17.12.2017

Neue Zürcher Zeitung

Eric Gujer schiesst scharf gegen die SRG

Der NZZ-Chefredaktor hat in einem Kommentar zur No-Billag-Initiative Begriffe wie «Staatsmedien» und «Staatsfunk» benutzt. Damit löste er auf Twitter heftige Reaktionen aus.
Neue Zürcher Zeitung: Eric Gujer schiesst scharf gegen die SRG
NZZ-Chefredaktor Eric Gujer ist überzeugt: «Eine Staatsmedienlandschaft will die Mehrheit der Bürger nicht.» (Bild: Keystone/Christian Beutler)

Die SRG würde heute nicht mehr erfunden werden, so NZZ-Chefredaktor Eric Gujer am Samstag im Frontartikel mit dem Titel «Die Schweiz braucht keine Staatsmedien». «Sie ist das Kind einer Zeit, in der Hitler und Stalin die neue Radiotechnik nutzten, um ihre Propaganda zu verbreiten, und ein demokratischer Staat wie die Schweiz mit dem Konzept der geistigen Landesverteidigung antwortete.» Die SRG wolle so bleiben, wie sie ist. «Sie ist der einzige Dinosaurier, der jeden Tag verkündet, die Evolution gebe es nicht. Sie will uns einreden, Dinosaurier lebten ewig und kleine, flinke Säugetiere hätten nie eine Chance», schrieb Gujer weiter.

Linke und Medienministerin Doris Leuthard würden die Kontrolle über die privaten Medien anstreben. «Es droht daher eine Staatsmedienlandschaft mit einer übermächtigen SRG und privaten Trabanten.» Und weiter: «Es braucht keinen Staatsfunk, um in jedem Haushalt die ‹richtige› Nachrichtenquelle sicherzustellen.» Streaming-Dienste wie Netflix würden hochwertige Inhalte produzieren, «bei denen ein behäbiger Staatssender nicht mithalten kann.»

Gujers Kommentar erntete vereinzelt Applaus, so zum Beispiel von «Weltwoche»-Redaktor Florian Schwab, der zu den Initianten der No-Billag-Initiative gehört:


Ein Grossteil der Twitterer stellte sich jedoch gegen Gujers Kommentar. So zeigt sich Dominique Eigenmann, Korrespondent des «Tages-Anzeigers» in Berlin, «schockiert»:


Der ehemalige «Watson»-Chefredaktor Hansi Voigt findet, dass Gujer Wort für Wort den Beweis liefere, «weshalb wir die Zukunft des Journalismus von der Zukunft der bisherigen Verlagshäuser trennen müssen»:


Auch Viktor Giacobbo schaltete sich in die Diskussion ein:


Peter Stämpfli, Direktor von Fokus Bern, twitterte, dass sich Gujer mit seinem Kommentar als einer entlarve, dem rechteste Propaganda geläufig sei:


Medienwissenschaftler Matthias Zehnder griff seinerseits in die Tasten und liefert eine ausführliche Replik auf Gujers Kommentar:


Übrigens, die SRG hält selber fest, dass sie häufig als «Staatsradio» oder «Staatsfernsehen» bezeichnet werde. Zu Unrecht, heisst es. «Die SRG ist ein nach aktienrechtlichen Prinzipien geführter privater Verein mit besonderem gesellschaftlichem Auftrag (Konzession), der zur Erfüllung dieses Auftrags ein Medienunternehmen betreibt», heisst es auf der SRG-Website. (cbe)


Eine Replik zu vier Punkten aus Gujers Kommentar liefert Politikberater Mark Balsiger in einem Blogbeitrag auf persoenlich.com.

