23.01.2017

Kai Diekmann

«Er ist verstörend, aber auch ehrlich»

Donald Trump ist als US-Präsident vereidigt worden. Der Noch-Herausgeber der «Bild»-Gruppe hat zusammen mit seinem englischen Kollegen Michael Gove ein weltweit beachtetes Interview mit Trump durchgeführt. persoenlich.com sprach exklusiv mit Diekmann am Rande des WEF in Davos.
Kai Diekmann: «Er ist verstörend, aber auch ehrlich»
Ende Januar endet bei Axel Springer eine Ära: Kai Diekmann wird seine Laufbahn bei dem Medienhaus beenden – nach 30 Jahren. (Bild: Keystone)
von Matthias Ackeret

Herr Diekmann*, Sie haben vor einer Woche zusammen mit Ihrem englischen Kollegen Michael Gove ein weltweit beachtetes Zeitungsinterview mit Donald Trump geführt. Mit welchen Gefühlen beobachten Sie seine Amtsübernahme?
Mit sehr gespannten. Seine Präsidentschaft ist völlig offen. Bei Trump scheint alles möglich. In der Regel werden Politiker durch ihr Amt geschliffen, bei Trump ist die Chance aber gross, dass dies nicht der Fall sein wird. Trump lebt davon, dass er eben nicht wie ein Politiker auftritt und sich auch so benimmt. Trump ist definitiv anders als alle anderen: Er ist verstörend, aber auch ehrlich. So erzählte er im Interview, dass ihn ein netter Mann aus der EU angerufen habe, dessen Namen er aber vergessen habe. Es war Jean-Claude Juncker.

Trump ist jetzt Präsident; Sie hören aber Ende des Monats als «Bild»-Herausgeber auf. War dies nun Zufall oder perfektes Timing?
(lacht) Es wäre vermessen zu sagen, Trump hätte das Interview wegen meines Rücktritts gegeben. Als ich aber im Dezember vergangenen Jahres die Zusage zum Interview bekommen habe, verschob ich sofort meinen Abgang auf Ende dieses Monats. Ehrlich gesagt, ist dies eigentlich ein krummes Datum, aber mir war klar, dass dieses Interview meine Abschlussarbeit für «Bild» sein wird. So gesehen war es schon ein bisschen Timing.

Mehr geht nicht...
Das weiss ich nicht, ich freue mich jedenfalls, dass es geklappt hat. Meine Frau und ich hatten vergangene Woche in Potsdam einen Haufen Gäste eingeladen. Leider mussten diese den Abend ohne mich verbringen, da ich überraschend nach New York zum Gespräch aufgeboten wurde. Die Vorbereitungen zu diesem Interview dauerten übrigens sehr lange. Bereits vor einem Jahr habe ich die ersten Kontakte zu Trump und seinem Team geknüpft. Zu einem Zeitpunkt also, als meine amerikanischen Freunde immer noch davon ausgingen, dass er nicht einmal den geringsten Hauch einer Chance haben werde, Kandidat der republikanischen Partei zu werden.


Wie ist das Interview abgelaufen?
Da nur wenige Leute in die ganzen Vorbereitungen involviert waren,  war ich bis zum Schluss sehr unsicher, ob es überhaupt klappen würde. Dies im Gegensatz zum Interview mit Wladimir Putin, das ich vor einem Jahr führen konnte. In jenem Moment, als ich von einem Kremlfahrer in meinem Moskauer Hotel abgeholt wurde und sich der allmächtige Pressesprecher vorstellt, wusste ich, dass es klappen würde.  Bei Trump war es vollkommen anders. Erst als man mich am frühen Morgen über eine Standleitung in meinem New Yorker Hotel kontaktierte und das Geburtsdatum unseres Fotografen wissen wollte, war ich mir sicher, dass es funktioniert. Anschliessend fuhren mein englischer Kollege Michael Gove und ich zum Trump-Tower, wo wir vom Secret Service in Empfang genommen wurden. Da die Seitenstrassen des Gebäudes immer noch gesperrt sind, wurden wir durch einen Seiteneingang in das Innere geleitet. Mit dem ersten Aufzug ging es in den 24. Stock, anschliessend mit einem zweiten in den 26., wo sich Trumps Büro befindet. Dort stand eine Empfangsdame, die lediglich meinte: «He is waiting for you already!» Dann standen wir schon in seinem Büro.

