wenn unsere Sender von der Änderung profitieren würden, wäre die Idee mit der werbefreien SRG ein Vorschlag.

Erfüllen Sendungen wie Benissimo den Service public?

Service public nur auf langweilige Informationssendungen zu reduzieren, ist falsch. Für mich ist Benissimo durchaus Service public, denn der hat auch mit Unterhaltung zu tun. Wenn die SRG irgend eine Show mit amerikanischen Künstlern machen würde, wäre es sicher etwas anderes. Doch Benissimo ist eine auf die Bedürfnisse der Schweizer zugeschnittene Sendung.

Ohne Gebühren lässt sich ein Schweizer Sender nicht finanzieren, monieren Schawinski, Wanner und Stähelin unisono. Was halten Sie dem entgegen?

Das kann sein. Interessanterweise haben wir aber inzwischen weit über 40 Stationen. Die Ausgangslage war von Anfang an bekannt. Die Unternehmer wussten, dass es sehr sehr eng wird. Ich kann den Markt nicht grösser machen. Jetzt ist es eine politische Frage, ob man die Marktkräfte spielen lassen oder die Privaten mit öffentlichen Geldern unterstützen soll. Wenn bei der SRG Geld weggeht, müsste sie im Welschland und im Tessin Abstriche machen. Die einzige Alternative wären zehn bis 20 Prozent höhere Gebühren, was die Bevölkerung nicht schätzen würde, zahlen wir doch in der Schweiz heute schon sehr hohe Beträge. Bemerkenswert ist, dass weit nicht alle privaten Fernsehmacher in die gleiche Kerbe hauen. Nicht jene, die am lautesten rufen, sind am repräsentativsten.

Immerhin müssen die Privaten gegen ausländische Werbefenster kämpfen.

Ich kann nicht wegdiskutieren, dass die Werbefenster viel Geld abziehen. Rechtlich können wir gegen die Fenster aber nichts machen. Dass Schweizer Werber zu ausländischen Sendern gehen, um zu werben, war ebenfalls schon beim Start der Privaten bekannt.

Wie sieht die Schweizer Fernsehlandschaft in fünf Jahren aus?

Sicher wird es auch dann ein Nebeneinander öffentlich-rechtlicher und privaten Sender geben. Wir bemühen uns für bessere Rahmenbedingungen und wollen diese dem Ausland angleichen. Dort fängt aber schon das Problem an: Sollen wir sie Deutschland angleichen oder Frankreich, wo das Gesetz viel restriktiver ist? Die Frage ist auch, wie gross der Umfang von Service public sein wird. Ob dafür ein Radio- und ein Fernsehsender reichen oder nicht, ist noch immer ein Zankapfel. Ich bin aber sehr optimistisch, dass es Privatfernsehen weiterhin geben wird. Da muss aber auch der Markt entscheiden. Werbung ist letztlich dort, wo die Zuschauer sind. Wenn TV gemacht wird und die Leute nicht zuschauen, ist nicht das BAKOM schuld.



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