 

 

 



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Kommentare

  • Heinz Wanner, 18.12.2017 20:36 Uhr
    Als langjähriger Abonnent der NZZ kommen mir Zweifel, ob der jetzige Chefredaktor das Format und dis intellektuelle Souplesse besitzt, dieser wichtigen Zeitung als Chefredaktor vorzustehen. Hat er erstens nie darüber reflektiert, welch wichtige Rolle ein Medium wie die SRG in politisch schwierigen Zeiten spielen kann? Zweitens zweifle ich daran, ob er je im Ausland ein Katastrophenereignis erlebt hat und Zeuge davon werden konnte, welche wichtige Rolle eine "single official voice" für ein Land spielen kann. Ich rate ihm, über die Festtage darüber nachzudenken!
  • Reto Emmicic, 18.12.2017 13:39 Uhr
    NZZ-Chefredakteur Eric Gujer scheint sich mehr und mehr in der Rolle als Steigbügelhalter für die SVP zu gefallen. Ein sackschwacher Kommentar zu "NoBillag" von Gujer, der nicht zum ersten Mal als Chefredakteur überfordert scheint. Nicht nur ist seine Argumentation widersprüchlich und in manchem schlicht demagogisch ("Staatsmedien") - ein Chefredakteur, dem bei dem offensichtlichen Versuch der Schweizer Rechtsnationalen, die SRG zu schwächen, nicht das Thema "fake news" mit all seinen Folgen für eine Demokratie in den Sinn kommt, hat seinen Job verfehlt.
  • Urs Gugger, 18.12.2017 09:37 Uhr
    Wenn es etwas im "Staatsfernsehen" nicht braucht, dann die "NZZ-Standpunkte" mit dem narkotischen Gemurmel von Eric Gujer.
  • Tek Berhe, 18.12.2017 05:01 Uhr
    Klare Worte von Eric Gujer. Die gegenwärtige spannende Diskussion hätten Leuthard/Metzger/de Weck schon länger zulassen müssen! Nicht alle Meinungen, die Uvek und Bakom nicht passen kommen von destruktiven Radaubbrüdern und -schwestern!
  • Tom Briner, 17.12.2017 21:31 Uhr
    Da sieht man, wie weit man abdriften kann, wenn die Verzweiflung und die Angst um das kommerzielle Überleben des eigenen Arbeitgebers überhand nimmt und man nicht in der Lage ist,Lösungen zu präsentieren.
  • Gaugler David, 17.12.2017 19:49 Uhr
    Das Niveau von den Medien nimmt leider ab. Auch die NZZ bleibt davon nicht verschont. Herr Gujers Leitkommentar ist unterste Schublade. Völlig unstatthaft für eine Zeitung wie die NZZ. Selbst die NZZ arbeitet am Zerfall der Schweiz. Von wem Herr Gujer wohl gesteuert wird?
  • Nico Herger, 17.12.2017 19:25 Uhr
    Frau Frei, mit Verlaub, Ihre "Gebühr" ist in Wirklichkeit eine Steuer, da sie auch von Personen bezahlt werden muss, die keine Empfangsgeräte haben. Plombieren ist ja nicht mehr möglich. BR Leuthard hat schon auf diesen Trick zurückgegriffen, leider hat er funktioniert. Hoffentlich kein zweites Mal. Auch dass Unternehmen massiv zur Kasse gebeten werden, unterstreicht den Steuercharakter. Weltfremd ist auch Ihre Ansicht, die SRG sei demokratisch aufgestellt. In Wirklichkeit ist sie die Domäne von SP und CVP, Leuenberger und nachher Leuthard haben die SRG mit ihren personellen Entscheidungen zu einer Propagandaanstalt von Mitte-links gemacht. Deshalb gehört diesen einstmals angesehenen und politisch neutralen Sendern der Stecker gezogen. Nachher wird etwas Neues, weniger Dominantes und somit Besseres entstehen.
  • Annette Frei Berthoud, 17.12.2017 11:12 Uhr