Wie haben Sie Donald Trump erlebt?
Als absolut unkompliziert. Seine erste Frage lautete: «Wird Angela Merkel nächstes Jahr nochmals gewählt?» Ich antworte: «Ja, sie wird!» In Amerika muss – im Gegensatz zu uns – ein Interview auch nicht zum Gegenlesen gegeben werden, es gilt das gesprochene Wort. Deswegen liest es sich auch viel lebendiger als die meisten Politikerinterviews, die anschliessend von den Pressesprechern bis zur Unkenntlichkeit gebügelt werden. Während des ganzen 50-minütigen Gesprächs blieb Trump äusserst freundlich und konzentriert, obwohl wir Journalisten sind. Dies ist umso erstaunlicher, da er noch zwei Tage vorher mit übelsten Sex-Vorwürfen eines Geheimdienstmitarbeiters konfrontiert wurde, welche weltweit von den Medien breitgeschlagen wurden.

Mussten Sie ihm die Fragen vor dem Interview vorlegen?
Nein, es gab überhaupt keine Restriktionen. Das ist wirklich ungewöhnlich. Auch für den Fotografen gab es keine Einschränkungen. Er konnte fotografieren, was er wollte, obwohl Trumps Büro richtiggehend mit Sportutensilien und anderen Gegenständen vollgemüllt ist. An den Wänden hat Trump die Covers jener Zeitschriften aufgehängt, die ihn als jungen Mann zeigen. 

Das Interview wurde in «Bild» und der «Times» abgedruckt. Man hat Ihnen vorgeworfen, dass Sie zu wenig kritisch gewesen seien.
Dieser Vorwurf war vorhersehbar. Ich wollte im Gespräch herausfinden, wie Trump tickt und nicht Pro-Forma-Fragen für meine Journalistenkollegen stellen.

Und wie tickt er?
Wir müssen uns daran gewöhnen, dass Trump kein Politiker klassischer Schule ist oder sein will. Er hat bereits im Wahlkampf mit allen Regeln der politischen Kommunikation gebrochen und ist damit – wie wir sehen – sehr erfolgreich gewesen. Deswegen wird er auch mit dem Twittern nicht aufhören. Damit bestimmt er die Schlagzeilen über sich selber und kann seine Fans direkt ansprechen. Die Zeiten, in denen die Journalisten das Informationsmonopol hatten, sind damit definitiv vorbei. Trump pflegt auch keinen diplomatischen Code und spricht Dinge aus, die normalerweise nicht ausgesprochen werden dürfen. Das klingt in unseren Ohren schockierend.

Ging es Ihnen während des Gesprächs auch so?
Ja, ich war wirklich überrascht, wie deutlich Trump bestimmte Dinge ausspricht. Wenn er die Europäische Union als Vehikel für Deutschland bezeichnet, dann tönt dies in unseren Ohren schockierend. Die Wahrheit aber ist, dass in vielen europäischen Hauptstädten über nichts anderes mehr gelästert wird als die Dominanz der Deutschen. In die gleiche Richtung zielt auch seine Feststellung, dass noch weitere Länder aus der EU austreten werden. Dieses Thema ist bei uns tabu. Sollte aber Marie Le Pen französische Präsidentin werden, könnte sich die Situation schlagartig ändern. Dieser Kommunikationsstil kann uns gefallen oder nicht. Tatsache aber ist, dass Trump seit diesem Freitag Präsident der Vereinigten Staaten ist.

Hat sich Trump nach dem Gespräch nochmals bei Ihnen gemeldet?
Nein. Er fragte uns lediglich, ob wir ihm ein paar Fotos zur Verfügung stellen könnten. Das haben wir gemacht.

Wusste Trump, wer Sie sind?
Ich glaube nicht. Auch Michael Gove kannte er nicht, obwohl dieser englischer Minister war und kurzzeitig auch als Ministerpräsident im Gespräch war. 




*ZUR PERSON

Kai Diekmann ist Herausgeber der «Bild»-Gruppe. Der 52-Jährige wird per 31. Januar 2017 seine Tätigkeit für Axel Springer beenden und aus dem Verlag ausscheiden.  



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Kommentare

  • Aline Telek, 23.01.2017 11:53 Uhr
    Manchmal braucht es bei all der bemüht neutralen Berichterstattung oder sogar versteckten Bewunderung klare Worte, z.B. von Christoph Waltz, Filmschauspieler, interviewt vom österreichischen Fernsehen (ZIB): https://www.youtube.com/watch?v=Fd5e6bOUCY4
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