12.10.2016

NZZ

«Die Werbung auf der Front hat den Inhalt nicht beeinträchtigt»

Am Dienstag sind die aktuellen Wemf-Zahlen erschienen. NZZ-Verlagschef Steven Neubauer kritisiert im Interview die Methodik der Studie in Bezug auf die E-Paper. Zudem äussert er sich zum historischen Entscheid, ein Porsche-Inserat auf die Front der «Neuen Zürcher Zeitung» zu drucken.
NZZ: «Die Werbung auf der Front hat den Inhalt nicht beeinträchtigt»
NZZ-Verlagschef Steven Neubauer. (Bild: zVg.)
von Michèle Widmer

Herr Neubauer, mit Blick auf die Wemf-Studie: Die NZZ-Titel haben – mit Ausnahme des «Folios»im letzten halben Jahr Leser verloren. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?
Zufrieden sind wir nie. Man kann sich immer verbessern und weiterentwickeln. Die Veränderungen bei den NZZ-Titeln sind allerdings «statistisch nicht signifikant», das heisst, sie sind innerhalb der Fehlermarge der Wemf-Erhebung. Mit anderen Worten: Die Wemf weist für die NZZ-Titel stabile Werte aus. Damit sind wir im Vergleich zum Wettbewerb verhalten zufrieden.

Um welchen Titel Ihrer Zuständigkeit machen Sie sich am wenigsten Sorgen?
Gemäss den Wemf-Zahlen konnte das «NZZ Folio» bei der Leserschaft zulegen. Das freut uns sehr. Wir versuchen mit dem «NZZ Folio» besonders das Bedürfnis nach Einordnung und Hintergrund zu bedienen. Das scheint uns zu gelingen. Wir sehen das auch daran, dass wir mehr Abonnements verkaufen.

Die Mach-Basic-Studie wird häufig für ihre Methodik kritisiert. Was müsste die Wemf ändern, um zukunftstauglich zu sein?
Der grösste Kritikpunkt ist aus meiner Sicht die fehlende Erfassung der E-Paper-Leser. Da wir bei der verbreiteten wie auch bei der verkauften Auflage den höchsten E-Paper-Anteil ausweisen, trifft uns das besonders. Wir werden sozusagen Opfer unseres eigenen Erfolgs bei der digitalen Nutzung unserer Inhalte.

Viele Verlage schliessen mit der Wemf eine Zusatzvereinbarung ab, um ihre Replica-Angaben erfassen zu lassen.
Die Wemf hat nun eine Messmethodik eingeführt. Unser Feedback zu den inkonsistenten Resultaten hat sie aber nicht aufgenommen. Deshalb lassen wir unsere E-Paper-Leser, wie auch die meisten Mitbewerber, nicht durch die Wemf erheben.

Was genau kritisieren Sie?
Dabei geht es um Themen wie die Formulierung von Fragen oder deren Reihenfolge, beziehungsweise, ob Fragen zufällig gereiht werden oder nicht. Das führt je nachdem zu anderen Ergebnissen, die in Summe für uns nicht plausibel waren.

Insgesamt 15'000 Menschen konsumieren laut der Total-Audience-Studie der Wemf die NZZ online sowie Print. Wie beurteilen Sie diesen Wert?
Basierend auf unseren internen Zahlen glaube ich, dass diese Zahl zu tief angesetzt ist. Rund die Hälfte unserer zahlenden Kunden ist auch digital auf unseren Angeboten unterwegs – Tendenz steigend. Dazu hat unter anderem die Neulancierung des E-Papers beigetragen, das seit Frühling 2016 auch eine responsive Darstellung für die kleineren Screens von Smartphones unterstützt.

Sie bewerten das E-Paper also als digitales Produkt?
Ja. Das E-Paper ist eine digitale Replica der Zeitung mit Zusatzfunktionalitäten.

Ein anderes Thema: Am Wochenende gab das ganzseitige Porsche-Inserat auf der NZZ-Front zu reden. Werden künftig also auch Migros oder Coop die Front kaufen können?
Wir haben keinen Exklusivvertrag mit Porsche unterzeichnet.

Wie viel kostet das?
Es ist ein exklusives Werbemittel, das wir nur selektiv zulassen werden. Das hat seinen Preis.

Die Porsche-NZZ-Front wird als schlechtes Zeichen gewertet. Wie steht es denn um die wirtschaftliche Situation der «Neuen Zürcher Zeitung»?
Um das zu beurteilen, würde ich keine Zeichen deuten. Ein Blick in die Halbjahresergebnisse gibt zuverlässiger Auskunft. Den Ebit der Gruppe konnten wir um 5,9 Millionen, das Gruppenergebnis um 7,7 Millionen verbessern.

Unsere Frage betrifft nicht die ganze NZZ-Gruppe, sondern die Zeitung NZZ. Deren «Glaubwürdigkeit leide», mit der Front würde «die Seele verkauft». Inwiefern haben Sie Verständnis für solche Kritik?
Ich verstehe sehr gut, dass es Leserinnen und Leser gibt, die überrascht waren. Von Glaubwürdigkeit habe ich aber eine andere Auffassung. Unsere Redaktorinnen und Redaktoren entscheiden jeden Tag selbständig und unabhängig, worüber sie wie schreiben. Die Werbung auf der Front war, denke ich, deutlich als solche erkennbar und hat unseren Inhalt nicht beeinträchtigt.

Das Interview wurde schriftlich geführt.



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Kommentare

  • Walter Stulzer, 12.10.2016 07:32 Uhr
    Wenn Steven Neubauer die Kritik am Porsche Inserat mit dem gestiegenen EBIT kontert, legt er damit nur die fatale Beziehung zwischen Journalismus, Auflagenstärke und Wertschöpfung offen. Persönlich hätte ich nichts gegen eine Porsche-Front, wenn der steigende EBIT mit einem Ausbau des Korrespondenten-Netzwerks und einem klaren Bekenntnis zu Journalismus in nicht verhandelbarer sprachlicher Qualität einherginge. Tut er aber nicht. Was Neubauer klarstellt ist, dass Redaktion und Lesende für ihn ein Produktionsmittel sind, das steigende Wertschöpfung dank Werbeeinnahmen ermöglicht. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Freuen würde mich, wenn das Unternehmen deshalb seine Produkte gratis abgäbe und die Lesenden so für ihre Produktionsleistung entschädigte. Klar ist, wem diese Entwicklung ein Gräuel ist, hat einen einfachen Ausweg: die Zeitung abzubestellen.
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