    Die SRG als Staatsmedium zu bezeichnen ist nicht nur polemisch, sondern ganz einfach falsch. Staatsfernsehen ist per definitionem ein Fernsehen, das sich im Eigentum oder unter der unmittelbaren Kontrolle eines Staates befindet. Staatliche Sender unterstehen unmittelbar einer Behörde. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hingegen finanziert sich aus Gebühren und wird von demokratisch gewählten pluralistischen Gremien kontrolliert. Die SRG als öffentlich-rechtliche Organisation garantiert im Gegensatz zu einem Staatssender die Meinungsvielfalt. Dieser Unterschied kann nicht genug betont werden, denn das Märchen vom Staatsfernsehen wird den Leuten gerade so penetrant eingehämmert, dass sie es am Ende glauben. Dass die renommierteste Zeitung der Schweiz auf diesem Niveau argumentiert, ist traurig und bedenklich.
  • Jan Walter, 17.12.2017 09:27 Uhr
    Herr Gujer scheint mir vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk ebenso viel zu verstehen wie von der Mitarbeiterführung.
  • Geri Brunner, 17.12.2017 03:42 Uhr
    Wie blind ist Erich Gujer eigentlich? Warum darf so einer wie Herr Gujer Chefredaktor der NZZ sein? Vor 10 Jahren hatte ich das Tagi-Abo aufgelöst, weil der Tagi für mich immer mehr eine Wischiwaschi-Zeitung wurde. Die NZZ war für mich noch die einzige Zeitung, die für mich in Frage kam. Ein Fels in der Medienbrandung. Das war für mich so bis und mit der Markus Spillmann-Aera. Doch nun scheint auch die NZZ langsam Wischiwaschi zu werden. Die neue NZZ-Führungsriege kommt mir vor wie ein "Fremdkörper" - diese Leute haben nicht mehr viel mit der althergebrachten NZZ zu tun. Sie sind daran, den guten Ruf der NZZ zu ruinieren. Mit Verlaub: In allen europäischen Ländern gibt es einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk: RAI, ORF, ARD/ZDF, FRANCE 2/3, TVE usw. usf. Gerade die Willensnation Schweiz mit ihren vier Sprachen und Kulturräume braucht eine Klammer, die dieses Land zusammenhält. Keine Frage: An der SRG gibt es viel zu kritisieren, und die SRG muss sich reformieren. Aber den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Schweiz abschaffen zu wollen, wäre eine grosse Dummheit. Die Schweiz wäre das einzige Land in Europa ohne öffentlich-rechtlich rechtlichen Rundfunk. Dass ausgerechnet die NZZ-Chefetage diese Dummheit propagiert, ist ein Skandal. Schade für die NZZ, dass sie so eine Führung erhalten hat. Das hat die Neue Zürcher Zeitung nicht verdient. Ein Gottfried Keller würde sich im Grabe umdrehen, würde er heute die NZZ legen. Ich werde das Abo kündigen.
  • Susanna Beusch, 16.12.2017 19:37 Uhr
    nalog zum Titel von Eric Gujers Kommentar schrieb ich heute der NZZ: "Die NZZ braucht mich als Abonnentin nicht". Und habe das Abo gekündigt.
  • Armin Keusch-Walter, 16.12.2017 18:55 Uhr
    Wer bei Empfängen auf Schweizer Botschaften im Ausland auftritt, als er wäre er mindestens der achte Bundesrat, sollte sich nicht über Staatsmedien auslassen.
  • Samuel Bittner, 16.12.2017 14:26 Uhr
    Jetzt hat der Chefideologe die Katze aus dem Sack gelassen, und wir wissen endlich, woran wir mit ihm und der NZZ sind.
  • Peter Stämpfli, 16.12.2017 14:16 Uhr
    Meine im Artikel zitierte Meinung hier im vollen Wortlaut: https://peterstaempfli.net/2017/12/16/staatsmedien
  • Marc Müller, 16.12.2017 12:59 Uhr
    Hocherfreut führe ich mir die Zeilen von Herrn Eric Gujer mit Hochgenuss zu Gemüte! Ich denke, die NZZ mit Herr Gujer hat - endlich - die Zeichen der Zeit erkannt und erahnt deutlich, dass mit grösster Wahrscheinlichkeit die NO BILLAG-Initiative angenommen wird. Wenn ich in meinem Umfeld sorgfältig herumhöre, fühle ich, dass NO BILLAG immer grössere Chancen hat, angenommen zu werden. Der katastrophale, anmassende Medienauftritt von Doris Leuthard in dieser Woche hat nach meiner Meinung noch wesentlich dazu beigetragen, dass viele Bürger nun wissen, dass die BILLAG-Zwangsabgaben dringendst ersatzlos abgeschafft werden müssen.
  • Frank Hänecke, 16.12.2017 12:03 Uhr
    Warum stramm rechts immer einher geht mit medienökonomischer Naivität? Wohl weil es die nicht transparent gemachten Interessen deckt? Es wird keinen Ersatz geben, für das, was das No-Billag-Monster frisst. Immerhin gibt’s auch in der NZZ Leute vom Fach, die das checken: Es verwundere, „dass einige Exponenten weiterhin behaupten, eine private SRG könne sich künftig als Abonnementssender behaupten. Wer solches sagt, ist unredlich, oder er hat keine Ahnung von medienökonomischen Zusammenhängen. “, Rainer Stadler in NZZ, 14.12.2017. (https://www.nzz.ch/feuilleton/medien/die-srg-zahlt-nicht-immer-besser-ld.1338929 )
  • Robert Weingart, 16.12.2017 10:43 Uhr
    Die NZZ veröffentlicht nach wie vor im deutschsprachigen Raum hochstehende Artikel und Beiträge in den Ressorts Ausland und Feuilleton. Wer aber die Meinungsseiten und -texte anschaut, dem sollte aufgefallen sein, dass es in erster Linie Männer sind die, kommentieren. Die NZZ ist in ihrer Redaktionsstruktur aus der Zeit gefallen mit ihrer Lastigkeit auf Männer und Akademiker. Entsprechend darf man wohl auch nicht erwarten, dass die Kommentare lebensnah sind. Eric Gujer ist ein Transatlantiker, der offenbar mit Besserwissertum ("der andere Blick") Aufmerksamkeit zu erhaschen versucht. Solche Leitkommentare sind qualitativ kein richtiger Beitrag sondern Ausdruck eines Wutbürgertums, das offenbar auch die Liberalen erfasst hat. Es ist erschreckend, dass ein NZZ-Chefredaktor mit Tönen um sich schmeisst, die in Deutschland von der AfD und Pegida stammen könnten. Gujer ist unter diesem Gesichtspunkt und auch mit der fragwürdigen Personalpolitik der letzten Zeit als Redaktionsleiter der NZZ untragbar geworden.
  • Mark Balsiger, 16.12.2017 10:25 Uhr
    Wenn der Chefredaktor einer liberalen Zeitung mit grosser Ausstrahlung implizit zur Annahme der Medienzerschlagungsinitiative am 4. März aufruft, ist das staatspoligtisch bedenklich. Zudem übernimmt Eric Gujer Kampfbegriffe der Wutbürger, die in Onlineforen toben - es ist zum Heulen.
  • Giuseppe Scaglione, 16.12.2017 10:00 Uhr
    Brillant! Satz für Satz! Einer der bisher besten Artikel/Kommentare zum Thema No Billag! Bin sehr positiv überrascht, so etwas in der NZZ zu lesen - und dann noch vom Chefredaktor Eric Gujer persönlich! Es gibt sie also noch, die Journalisten, die kühlen Kopf bewahren, sich nicht vor den SRG-Karren spannen lassen und eine eigene Meinung vertreten. Chapeau!
  • Nico Herger, 16.12.2017 09:35 Uhr
    Gratuliere zu Klartext, Herr Gujer. Die NZZ wird wieder echt bürgerlich und damit lesbar. Es gibt zu viel vom linken Mainstream. Nur gut, dass sich die NZZ davon ausklinkt.
  • Dieter Fahrer, 16.12.2017 09:12 Uhr
    Am Journalismustag 2015 äusserte sich Eric Gujer in einer Diskussionsrunde zum Thema "Flüchtlingsfrage und Medien" mit den Worten: “Empathie ist keine gute Kategorie in der journalistischen Berichterstattung." Wer so denkt, ist ganz offensichtlich ein Handlanger der Rechten, wie Konrad Scherzer in obigem Kommentar treffend geschrieben hat. Das Gujer-Zitat ist nachzulesen auf: http://www.persoenlich.com/medien/das-sagten-die-chefredaktoren-in-winterthur-327939
  • Konrad Scherzer, 16.12.2017 06:57 Uhr
    Wer nach dem Somm-Debakel auf eine positive Erneuerung bei der NZZ gehofft hatte, sieht sich enttäuscht: Der Drogist ist geblieben, und Gujer, auf den sich unsere Hoffnungen fokussiert hatten, entlarvt sich - wie vor ihm schon der neue Inland-Chef als nicht geringerer Handlanger der Rechten. Quo vadis NZZ?
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